Sonnenkraft in neuen Schläuchen

Wolfram Krendlesberger und Felix Tiefenbacher von Heliovis.
Wolfram Krendlesberger und Felix Tiefenbacher von Heliovis.Die Presse
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Die Sonne scheint gnädig auf österreichische Unternehmen herab – zumindest auf solche, die sie mit neuen Konzepten einzufangen versuchen.

Wolfram Krendlesberger muss zu einer Metapher greifen, um zu beschreiben, wie sich seine Arbeitswelt verändert hat: „Der Job als Vorstand bei einem Großunternehmen war wie ein Spaziergang durch den Prater im Frühling. Der Vorstandsposten in einem Technologie-Start-up ist dagegen wie eine Besteigung eines Alpengipfels – ohne Sicherung und bei Schlechtwetter im Winter.“

Genau diese Herausforderung war es, die Krendlesberger dazu bewegt hat, nach fünf Jahren Amtszeit den Vorstand eines Abfallwirtschaftsunternehmens zu verlassen und sich nach etwas Neuem umzusehen. Er wollte Unternehmer werden und suchte nach einer vielversprechenden Geschäftsidee – und dabei ging ihm buchstäblich ein Licht auf.

Sonnenlicht, um genau zu sein. Krendlesberger wurde auf eine Solarthermie-Technologie aufmerksam, die der österreichische Erfinder Johannes Höfler und der Schweizer Experimental- und Quantenphysiker Felix Tiefenbacher entwickelt hatten. Kern der Idee war es, die schweren Spiegel und Metallkonstruktionen von Solarthermie-Kraftwerken durch leichte, aufblasbare Kunststoffröhren zu ersetzen. Üblicherweise arbeiten solche Kraftwerke, die Sonnenlicht bündeln und so extrem hohe Wärmeenergie erzeugen, mit Parabolspiegeln.

Die sind zwar sehr effizient, aber teuer in der Herstellung und noch dazu schwer zu transportieren. „Unser System hingegen basiert auf drei verschiedenen marktüblichen Kunststofffolien, die in einem einzigen Prozessschritt verarbeitet und auf einer großen Rolle aufgerollt werden können“, sagt Tiefenbacher. Der Vorteil so einer Rolle liegt auf der Hand: Sie passt in jeden Standard-Seefrachtcontainer und macht die Logistik so zum Kinderspiel.


220 Meter lange Schläuche. Etwas komplizierter ist dann schon das Know-how hinter den Heliotubes. So haben die Erfinder die Plastikschläuche benannt, die im Endausbau 220 Meter Länge und neun Meter Durchmesser haben sollen. Um die verschiedenen Kunststofffolien miteinander zu verkleben, war jahrelange Forschung von Materialwissenschaftlern und Kunststofftechnikern notwendig. Auch die Formgebung der aufblasbaren Röhren, die das einfallende Sonnenlicht auf einen Wärmeableiter (Receiver) im Inneren fokussieren, ist das Ergebnis intensiver Entwicklungsarbeit. Eine Pilotanlage steht bereits in Wiener Neudorf auf dem Firmengelände von Heliovis, so der Name, den sich die Gründer für ihr Unternehmen ausgedacht haben. Eine weitere, größere Versuchsanlage ging 2013 im spanischen La Solana in Betrieb.

Das war nur einer der Meilensteine im Entwicklungsprozess des 2009 gegründeten Start-ups. Gestartet haben Tiefenbacher und Höfler mit 97.000 Euro Stammkapital. Danach hat die AG sukzessive Förderungen und Risikokapital eingesammelt. Inzwischen verfügt Heliovis über 9,5 Millionen Euro, eine Summe, die nicht mühelos aufgestellt wurde: „Am Anfang kriegt man auch für ungewöhnliche Ideen relativ leicht Geld von Inkubatoren wie Inits. Wir haben auch jede Förderung erhalten, um die man ansuchen kann. Aber sobald es um privates und industrielles Risikokapital geht, wird es in Österreich sehr schwierig“, sagt Tiefenbacher.

Das ist auch der Grund, warum Heliovis zum Großteil von ausländischen Investoren finanziert wird – die Aktien werden mehrheitlich in der Schweiz, in Deutschland und in Saudiarabien gehalten. Dort will Heliovis mit seinen 18 Mitarbeitern auch bald so richtig loslegen: mit einem industriellen Solarkraftwerk, das aus 36 Heliotubes bestehen wird, deren Wärmeleistung in Strom umgewandelt wird. 15 Megawatt werden dann von einem großen saudischen Unternehmen abgenommen. Das Werk soll 2018 in Betrieb gehen – im selben Jahr planen Krendlesberger und Tiefenbacher auch, den Break-even zu erreichen. Weitere Märkte sehen sie in Indien, Südafrika, Marokko und den USA. Überzeugen wollen sie die dortigen Geldgeber mit einer Investitionskostenersparnis von 55 Prozent im Vergleich zu modernen Glasspiegel-Solarfeldern und mit einer um 40 Prozent besseren CO2-Bilanz.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Geschäft mit der Fotovoltaik brummt, ist das österreichisch-estländische Unternehmen Crystalsol. 17 Millionen Euro hat es seit seiner Gründung 2009 aufgestellt, 40 Prozent davon sind Investmentkapital, 60 Prozent kommen aus Förderungen. Die Geschäftsidee klingt einfach: Forschern der Uni Tallinn ist es gelungen, ein Halbleiterpulver herzustellen, das auf Folien gedruckt werden kann und damit flexible, leichte und dünne Fotovoltaikzellen ermöglicht. Weil ihnen die Expertise im Fotovoltaik-Modulbau fehlte, gründeten sie ein weiteres Unternehmen in Wien, wo das nötige Wissen vorhanden war. Heute hat das Unternehmen 32 Mitarbeiter, die an Standorten in Tallinn und Wien an der Serienreife des Produkts arbeiten.


Einen Euro für ein Watt Leistung. 2017 soll es dann in großem Stil hergestellt werden: „Wir konzentrieren uns auf großflächige Strukturen wie Gebäudefassaden oder Hallendächer, die mit den Folien bezogen werden können und damit zu Stromerzeugern werden“, sagt CEO Rumman Syed.

Der Manager, der aus der Halbleiterbranche stammt, weiß erfahrungsbedingt zu schätzen, dass die Fotovoltaikfolie gänzlich ohne teure und seltene Metalle wie Indium oder Tellur auskommt – lediglich Kupfer, Zink, Zinn, Schwefel und Selen werden für das Pulver verwendet, das auf die Folie aufgetragen wird. „All diese Materialien sind im Überfluss erhältlich. Mit unserem Verfahren sind wir zwar nicht ganz so effizient wie herkömmliche Fotovoltaikzellen, das machen wir mit den Produktionskosten aber wieder wett“, sagt Syed. So müsse man mit den Crystalsol-Folien nur einen Euro investieren, um ein Watt Leistung in der Fassade zu installieren. Andere technische Lösungen kosten 1,70 Euro pro Watt installierter Leistung.

Eine einfache Rechnung, die auch Autohersteller auf den Plan ruft. „Wir haben einige Anfragen aus der Fahrzeugindustrie erhalten. Der Druck durch die EU, den CO2-Flottenverbrauch zu reduzieren, macht eben auch kleinere Energiequellen für sie interessant“, sagt Syed. Immerhin 100 Watt (Peak) erzeugt ein Quadratmeter der Folie, die auch teiltransparent hergestellt werden kann und somit für die Verwendung in Fensterglas interessant ist. Gebäude mit Glasfassaden könnten damit vollständig ausgerüstet werden.

Gerade die Integration von Fotovoltaik in Gebäude ist aktuell ein großer Wachstumsmarkt: Bis 2019 erwarten Analysten ein Volumen von 19 Milliarden Euro. Syed: „Unser Ziel ist es, einen Teil davon zu lukrieren. Wir hoffen auf etwa 19 Millionen.“


Lautsprecher mit Sonnenkraft. Ähnliche Hoffnungen auf das Stück eines Kuchens macht sich ein weiteres Wiener Unternehmen, das sich auf die Verwertung von Sonnenenergie spezialisiert hat. Rafael Kubisz und Tobias Legerer vertreiben tragbare Fotovoltaik-Ladesysteme für Mobilgeräte unter der Marke So-Fi. Neu auf den Markt wollen die beiden nun Lautsprecher bringen, deren Membrane aus Fotovoltaikzellen bestehen. „Strom allein ist kein sexy Produkt. Musik hingegen ist Emotion, die lässt sich gut verkaufen“, ist Kubisz überzeugt. Und zu verkaufen gibt es einiges: 55 Millionen Stück werden auf dem Bluetooth-Lautsprechermarkt derzeit umgesetzt, bis 2017 soll dieser auf 70 Millionen Stück anwachsen.

Die Wiener gehen jetzt in die Produktionsphase, an die Kunden sollen die Fotovoltaik-Lautsprecher über die Crowdfunding-Plattformen Kickstarter und Indiegogo. So sollen rund 120.000 Stück an die Kunden gebracht werden. Zu Weihnachten sollen die ersten So-Fi-Lautsprecher dann unter dem Christbaum liegen.

Fotovoltaik

Heliovis entwickelt einen Sonnenlichtkonzentrator für große Solarkraftwerke, der überwiegend aus Kunststofffolien besteht und bis zu 50 Prozent Kostenersparnis bringt.

Crystalsol hat eine leichte und dünne Fotovoltaikfolie entwickelt, die ohne teure Metalle auskommt.

So-Fi will einen portablen Lautsprecher auf den Markt bringen, der durch Sonnenenergie betrieben wird.

Zahlen

9,5 Millionen Euro hat Heliovis bisher von Inkubatoren und Investoren eingesammelt.

55 ProzentInvestitionskostenersparnis soll das System von Heliovis im Vergleich zu Glasspiegel-Solarfeldern bringen.

Um 40 Prozent soll die CO2-Bilanz verbessert werden.

Pro Euro, den man in die Installation einer Fotovoltaikfolie von Crystalsol investiert, bekommt man ein Watt Leistung zurück.

55 Millionen StückBluetooth-Lautsprecher werden derzeit pro Jahr verkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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