Im Herbst kommt die Gaspreis-Explosion

(c) AP (Daniel Roland)
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Wegen hoher Spritkosten ist die Teuerung auf Rekordniveau. Nach der Wahl dürfte der Gaspreis zulegen.

Wien (go/jaz/dom/b.l.).Heftig, aber wenig überraschend fiel der Anstieg der Verbraucherpreise im Juni aus. Der Verbraucherpreisindex der Statistik Austria stieg im Vergleich zum Juni 2007 wie erwartet um 3,9 Prozent. Dafür waren vor allem die Treibstoffpreise verantwortlich. Sie machten rund ein Drittel der Teuerung aus. Diesel stieg sogar um 44 Prozent.

Die Politik gibt in der Debatte, wie der Teuerung beizukommen ist, zusehends schrille Töne ab. Arbeiterkammer und SPÖ fordern staatlich verordnete „Preisstopps“, das BZÖ möchte diesem Thema sogar ein Volksbegehren widmen. Doch während der Beginn des Wahlkampfs kaum zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen dürfte, kommt auf die Österreicher die nächste unangenehme Nachricht zu: Erdgas wird schon bald empfindlich teurer. Laut Berechnung der Energie-Beratungsfirma Cambridge Energy Research Associates (Cera) könnte der Preis pro 1000 Kubikmeter Erdgas in Europa von 350 Dollar (219 Euro) per Anfang dieses Jahres bis April 2009 auf 730 Dollar (458 Euro) steigen.

Der Grund dafür liegt in der Bindung des Gaspreises an einen Korb verschiedener Rohölsorten und Ölprodukte. Dies stammt aus der Zeit, als Erdgas in erster Linie als Ersatz für Heizöl eingesetzt wurde. Er ist allen langfristigen Lieferverträgen eingeschrieben – so auch jenem der OMV mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom – und sorgt dafür, dass sich die Bewegung des Ölpreises mit rund drei bis sechs Monaten Verzögerung im Gaspreis niederschlägt (siehe Grafik).

Ganz so stark – wie von Cera vorhergesehen – wird laut E-Control die Steigerung beim heimischen Gas-Importpreis aber nicht ausfallen. „Wie stark der Preis wirklich steigen wird, hängt sehr stark von den jeweiligen Verträgen ab. Und die österreichischen Verträge sind teilweise sehr günstig“, so Johannes Mayer von der E-Control. Die E-Control schätzt, dass der österreichische Gas-Importpreis per Jahresende auf rund 370 Euro je 1000 Kubikmeter steigen wird, derzeit liegt er bereits bei 335 Euro. Da das Gaspreisniveau im Inland aber noch ungefähr auf dem Stand von Anfang 2007 liege, würde dies einer Steigerung von 66 Prozent entsprechen.

30 Prozent teurere Gasrechnung

Eine Preissteigerung der allesamt staatlichen Gasversorger gilt vor der Nationalratswahl als ausgeschlossen. Ab Oktober dürfte es zu Anhebungen bei den Endkundenpreisen kommen. Wenn die Versorger die gesamte Preissteigerung von 66 Prozent an ihre Kunden weitergeben, erhöht sich deren Gasrechnung um etwas mehr als 30 Prozent. Der Energiepreis macht nämlich weniger als die Hälfte des Gaspreises aus. Der Rest sind Netzgebühren und Abgaben.

Als Mitgrund für die hohen Energiepreise gilt der fehlende Wettbewerb. Dies wird nun von einer Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) bestätigt. Die Rolle der öffentlichen Hand als Eigentümer (der möglichst hohe Dividenden beziehen will), Gesetzgeber und Aufsichtsorgan ist laut OeNB-Direktor Josef Christl „nicht gerade wettbewerbsfördernd“. Bezeichnend seien die geringen Wechselraten: Im Jahr 2006 wechselten nur 0,9 Prozent der Kunden ihren Strom- oder Gaslieferanten, während rund 20 bis 30 Prozent auf einen anderen Mobilfunk-Betreiber umstiegen.

Die hohe Teuerung stärkt nun den Druck auf die Lohnverhandler. Üblicherweise legt man bei Lohnrunden die „Benya-Formel“ zu Grunde: Die Arbeitnehmer erhalten eine Abgeltung der Inflation plus einen Anteil am Produktivitätszuwachs. Im Vorjahr sicherten sich die Metaller bei einer Inflation von 2,2 Prozent eine Lohnerhöhung von 3,5 Prozent plus eine Einmalzahlung. Doch heuer dürfte die Inflation stärker und die Konjunktur schwächer ausfallen. Denn auch die Firmen leiden unter den höheren Kosten.

„Schwierige“ Lohnrunde

Der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, hatte kürzlich vor „Zweitrundeneffekten“ gewarnt: Aufgrund der hohen Inflation könnten die Gewerkschaften höhere Löhne durchsetzen und dann die Unternehmen ihre Kosten an die Konsumenten weitergeben, was die Inflation noch stärker ankurbeln würde. Metaller-Chef Erich Foglar räumt ein, dass die Verhandlungen heuer „schwierig“ werden. Im Vorfeld gebe man aber keine Zahlen bekannt.

Stärker als in Österreich schlug die Teuerung in der gesamten EU (4,3 Prozent) zu. In Lettland sind Waren und Dienstleistungen um 17,5 Prozent teurer als vor einem Jahr, in Bulgarien um 14,7 Prozent. Nach EU-Berechnung, bei der Verkehr stärker gewichtet wird als bei der österreichischen Berechnung, betrug die österreichische Inflationsrate vier Prozent. Das liegt exakt im Schnitt der Eurozone.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2008)

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