Russlands Gasexporte sind von der Ukraine abhängig. Dies sollen neue Pipelines ändern. Europa sucht indes neue Lieferanten.
Wien.„Sojus“ (Bruderschaft) – so heißt die Gaspipeline, die von den westsibirischen Gasfeldern seit rund 50 Jahren Erdgas nach Europa bringt. Vorerst ging es der damaligen Sowjetunion um die Versorgung ihrer westlichen Regionen und der „Bruderstaaten“ des Warschauer Paktes. Später wurden auch die westeuropäischen Länder gern gesehene – weil mit harten Dollars zahlende – Kunden.
Die Sowjetunion ist jedoch Geschichte, und auch die „Bruderschaft“ zwischen ihren ehemaligen Teilrepubliken ist weitgehend Vergangenheit. Vor allem zwischen der Ukraine und Russland herrscht seit Jahren politische Eiszeit. Doch gerade durch die Ukraine führt die „Sojus“-Pipeline, über die 80 Prozent aller Gasexporte von Russland in den Westen fließen. Die etwas nördlicher gelegene „Nordlicht/Jamal“-Pipeline fließt zwar durch das mit Russland befreundete Weißrussland. Doch bei dieser ist die Kapazität wesentlich geringer, und auch mit Minsk hatte der Kreml in der Vergangenheit bereits Probleme.
Russland sucht daher fieberhaft nach neuen Trassen, bei denen keine unerwünschten Dritten mehr in das lukrative Geschäft mit dem Gas pfuschen können. Wichtigstes Projekt ist dabei die auch als Ostsee-Pipeline bekannte „North Stream“. Sie soll von Wyborg bei St. Petersburg direkt an die deutsche Ostseeküste führen. Deutschland ist für Russland der größte und bedeutendste Kunde.
Viel Kritik an North Stream
North Stream wird gemeinsam von Gazprom und den deutschen Konzernen BASF und E.ON sowie einem holländischen Gasversorger errichtet und soll 2011 in Betrieb gehen. Das Projekt wurde von der Ukraine, Weißrussland, den baltischen Ländern und Polen massiv kritisiert, da sie sich umgangen fühlen. Für eine unschöne Optik sorgte weiters, dass der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder am Ende seiner Amtszeit noch die politischen Weichen für das Projekt stellte und dann in den Aufsichtsrat der Errichtungsgesellschaft wechselte.
Ein zweites russisches Projekt ist die South Stream, die über den Balkan nach Europa führen soll. Sie wird oft als Konkurrenz zum europäischen Projekt Nabucco gesehen, das unter Führung der OMV gebaut wird. Nabucco soll ebenfalls über den Balkan führen, ihren Ursprung aber nicht in Russland, sondern in der Region des Kaspischen Meeres haben. Europas Interesse ist nämlich weniger eine Diversifizierung der Wege als der Lieferanten. Zuletzt gründete die OMV daher mit der deutschen RWE eine Gesellschaft, welche die Nabucco bis Turkmenistan verlängern soll – ein Land, das sein Gas bislang nur über das russische Netz in den Westen bringt. Russland will diese Machtposition klarerweise behalten – und gleicht dabei dem ehemaligen Bruder Ukraine.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2009)