Streit um Obergrenze: Wie viel Energie darf es sein?

Austrian Vice Chancellor and Economics Minister Mitterlehner addresses a news conference in Vienna
Austrian Vice Chancellor and Economics Minister Mitterlehner addresses a news conference in ViennaREUTERS
  • Drucken

Laut Gesetz müssen Österreicher 2020 weniger Energie verbrauchen als heute. Beamte des Wirtschaftsministeriums sehen das weniger eng und bringen so den Minister in die Schusslinie.

Wien. Lima ist kein schöner Ort. Zumindest nicht für Österreichs Regierungspolitiker. Nicht genug, dass sie wohl schon wieder dem Scheitern einer Weltklimakonferenz beiwohnen müssen. Sie geraten diesmal auch selbst in die Schusslinie, weil die Republik ihren Beitrag zum Weltklimafonds verweigere. Nach einer Schockstarre hat Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zwar zugesichert, dass auch Österreich ein paar Millionen für den Klimaschutz einzahlen wird. Die Kollegen beim Wirtschaftsministerium bauen unterdessen jedoch neue Hürden für den Klimaschutz auf, klagen die Grünen.

Strenge Energie-Obergrenze

Stein des Anstoßes ist das Energieeffizienzgesetz. Wie berichtet, verpflichtet es heimische Versorger, bei ihren Kunden ab 2015 jährlich 0,6 Prozent Energie einzusparen. Die Grünen haben sich ihre Stimmen zum strittigen Verfassungsgesetz im Sommer teuer abkaufen lassen. Sie bestanden unter anderem darauf, dass die Österreicher im Jahr 2020 nur 1050 Petajoule (PJ) Energie verbrauchen dürfen. Das sind 50 PJ weniger, als bis dahin geplant, und deutlich weniger als die 1119 PJ, die im Vorjahr notwendig waren, um Österreich hell und warm zu halten.

Die Unternehmen waren entrüstet. „Die Kompromisse können nur als schmerzhaft bezeichnet werden“, formulierte Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, damals betont höflich. Andere Wirtschaftsvertreter machten ihrem Ärger weniger elegant Luft. Die Verschärfung der Energieobergrenze würge die Wirtschaft ab, mahnten sie.

Auf „Beruhigungsmission“

Im Wirtschaftsministerium ist ihre Kritik offenbar angekommen. Denn anders ist nicht zu erklären, warum etliche Beamte und Juristen des Ressorts seit Wochen auf „Beruhigungsmission“ unterwegs sind. Bei Vorträgen vor Vertretern der Energiewirtschaft machten sie Betroffenen erst Ende November klar: Österreich hat zwar dieses 1050-PJ-Ziel, allzu große Angst müsse davor aber niemand haben. In einer Präsentation, die der „Presse“ vorliegt, wird das Ziel konkret als „unverbindlich“ bezeichnet. Stattdessen solle man sich eher an den 1100 PJ orientieren, die man der EU gemeldet habe.

Entwarnung also für die Unternehmen? Mitnichten. 50 Petajoule sind nämlich keine Kleinigkeit. Sie entsprechen etwa der Jahresproduktion von 14 Donaukraftwerken. Sie sind aber auch das Zünglein an der Waage, ob zur Zielerreichung im heiklen Verkehrssektor wirklich strenge Maßnahmen kommen müssen oder nicht. Der Verkehr ist einer der größten Klimatreiber im Land, Tendenz stark steigend.

Wirtschaftsminister lenkt ein

Die grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner hat daher ein Gutachten bei Universitätsprofessor Daniel Enöckl in Auftrag gegeben, um zu klären, welches Ziel nun für die Republik gelte. Die Stellungnahme des Wirtschaftsrechtlers ist eindeutig: Das Ministerium gehe „offenkundig davon aus“, dass die an die EU gemeldeten 1100 PJ das nationale Ziel von 1050 PJ ausstechen würden, schreibt Enöckl. In seinen Augen sei das ein klarer Fehler. Die EU-Richtlinie gebe lediglich eine Mindestanforderung vor, gesetzlich bindend sei das schärfere, nationale Ziel. „Alle Maßnahmen müssen sich daran orientieren, dass man die 1050 PJ erreicht“, heißt es.

Auch das Wirtschaftsministerium rudert auf Anfrage zurück. Man bekenne sich selbstverständlich zum gesetzlichen Effizienzziel von 1050 PJ. „Daran wird sich auch die Vollziehung des Gesetzes orientieren.“ Die irreführenden Vorträge der Beamten seien mittlerweile „überholt“. Sanfte Entwarnung für die Unternehmen gibt es dennoch. Geliefert wird sie just vom Gutachter der Grünen: Denn egal, schreibt er, welches der beiden Ziele Österreich anpeilt. Teure Sanktionen, wie beim Nichterreichen des Kyoto-Protokolls, drohen in keinem Fall.

Mehr zum Thema: diepresse.com/energie

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.