Oleg Deripaska ist bei Magna draußen

Das Aktienpaket des Oligarchen am Autozulieferer Magna geht an die französische Bank BNP-Paribas. Seine Anteile am heimischen Baukonzern Strabag könnten an die Deutsche Bank gehen.

Wien. „Wir sind sehr froh über Oleg Deripaska. Er ist ein Partner, auf den einfach Verlass ist.“ So beschrieb Magna-Chef Siegfried Wolf vor drei Monaten im „Presse“-Interview sein Verhältnis zum russischen Oligarchen, der sich im Mai des Vorjahres mit über einer Milliarde Euro beim Autozulieferer des Austrokanadiers Frank Stronach eingekauft hatte. Ob die Freude über dessen Verlässlichkeit inzwischen immer noch so groß ist, ist zu bezweifeln. Denn seit Freitag ist Deripaska nicht mehr Miteigentümer von Magna International. Mit seinem 17 Prozent hohen Aktienpaket an Magna hat Deripaska Kredite bei einer Bank besichert. Angesichts der Finanzkrise dürfte es dabei zu Liquiditätsproblemen gekommen sein. Die Bank hat daher nun die Sicherung „gezogen“ und das Eigentum über das Aktienpaket übernommen.

Welche Bank nun der neue Großaktionär von Magna ist, wollte Deripaska bislang nicht bekanntgeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um die französische BNP-Paribas, die im Vorjahr seinen Einstieg bei Magna per Kredit mitfinanzierte. Für Deripaska war sein Investment bei dem Autozulieferer ein ziemliches Verlustgeschäft. So legte er rund 1,5 Milliarden Dollar (damals 1,1 Milliarden Euro) für die 20 Millionen Stück Magna-Aktien auf den Tisch. Nun hat sein Aktienpaket aber nur noch einen Wert von knapp 912 Millionen Dollar.

Magna will weiterhin kooperieren

Bei Magna gibt man sich trotz dieser plötzlichen Eigentümeränderung offiziell betont unaufgeregt. „Unsere strategische Allianz mit Russian Machines (der Holding von Deripaska, mit der er den zweitgrößten russischen Autohersteller GAZ hält, Anm.) hat uns bei unserem Wachstum in Russland sehr geholfen. Wir wollen weiterhin gemeinsam mit Russian Machines und GAZ Chancen auf diesem schnell wachsenden Markt wahrnehmen“, so Wolf in einer Aussendung. Der schnelle Einstieg in den russischen Zukunftsmarkt wurde im Vorjahr auch als Grund für die Hereinnahme von Deripaska bei Magna genannt. Bislang beschränken sich die gemeinsamen Aktivitäten von Magna und GAZ jedoch auf ein Joint Venture in Nischni Nowgorod, wo Magna GAZ bei der Teilelogistik für einen Nachbau eines älteren Chrysler- Modells hilft.

Ob die geplante Strategie, dass Deripaska Magna bei der Geschäftsanbahnung auf dem russischen Markt hilft, auch künftig funktioniert, ist somit fraglich. Kein Problem ist die Übernahme der Aktien durch die Bank jedoch für die Kontrolle von Frank Stronach und des Magna-Managements über den Autozulieferer. Bei Magna gibt es nämlich zwei Klassen von Aktien: Jene mit einfachem Stimmrecht sowie jene mit einem besonders hohen Stimmrecht. Letztere sind in der Hand von Frank Stronach. Dieser kontrollierte so über Jahre hindurch mit nur knapp fünf Prozent des Kapitals mehr die deutliche Mehrheit der Stimmrechte. Deripaska kaufte lediglich Aktien mit einfachem Stimmrecht.

Einen Teil seiner Stimmrechtsmehrheit gab Stronach zwar an Deripaska ab – indem beide Aktienpakete in eine neue Holding eingebracht wurden. Die BNP-Paribas wird in dieser Holding jedoch nicht die Nachfolge Deripaskas antreten und trotz ihres 17-Prozent-Pakets nur über wenige Prozent der Stimmrechte verfügen. Stronach, Wolf sowie der zweite Magna-Vorstand Donals Walker bestimmen weiterhin mit Hilfe der Holding über 66 Prozent aller Magna-Stimmrechte.

Über Stimmrechte und Aktienanteile macht man sich angesichts der Entwicklungen bei Magna inzwischen auch bei einem anderen heimischen Großunternehmen Gedanken. So weilt Hans Peter Haselsteiner, Chef des Baukonzerns Strabag, bereits seit mehreren Tagen in Moskau. Der Grund: Deripaska hat sich nur zwei Wochen vor seinem Einstieg bei Magna auch bei der Strabag eingekauft. Übrigens auch um rund eine Milliarde Euro, die er für die Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) an dem Baukonzern auf den Tisch gelegt hat.

Der Einstieg des Oligarchen, der kurz danach auch in Deutschland bei Hochtief zuschlug (dort hält er knapp zehn Prozent), löste hierzulande einen gehörigen Wirbel aus. Sagte doch Bau-Tycoon Haselsteiner den bereits auf Schiene laufenden Börsengang praktisch in letzter Minute ab, um dann Deripaska als neuen Kernaktionär zu präsentieren. Inzwischen wurde der Börsengang allerdings doch noch durchgeführt.

Wert des Aktienpakets halbiert

Als Magna den Rückzug des reichen Russen bekanntgab, kochte am Freitag prompt die Gerüchteküche über, Deripaska würde auch einen Ausstieg aus der Strabag erwägen (müssen). Denn sein Aktienpaket ist dem Vernehmen nach an die Deutsche Bank verpfändet. Der durch die Finanzkrise verursachte Kursrutsch hat auch die Strabag-Aktie nicht verschont: Deripaska ist bei der Strabag um rund 42 Euro je Aktie eingestiegen, jetzt notiert die Bauaktie bei 24,50 Euro. In Finanzkreisen wird daher damit gerechnet, dass die Deutsche Bank von Deripaska einen „Nachschuss“ erwartet.

Strabag-Sprecher Christian Ebner versuchte zu kalmieren. Deripaska, der den Baukonzern über seinen Ausstieg bei Magna am Telefon informiert hat, bleibe bei der Strabag investiert, sagte Ebner zur Nachrichtenagentur APA. Dieser Schritt habe „überhaupt keine Auswirkungen“ auf sein Engagement. Beobachter sehen das ein wenig anders. Sie halten den vor wenigen Tagen von der Strabag bekanntgegebenen Rückzug des geplanten Einstiegs in das russische Zementgeschäft als erstes Indiz, dass die Liebe zu Russland abgekühlt sein könnte. Die Strabag wollte bis zu zehn Zementwerke in Russland und Kasachstan errichten. Sie legte nun das Projekt wegen des Verfalls der Zementpreise auf Eis. Aber auch der russische Immobilienmarkt hat sich merklich abgekühlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2008)

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