ÖBB fehlt Geld zur Reparatur der Züge

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Wartungsarbeiten werden nur dann sofort durchgeführt, wenn die Sicherheit in Gefahr ist. Die Steuerzahler werden auch heuer wieder angewiesen, die Bundesbahnen mit mehr als vier Mrd. Euro zu subventionieren.

Wien. Für die Österreichischen Bundesbahnen wird das laufende Geschäftsjahr wohl ein Jahr der Rekorde werden. Die bis zur Mitte des Jahres spürbar höheren Treibstoffpreise haben die Bahn wieder populär gemacht und bei den ÖBB einen wahren Kundenansturm ausgelöst. Allein im Nahverkehr wird die Bahn eigenen Angaben zufolge um zehn Prozent mehr Passagiere befördern als im Vorjahr.

Das wird angesichts der im Dezember 2007 erhöhten Fahrpreise wohl zu Rekorderlösen führen. Dazu kommt auch noch der üppige Geldsegen von Vater Staat. Auf Geheiß des Finanzministers werden die Steuerzahler auch heuer wieder angewiesen, die Bundesbahnen mit mehr als vier Mrd. Euro zu subventionieren.

Eine Menge Geld – und dennoch zu wenig. Wörtlich ist in den Bundesbahnen von einer „äußerst angespannten Budgetsituation“ die Rede. Die Führungskräfte der Bahn wurden deshalb in einem internen E-Mail (siehe unten stehendes Faksimile) angewiesen, nur noch jene Wartungsarbeiten sofort durchführen zu lassen, die der Sicherheit der Fahrgäste dienen. Reparaturen, die „nur“ den Fahrkomfort der Passagiere sichern sollen, seien aufzuschieben. Konkret heißt es in der Dienstanweisung, die der „Presse“ vorliegt:

• Kaputte Türen sind nicht etwa auszutauschen, sondern: „Defekte Außentüren sind abzusperren und zu kennzeichnen und tunlichst nur im Zuge von Planabstellungen zu reparieren, wenn sichergestellt ist, dass die für die Gewährleistung von Fluchtwegen erforderliche Anzahl funktionsfähiger Türen im Zugverband vorhanden ist.“

• Beschädigungen an Fenstern sind nicht auszubessern, sondern „zu tolerieren“, sofern die Sicherheit der Fahrgäste nicht gefährdet ist. Das ist aus Sicht der ÖBB nicht der Fall, wenn die Fenster zerkratzt sind oder zu „erblinden“ beginnen, wie es wörtlich heißt. Ebenfalls „zu tolerieren“ ist die optische Beeinträchtigung von Fußböden und Wandflächen – Verunreinigungen werden nur beseitigt, wenn die Gesundheit der Passagiere in Gefahr ist.

• Verschlissene Sitzflächen sind nicht auszutauschen. „Ein Tausch erfolgt erst bei der planmäßig dafür vorgesehenen Fristausbesserung.“ Mit anderen Worten: Ein Sitz ist dann abgewetzt, wenn er laut Buchhaltung abgeschrieben ist – nicht, wenn jeden Moment das Futter hervortreten könnte.

• Sind die Sitzflächen bereits beschädigt (etwa zerrissen), dürfen sie zwar repariert werden. Allerdings nur mit „sparsamsten Mitteln, auch wenn dadurch der optische Eindruck beeinträchtigt wird“. Das gilt allerdings nur für die 2. Klasse, in der „Business-Class“ sowie in der 1. Klasse dürfen kaputte Sitze umgehend ausgetauscht werden.

Uneingeschränkt durchgeführt werden alle Reparaturen an Klimageräten, Heizungen, WC-Anlagen, der Abteil- und Gangbeleuchtung sowie den Lautsprecheranlagen.

Wie mit Kunden umzugehen ist, die nicht gewillt sind, kaputte Türen, verschlissene Sitze und zerkratzte Fenster „zu tolerieren“, ist in einem weiteren Mail geregelt. Darin heißt es: Die Mitarbeiter der ÖBB sollten sich bei den Kunden für etwaige Beeinträchtigungen entschuldigen und im Anschluss daran darauf hinweisen, „dass alle Reparatur- und Wartungsarbeiten, die die Sicherheit des Fahrzeugs betreffen, natürlich ordnungsgemäß und zeitgerecht durchgeführt werden“. Aus „Gründen der Wirtschaftlichkeit werden Ausbesserungen aber vorübergehend gebündelt und nach sehr sparsamen Kriterien erfolgen“.

ÖBB: Es fehlt an Waggons

ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger begründet den Sparkurs damit, dass die Verfügbarkeit der Waggons erhöht werden soll. Es fehle der Bahn nach wie vor an Wagenmaterial. Deshalb sollen Waggons nicht mehr eingezogen werden, wenn auf einem Sitz ein Fleck zu sehen oder am Fenster ein Spritzer zu erkennen sei. Ziel sei, neun von zehn Garnituren einsatzbereit zu haben. Derzeit liege die Verfügbarkeit bei 85 Prozent. Das Argument, die ÖBB hätten gerade erst die Preise erhöht, lässt Ruhaltinger nicht gelten. Immerhin wären auch die Kosten durch höhere Energiepreise gewachsen – und die letzte Preiserhöhung im Dezember 2007 wäre im Schnitt bei zwei Prozent gelegen und hätte gerade einmal die Inflation abgegolten.

Eine von den ÖBB zur Jahresmitte geplante Erhöhung der Fahrkartenpreise wurde von Infrastrukturminister Werner Faymann (SPÖ) im Vorfeld der Nationalratswahlen abgelehnt.

AUF EINEN BLICK

Brisanter Mail-Verkehr. Die „äußerst angespannte Budgetsituation“ zwingt die ÖBB zu rigorosen Sparmaßnahmen, wie den Mitarbeitern via E-Mail mitgeteilt wurde. Demzufolge sind an Waggons der gesamten Flotte nur mehr „sicherheitsrelevante“ Reparaturen durchzuführen. Wartungsarbeiten, die den Komfort betreffen, sind indessen aufzuschieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2008)

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