Ein Ferrari mit 500 Sitzplätzen

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Teurer Treibstoff macht Hoch-geschwindigkeits-züge gegen Jets und Autos konkurrenzfähig – in Italien gründet Ferrari-Boss Montezemolo eine private Bahngesellschaft.

Rom/Paris/Frankfurt (eid/ag). Er ist knallrot, schlank und windschlüpfrig und macht 360 „Sachen“: Das ist der neue Ferrari – aber mit dem legendären Sportwagen hat das Ding nur am Rande zu tun. Es ist vielmehr der neue Hochgeschwindigkeitszug, der ab 2010/2011 die Strecken Mailand-Rom und Mailand-Neapel verbinden soll. Betreiber des Ferraris auf Schienen ist jedoch nicht die staatliche italienische Bahngesellschaft Trenitalia, sondern niemand geringerer als Ferrari- und Fiat-Präsident Luca Cordero di Montezemolo.

Der umtriebige Industrielle hat zusammen mit dem Produzenten der Schuh-Kultmarke Tod's, Diego Della Valle, dem Unternehmer Gianni Punzo und dem ehemaligen Bahnmanager Guiseppe Sciarrone die erste europäische private Bahngesellschaft für Personenverkehr, NTV, gegründet. Mit an Bord als Financier ist die Bank Intesa San Paolo.

Die NTV hat beim französischen Konzern Alstom um 1,5 Mrd. Euro 25 Garnituren des TGV-Nachfolgers AGV sowie Serviceleistungen bestellt. Der Hochgeschwindigkeitszug im roten Ferrari-Design, bei dem jeder der knapp 500 Ledersitze mit Fernsehschirm, Internetzugang, Stereoanlage und Minibar ausgestattet wird, soll startklar sein, wenn Italiens Schienenverkehr für private Anbieter ab 2010 geöffnet ist. Europaweit ist die Liberalisierung ebenfalls ab 2010 geplant – allerdings nur für internationale Strecken. Die Öffnung der nationalen Bahnstrecken soll erst später erfolgen, Italien ist mit einer eigenen Reform vorgeprescht.

Mailand-Rom in drei Stunden

Montezemolo rechnet bei Fahrzeiten von nur drei Stunden zwischen Rom und Mailand bzw. knapp über einer Stunde von Rom nach Neapel schon 2015 mit zehn Millionen Passagieren oder 30.000 Reisenden pro Tag. Auch wenn ein Ticket 120 Euro kosten soll. Ein Kalkül, das nicht utopisch klingt. Angesichts hoher Treibstoffpreise wird die Bahn wieder zu einem ernsthaften Konkurrenten von Auto und Flugzeug – wenn sie Komfort und Verlässlichkeit bietet. Vor allem für die ohnehin schon krisengebeutelte Luftfahrt stellen Hochgeschwindigkeitszüge eine Bedrohung dar. Für die vom Bankrott bedrohte Alitalia trifft das jedenfalls zu. Pikanterie am Rande: Die Intesa San Paolo wurde von der Regierung Berlusconi beauftragt einen Rettungsplan für die Alitalia zu erarbeiten.

Air France auf Schienen

Einige Fluglinien reagieren bereits und werden selbst aktiv. Air-France/KLM will zusammen mit dem französischen Mischkonzern Veolia ein eigenes Hochgeschwindigkeitsnetz aufbauen, das Passagiere vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle und anderen Flughäfen weiterbefördert. Experten halten diesen Schritt für sinnvoll, da Kurzstreckenflüge angesichts der hoher Kerosinpreise zunehmend unwirtschaftlich werden. Die Züge könnten sogar unter dem Namen „Air France“ verkehren. Im Gegenzug dürften etwa Flüge zwischen Frankfurt und Paris gestrichen werden. Schon aufgegeben hat Air France die Strecke Paris-Brüssel, dort verkehrt ein Hochgeschwindigkeitszug.

Die Lufthansa wiederum kooperiert seit Jahren mit der Deutschen Bahn. Ein eigenes Netz will sie deshalb nicht aufbauen. Der Flughafen Frankfurt besitzt einen eigenen ICE-Bahnhof. Von Frankfurt nach Köln und Stuttgart haben die Züge eigene Flugnummern der Lufthansa und Abteile für Lufthansa-Kunden. Die Fahrten sind in den Flugplan integriert. Auf allen anderen Strecken erhalten Passagiere im Rahmen des Kooperations-Programms „Rail and Fly“ verbilligte Tickets.

Auch in den USA zeichnet sich ein neuer Trend zur Bahn ab: Das Repräsentantenhaus hat kürzlich knapp 15 Mrd. Dollar freigegeben. Mit dieser Investition soll das Netz der halbstaatlichen Bahngesellschaft Amtrak 2009 bis 2013 modernisiert und ausgebaut werden.

Auf einen Blick

Luca Cordero di Montezemolo. [EPA]■In Italien hat eine Gruppe um Fiat- und Ferrari–Präsident Luca Cordero di Montezemolo den ersten privaten Bahnbetreiber NTV gegründet. Die roten Bahn-Boliden sollen 2010 starten. Auch Fluglinien drängen ins Bahngeschäft. Air France will ein Bahnnetz aufbauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2008)

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