Datenskandal in der Nationalbank

(c) APA (Roland Schlager)
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Ein OeNB-Manager soll brisante Informationen weitergegeben haben. Sein Anwalt stellt alle Vorwürfe in Abrede.

Wien (höll.). Die Nationalbank wird von einem Skandal erschüttert, dessen Tragweite noch gar nicht abzuschätzen ist. Im Zusammenhang mit den Malversationen bei der Kärntner Anlagefirma AvW führte die Polizei eine Hausdurchsuchung durch. Dabei fanden die Ermittler streng geheime Akten der Nationalbank (OeNB). Laut „Profil“ sollen die Unterlagen offenbar vom Leiter der OeNB-Abteilung für Bankenrevision vergessen worden sein. Er ist der Halbbruder des AvW-Prokuristen, der wegen umstrittener Finanztransaktionen verhaftet wurde. Dem Vernehmen nach hat der OeNB-Leiter noch versucht, seinen Halbbruder anzurufen, um ihn zu bitten, die Dokumente in den Aktenvernichter zu stecken. Doch der AvW-Prokurist war zu diesem Zeitpunkt schon in Untersuchungshaft. Wie berichtet, wird dem AvW-Mann vorgeworfen, einen Schaden von 50 Millionen verursacht zu haben. Sein Anwalt stellt alle Vorwürfe in Abrede.

Aufsichtsräte sind entsetzt

In Finanzkreisen ist man über den Skandal fassungslos. Denn die Bankenrevision gilt als eine besonders heikle und wichtige Abteilung der Nationalbank. Gemeinsam mit der Finanzmarktaufsicht ist die OeNB für die Kontrolle und Überprüfungen von Banken zuständig. „Es ist unglaublich, dass der Mann bei seinem Halbbruder geheime Daten liegen lässt“, sagte ein OeNB-Aufsichtsrat zur „Presse“, der das Thema bei der nächsten Sitzung des Gremiums ansprechen will.

Die Nationalbank hat sich umgehend von dem Mitarbeiter getrennt. „Bislang ist uns der Mann stets positiv aufgefallen“, sagte ein OeNB-Sprecher. „Wir werden aber alles tun, damit das Ganze lückenlos aufgeklärt wird“, heißt es. Der OeNB-Leiter war maßgeblich an vielen Bankenprüfberichten beteiligt. Über ihn sind zahlreiche brisante Fälle gelaufen. Die Weitergabe oder die Vernichtung solcher Akten ist verboten. Auf die Verletzung des Amtsgeheimnisses steht eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.

Das überraschende Ausscheiden wirft auch einen Schatten auf den laufenden Prozess gegen den früheren Vorstand der Kärntner Hypo-Alpe-Adria. Der zurückgetretene OeNB-Leiter hatte 2006 die Prüfung der Bankbücher geleitet und sollte demnächst in Klagenfurt als Zeuge im Verfahren gegen Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer aussagen.

Experten gehen davon aus, dass im Zuge der AvW-Ermittlungen noch die eine andere Bombe platzt. Laut „News“ wurden auf der Festplatte des Prokuristen Hinweise auf eine Art Briefkastenfirma namens „Global Investment Services“ mit Sitz in Delaware/Amerika gefunden.

Auch ein Schweizer Konto sowie eine penible Auflistung von Eingängen in Millionenhöhe wurden entdeckt. Dem Vernehmen nach wurde versucht, Teile der Festplatte zu löschen. Die Daten konnten aber rekonstruiert werden. Für alle Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2008)

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