Tourismus in Wien: "In Zimmern stehen noch Röhrenfernseher"

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Internationale Ketten verdrängen kleine Hotels. Der Berater MRP hotels sieht versäumte Investitionen in den vergangenen 20 Jahren als Grund.

Auch wenn Gäste aus Russland ausbleiben, brummt der Fremdenverkehr in Wien und erzielt ständig neue Rekordwerte. Doch es gibt nicht nur Sieger: Denn laut dem Branchenexperten Martin Schaffer vom Hotelberater MRP hotels geraten kleine Familienbetriebe durch internationale Ketten im gleichen Preissegment zunehmend unter Druck. Schuld daran seien versäumte Modernisierungsschritte.

"In vielen privat geführten Pensionen ist seit 20 Jahren nichts investiert worden: Die Badezimmerfliesen sind immer noch braun, die Teppiche 15 Jahre alt und in den Zimmern stehen noch Röhrenfernseher", nannte Schafer konkrete Beispiele. Mittelfristig werde es einen Verdrängungseffekt hin in Richtung gebrandete Budgethotels a la Motel One geben. Denn nicht nur in Sachen Ausstattung, sondern auch was Technik und Know-how betrifft, seien kleine Häuser oft im Nachteil. Das betreffe etwa die Verfügbarkeit von Kreditkartenschnittstellen ebenso wie die Vermarktung über Internetplattformen bis hin zum App-Auftritt, ergänzte Schaffers MRP-Kollege Michael Regner.

Neueröffnungen machen weiter Druck

Für in die Jahre gekommene Herbergen wird es laut Beratern nicht zuletzt deshalb eng, weil in den kommenden Jahren zahlreiche Neueröffnungen anstehen. "Allein beim Hauptbahnhof kommen 5000 Betten dazu, da wird einiges am unteren Ende wegbrechen", prognostizierte Schaffer.

Der Blick auf das heurige Jahr fällt für die MRP-Experten allgemein zuversichtlich aus - ungeachtet der Ausfälle aus Russland. Wien sei breit aufgestellt und schaffe es erfahrungsgemäß, Rückgänge aus einem Herkunftsland durch mehr Gäste aus anderen Märkten zu substituieren. "Der Deluxe-Handel, also die Louis Vuittons dieser Welt, werden das vielleicht anders sehen", meinte Regner.

Die Auswirkungen des Song Contests, der im Mai in der Wiener Stadthalle über die Bühne geht, bewertet man aus Hotelleriesicht grundsätzlich positiv. Ein großes Plus an Übernachtungen wird aber nicht erwartet: "Der Mai ist sowieso immer voll", viele Hotelbetreiber hätten allerdings die Chance, in diesem Zeitraum "ordentlich satte Preise durchzusetzen", meinte Regner. "Die Möglichkeit, die Preise zu verdoppeln, ist im Drei-Stern-Segment sicher da", verwies er mit Blick auf andere Host-Citys des internationalen Gesangswettbewerbs.

(APA)

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