Eine "massive" Wirtschaftsdelegation sucht im fernen Osten Kompensation für Europas Schwäche und Russlands Sanktionen. Drei Minister und ein Kammerpräsident.
Peking. Der Stolz war unüberhörbar. Immerhin hatten sowohl der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer als auch der EU-Agrarkommissar Phil Hogan ihre offiziellen China-Reisen wegen des vergleichsweise kurzfristig anberaumten Parteitags der KP unter Führung von Xi Jinping in Peking abgesagt. Nicht so die Österreicher.
Fast könnte man schreiben: Stur hatten sie die Reise der 120-köpfigen Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation weiter geplant und hatten Glück. Oder wie es Wirtschaftsminister Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei einer Pressekonferenz in einem Pekinger Hotel formulierte: „Wir treten auf dieser Reise massiv auf. Trotz Parteitags werden wir von der chinesischen Seite – es klingt vielleicht überheblich – prioritär behandelt.“
„Prioritär“ bedeutet konkret: Termine der österreichischen ÖVP-Ministerriege – an der Seite Mitterlehners Außenminister Sebastian Kurz, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl – bei einer Reihe von Spiegelministern, von Vizepremier Wang Yang bis zu Bildungsminister Du Yubo.
Der massive Auftritt der Österreicher kommt nicht von ungefähr: Europas Wirtschaft schwächelt enorm, die nächste rezessive Phase wartet um die Ecke und selbst Deutschland droht als Konjunkturlokomotive für Österreich immer langsamer zu werden. Daher sieht Leitl die Chance für mehr Export in Asien: „80 Prozent kommen von Europa. Die Schwäche dort müssen wir kompensieren und vielleicht sogar wettmachen.“ Tatsächlich befinden sich zahlreiche Industrielle – an der Spitze Hannes Androsch – und Unternehmer in der Delegation, um die „Schuhlöffel“ (so einer der Minister) Politiker zu nützen, die Termine und Kontakte bringen. Wie ambitioniert die Ziele sind, ließ WKO-Chef Leitl auch den Wirtschaftsdelegierten in Peking, Martin Glatz, wissen: Ziel sei eine Verdoppelung des Handelsvolumens bis 2020 auf 20 Milliarden Euro. Dass noch Luft nach oben ist, zeigt eine andere Zahl: Als Exportdestination für Österreichs Betriebe liegt die größte Handelsnation der Welt auf Position elf mit 2,5 Prozent, wie die „FAZ“ jüngst anmerkte.
Schweinefleisch für China
Nach Angaben der Statistik Austria legten die Einfuhren nach Österreich 2013 lediglich um 0,6 Prozent auf 6,8 Milliarden Euro zu. Die Ausfuhren wuchsen um 3,5 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, sodass Wien gegenüber Peking ein Handelsbilanzdefizit ausweist.
Das soll sich nun ändern: Es sind drei ganz unterschiedliche Bereiche, in denen die österreichische Riege zumindest atmosphärisch an den ersten Tagen einiges erreichen konnte: Landwirtschaft, Forschung und Green Economy. Für die Forschung reiste (neben Androsch und Vertretern wichtiger Wissenschaftsinstitutionen) Akademie-der-Wissenschaften-Chef Anton Zeilinger höchst selbst an, um Kooperationen zu fixieren.
Das Thema Umweltschutz- und Technologie drängte sich quasi vor Ort auf: Die Feinstaubwerte in China übersteigen den europäischen Wert um ein Vielfaches, mehrmals wurde in den vergangenen Tagen vor Betätigung im Freien gewarnt, die Sonne ist ohnehin optisch nur zu erahnen. Am konkretesten wurde es für Andrä Rupprechter, der eine Zusage für den Export von Schweinefleisch erreichte, der seit diplomatischen Protesten Pekings gegen ein Treffen von Kanzler Werner Faymann mit dem tibetischen Oberhaupt, dem Dalai Lama, auf Eis gelegen war.
Rupprechter verspricht sich durch die vorgezogene Importoffensive nach China auch die volle Kompensation des Exportausfalls bei landwirtschaftlichen Produkten durch die Wirtschaftssanktionen von Russland und der EU.
Die waren und werden auch Thema (ebenso wie die Demokratieproteste in Hongkong und die Situation der uigurischen Minderheit) bei den Unterredungen von Mitterlehner und Kurz und den jeweiligen Spiegelministern. Wobei vor allem Leitl eine Aussage von Vizepremier Wang Yang im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sichtlich beeindruckte, sodass er sie nach eigenen Angaben etwas unprotokollarisch mit Applaus begrüßte und später den Journalisten vorlas: „Politische Probleme muss man politisch verhandeln, wirtschaftliche Sanktionen schaden hingegen allen.“ Er, Leitl, habe dem nichts hinzuzufügen, meinte der Wirtschaftskammerchef euphorisch. Die drei Regierungsmitglieder an seiner Seite schwiegen höflich lächelnd.
Compliance-Hinweis:
Die Kosten für diese Reise wurden vom Wirtschaftsministerium und von der
Wirtschaftskammer Österreich übernommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)