Design: "Es soll nicht einfach nur funktionieren"

Galerist, Künstler, Unternehmer und Campingfan – 2014 hat Gernot Rammer ein Start-up für selbst entfaltende Zelte mitgegründet. Ein Gespräch über Künstler als Unternehmer, Zeltformen und den Erklärungsbedarf bei Crowdfunding.

Herr Rammer, Sie haben bereits vor einigen Jahren ein multifunktionales Wohnmobil entwickelt. 2014 ging ihr Start-up Gentletent an den Start. Woher kommt Ihre Begeisterung für das Campen?

Gernot Rammer: Ich habe bereits als Kind mit meinen Eltern gecampt. Als vierfacher Vater ist es heute die einfachste Form, Zeit mit meinen Kindern in der Natur zu verbringen. Man kann seinen Tagesrhythmus selbst bestimmen, ist nicht eingeengt und spürt die Natur. Zelten hat romantische, abenteuerliche Aspekte und ist ein toller Ausgleich zum Büroalltag.

Warum haben Sie sich entschlossen, selbst ein Zelt zu entwickeln?

Wegen meiner eigenen Erfahrungen beim Campen. Etwa wenn es beim dritten Anlauf, ein Zelt aufzubauen, noch immer nicht einfacher war, die Stangen in der richtigen Reihenfolge einzufädeln. Ich habe mir gedacht: Das muss einfacher gehen. Das Ziel war, ein Zelt zu bauen, das sich von selbst aufstellt.

Sie sind auch Galerist, Künstler und Autor. Was trieb Sie dazu, ein Zelt zu designen?

Mich interessieren Design und die Kombination von Design und Funktionalität schon sehr lang. Als junger Mann habe ich Kunst- und Medienmanagement studiert. Daher kommt auch meine Kunstaffinität. Bei der Entwicklung von Gentletent war es von vornherein ein Thema, wie das Produkt aussehen, wie Design und Funktion zueinanderfinden sollen. Es war mir wichtig, dass es nicht einfach nur funktioniert, sondern auch außergewöhnlich aussieht.

Welche Vorteile bringt es, eine Firma mit einem künstlerischen Blick zu betreiben?

Design ist in unserer Zeit, in der Massenprodukte in jeder erdenklichen Form auf dem Markt verfügbar sind, ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal. Produkte mit einem eigenständigen Design können Identität schaffen und Bedürfnisse auf einer ganz anderen Ebene befriedigen. Gentletent ist kein Kunstwerk, aber es ist ein Produkt, das hohe Ansprüche an das Design stellt.

In Ihrem Team gibt es auch einen Designer. Wie viel von Ihnen steckt im Zelt?

Die grundsätzliche Formgebung stammt von Jürgen Haller und mir. Sie ergibt sich aus der Suche nach dem richtigen Material. Für uns waren etwa Langlebigkeit, Robustheit und die Haptik des Materials ein wichtiges Anliegen. Nachdem wir das Grundkonzept entwickelt hatten, arbeiteten wir mit Designern am Feinschliff. Es war ein relativ langwieriger Prozess, Form und Technologie abzustimmen.

Selbst entfaltende Zelte sind nichts Neues. Was unterscheidet es von anderen?

Die Art, wie Luft ins System gepumpt wird. Gentletents haben keine Kuppelform, sondern sind Tunnelzelte. Dadurch haben wir viel Innenraum ermöglicht. Gleichzeitig entfalten sich unsere Zelte mit einem einzigen Anschluss in kürzester Zeit – in weniger als einer Minute. Bisherige Luftzelte aber bestehen oft aus vielen Rohren, die einzeln aufgeblasen werden müssen.

Wo werden die Zelte produziert?

Neben der einfachen Bedienung und dem Design spielt für uns auch Nachhaltigkeit eine große Rolle. Wir haben uns relativ früh entschieden, nicht in Südostasien zu fertigen, sondern in der Produktion auf Regionalität Wert zu legen. Ein Teil der Fertigung passiert in Linz, ein anderer Teil in Tschechien nahe der österreichischen Grenze.

Vergangene Woche hat die Crowdfunding-Kampagne Ihres Start-ups begonnen. Warum haben Sie auf Crowdfunding gesetzt?

Wir sind fertig für den Start. Mit der Kampagne können wir den letzten Schritt vor der Serienfertigung nahe am Kunden realisieren. Das Crowdfunding ist ein Vorverkauf unseres Produkts. Unmittelbar danach werden wir mit der Produktion beginnen.

Gibt es schon eine erste Bilanz?

Wir wussten schon vorher, dass eine solche Kampagne sehr anstrengend ist. Wir sind aber optimistisch, weit zu kommen. Wie es – vor allem auch in größeren Kontexten in Europa und Amerika – funktionieren wird, werden wir sehen. Schon jetzt haben sich erste Menschen aus Russland, Amerika und Japan beteiligt. Eine nationale Basis ist uns zwar wichtig, unser Ziel ist es aber, Leute auf der ganzen Welt zu erreichen. Derzeit wird in Österreich zwar viel über Crowdfunding gesprochen. Wir sehen aber, dass dafür hierzulande noch keine Tradition besteht. Es gibt viele Österreicher, die noch nicht davon gehört haben. Wir müssen sehr oft erklären, warum es Crowdfunding gibt und was es ist.

Sie sind gelernter Starkstrommonteur und Bürokaufmann. Vor dem Start-up waren Sie bei den Österreichischen Kinderfreunden. Was verbindet Ihre Beschäftigungen?

Ich bin ein Entwickler. Mein ganzes Leben habe ich versucht, Dinge zu schaffen. Ich bin kein Verwalter von bestehenden Lösungen, sondern versuche als kreativer Mensch Dinge zu verändern. Jetzt ein Unternehmen zu gründen gibt mir die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten und etwas aufzubauen, das hoffentlich einmal florieren wird.

Steckbrief

Gernot Rammer ist gelernter Starkstrommonteur und mittlerweile Galerist, Autor und Mitgründer von Gentletent.

Das Luftzelt kann unter 30 Sekunden aufgebaut werden. Derzeit läuft eine Crowdfundingkampagne auf Indiegogo.com.

Privat

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2015)

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