Wiener Städtische versichert Tiflis-Pipeline

Öl-Pipeline BTC
Öl-Pipeline BTC(c) EPA (Stringer)
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Wiener Städtische, Siemens Österreich und Wurstfabrikant Schirnhofer blicken nervös nach Georgien. Für den Versicherungsschutz der Öl-Pipeline BTC ist auf georgischem Gebiet unter anderem eine
Wiener-Städtische-Tochter verantwortlich.

Wien. Auch österreichische Firmen sind vom Krieg in Georgen betroffen. An der Spitze der rotweißroten Investoren in der Kaukasus-Republik steht die Wiener Städtische, die dort nach Zukäufen zur zweitgrößten Versicherung des Landes aufgestiegen ist und auf einen Marktanteil von 38,5 Prozent kommt. Besonders pikant: Der in Georgien liegende Abschnitt der strategisch wichtigen Ölpipeline BTC (Baku-Tbilisi-Ceyhan) wird unter anderem von der in Tiflis ansässigen Städtischen-Tochter IRAO versichert. „Wir sind aber nicht die Einzigen. Unsere Tochter führt nur das Versicherungskonsortium an“, sagt Wiener Städtische-Chef Günter Geyer zur „Presse“. Das Risiko sei minimal. „In den Versicherungsbedingungen ist ausdrücklich festgehalten, dass wir nicht für Kriegsschäden haften“, so Geyer. Zudem gebe es bei Projekten in dieser Größenordnung einen hohen Rückversicherungsanteil von 90 bis 95 Prozent.

Laut Angaben auf der IRAO-Homepage versichert die Städtische-Tochter auch den georgischen Abschnitt der „South Caucasus Pipeline“ (SCP). „Wir stehen mit dem Management in Georgien in Kontakt. Bislang haben die Kampfhandlungen keinerlei Auswirkungen auf das Geschäft“, beruhigt Geyer.

Siemens fliegt Mitarbeiter aus

Die beiden Tifliser Versicherungstöchter GPIH und IRAO, an denen die Wiener Städtische mit ihrem holländischen Partner TBIH beteiligt ist, sind nur im georgischen Stammland tätig. In den abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien gibt es keine Niederlassungen. Die Georgien-Töchter erwirtschaften ein Prämienvolumen von 25 Mio. Euro, was im Verhältnis zum Gesamtkonzern niedrig ist. Geyer: „Der Buchwert beider Gesellschaften liegt bei drei bis vier Mio. Euro.“

Dramatischer lief es bei Siemens Österreich ab. „Wir haben in Absprache mit dem Kunden unsere Mitarbeiter sofort aus dem gefährdeten Gebiet ausgeflogen“, sagte eine Siemens-Sprecherin. In welcher Region sich die Beschäftigten aufgehalten haben, will sie nicht sagen.

Siemens Österreich wurde erst im Frühjahr vom staatlichen georgischen Elektrizitätsversorger GSE beauftragt, die vier wichtigsten Umspannwerke des Landes zu modernisieren. Laut georgischen Medien sind diese Werke als potenzielle Angriffsziele der russischen Luftwaffe derzeit besonders gefährdet.

Auch der steirische Fleischer Schirnhofer verfolgt intensiv das Geschehen am Kaukasus. „Im Detail wissen wir noch nicht, wie sich der Krieg auf unser Geschäft auswirkt“, sagt Schirnhofer-Sprecher Franz Kneißl. Der Schirnhofer-Supermarkt in Tiflis dürfte aber mit Waren versorgt werden, habe man aus Georgien erfahren. Auch beim Export von Österreich in die Region am Landweg sollte „alles OK“ sein.

300 Tonnen Wurst für Georgien

Schirnhofer schickt jeden Monat 300 Tonnen Wurstwaren nach Georgien, beim Import kommt man damit auf einen Marktanteil von 65 Prozent. Der Wurst-Fabrikant, in Österreich bekannt als Lieferant von Zielpunkt, ist seit sieben Jahren in Georgien aktiv.

Ende 2007 wurde in Tiflis der erste Schirnhofer-Supermarkt eröffnet. Name und Design stammen aus der Steiermark, betrieben wird er von Schirnhofer Georgien, einem Partnerunternehmen.

Der Testmarkt laufe sehr gut, sagt Kneißl. Bis vor kurzem wurde nach neuen Standorten gesucht, um Schirnhofer in der Region zu einer Supermarkt-Kette auszubauen. Auch eine Wurstfabrik war in Planung, um nicht nur zu exportieren, sondern auch bei georgischen Vertragsbauern zu kaufen.

Nun heißt es abwarten und die Lage beobachten. „Wir können die Kriegsfolgen nicht abschätzen“, sagt Kneißl.

Von Reisen nach Georgien wird derzeit abgeraten. Die AUA hat die Flüge nach Tiflis am Mittwoch und Freitag gestrichen. Frühestens am Sonntag soll der Flugverkehr wieder aufgenommen werden.

Der für Georgien zuständige Wirtschaftskammer-Direktor Heinz Walter glaubt nicht, dass die Geschäftsbeziehungen durch die Kampfhandlungen stark beeinträchtigt werden. „Der Kaukasus gewinnt für Österreichs Firmen immer mehr an Bedeutung.“ Erst im Mai hat die Wirtschaftskammer mit Firmen die Region bereist. Im Vorjahr sind die Exporte nach Georgien um 65,5 Prozent auf 41,2 Mio. Euro gestiegen. „Der Aufwärtstrend dürfte weiter anhalten“, ist Walter überzeugt.

(c) Die Presse / LB

Georgien hat in vielen Bereichen Nachholbedarf. Die jährlichen Versicherungsausgaben liegen dort beispielsweise bei 15 US-Dollar pro Kopf. „Der Markt wächst mit dem Wohlstand der Bevölkerung“, sieht Städtische-Chef Geyer große Geschäftschancen. Doch nicht alle teilen diese Meinung. Raiffeisen-Osteuropa-Chef Herbert Stepic macht um Georgien einen Bogen. Die Kaukasus-Republik sei in einer schwierigen Situation, das Land habe als einzigen Bodenschatz Wein. Stepic: „Dort möchte ich nicht investieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2008)

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