SPD blockiert Mehrwertsteuersenkung

Wilhelm Molterer und Peer Steinbrück.
Wilhelm Molterer und Peer Steinbrück.(c) EPA (Olivier Hoslet)
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Niedrige Mehrwertsteuern führten nur zu Steuerausfällen, meint Deutschlands Finanzminister Steinbrück.

Nizza (Reuters/red.). Während die SPÖ im laufenden Wahlkampf die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel propagiert, opponiert die Schwesterpartei SPD auf europäischer Ebene gegen weitere Steuersenkungen in diesem Bereich. „Wir sind ausgesprochene Skeptiker, was die Einführung weiterer reduzierter Mehrwertsteuersätze betrifft“, meinte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Samstag nach der Sitzung der EU-Finanzminister im französischen Nizza.

Steinbrück begründet seine Ablehnung damit, dass niedrigere Mehrwertsteuersätze lediglich zu Steuerausfällen führen, die beschäftigungs- oder konsumfördernde Wirkung aber sehr fraglich sei. Der deutsche Finanzminister habe dabei richtig auf den Tisch gehauen, sagte ein EU-Diplomat.

EU-Kommission droht Österreich

Der Widerstand der Deutschen gilt weniger der Initiative der SPÖ, die Umsatzsteuer auf Nahrungsmittel zu halbieren, als dem von Frankreich vorangetriebenen Vorschlag der EU-Kommission, die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen und im Handwerk senken zu können. Dies laufe dem Ziel eines Abbaus der Staatsschulden entgegen. Weshalb weitere Mehrwertsteuersenkungen in der EU generell abzulehnen seien – womit Steinbrück indirekt auch gegen eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auftritt.

Widerstand gegen die Mehrwertsteuerpläne der SPÖ kündigt auch ein weiterer Sozialdemokrat an: EU-Steuerkommissar Lázló Kovács (Ungarn) droht Österreich offen mit einer Klage vor dem EuGH, falls die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel auf fünf Prozent halbiert würde. Steuergesetze können in der EU schließlich nur einstimmig beschlossen werden.

Jeder Mitgliedstaat kann laut EU-Recht einen Standard-Mehrwertsteuersatz haben, der 15 Prozent nicht unterschreitet. Und jeder Mitgliedstaat kann darüber hinaus zwei reduzierte Mehrwertsteuersätze festlegen, die fünf Prozent nicht unterschreiten dürften.

Das Nein aus Brüssel

Diese Möglichkeit hat Österreich nach Ansicht der EU-Kommission bereits ausgeschöpft. Für mehrere Waren und Dienstleistungen gilt ein reduzierter Satz von zehn Prozent (etwa für Lebensmittel, Mieten, Nächtigungen in der Gastronomie, Bücher und Kunst) sowie für den Ab-Hof-Verkauf von Wein (zwölf Prozent). Will Österreich die Mehrwertsteuer bei Nahrungsmitteln auf fünf Prozent reduzieren, müsse eine andere Ausnahme fallen. Die EU-Kommission will damit den Wust an Sonderregelungen eindämmen und „Steuer-Dumping“ vermeiden.

Das Nein aus Brüssel ist wiederum Wasser auf die Mühlen der ÖVP. Finanzminister und Vizekanzler Wilhelm Molterer lehnt eine Steuersenkung auf Nahrungsmittel strikt ab. Zwar propagiert die ÖVP seit Jahren die Notwendigkeit sinkender Steuern, im konkreten Fall sei dies aber der falsche Weg – die Menschen würden davon kaum etwas sehen. Nach spätestens drei Monaten wären die Preise wieder dort, wo sie vor der Steuersenkung waren, wie ÖVP-Wirtschaftsberater Claus Raidl in der „Presse“ vom vergangenen Wochenende meinte. Aufgrund der hohen Konzentration im Handel sei nicht zu erwarten, dass die Steuersenkungen weitergegeben würden.

Hohe Kosten in den Ländern?

Das Finanzministerium warnt zudem vor hohen Steuerausfällen nicht nur im Bund, sondern auch in Ländern und Gemeinden. Demnach würde die Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel die Ländern im kommenden Jahr 165,2 Mio. Euro kosten, die Gemeinden 82,4 Mio. Euro. Der Bund müsste mit 502,3 Mio. Euro den größten Brocken der auf 750 Mio. Euro geschätzten Steuersenkung tragen.

AUF EINEN BLICK

Deutschland blockiert Versuche, den EU-Mitgliedstaaten mehr Freiheiten in Sachen Mehrwertsteuersätze zu gewähren. Derzeit gibt es innerhalb der Union in jedem Land einen Normalsatz und maximal zwei reduzierte Sätze. Eine Änderung dieser Praxis kann nur einstimmig erfolgen.

Nach Ansicht des deutschen Finanzministers führten weitere Ausnahmen lediglich zu hohen Steuerausfällen ohne gleichzeitig den Konsum anzukurbeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2008)

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