Bürokratie: Wenn Stufen eine Stiege sind

Goldschmied Max Semler mit einem legalen und einem illegalen Hammer.
Goldschmied Max Semler mit einem legalen und einem illegalen Hammer. Die Presse
  • Drucken

Die Bürokratie macht es Unternehmern in Österreich nicht immer leicht: über skurrile Vorschriften, einen zu großen Hammer und zu kleine Bäume.

Der Unternehmer hatte viel Geld in das neue, 160 Quadratmeter große Lokal in der Wiener Innenstadt gesteckt. Als sein „Baby“ bezeichnete er es bei der Eröffnungsfeier. Doch nach der netten, nicht zu pompösen Feier musste man sich einige Wochen gedulden, wollte man das „Baby“ besuchen.

Bei der Genehmigung waren sich die Behörden nämlich nicht einig, ob ein Abgang im Lokal eine Stufe oder eine Stiege ist. Eine Stufe ist einfach eine Stufe, eine Stiege aber braucht ein Geländer. Es dauerte einige Zeit, bis man sich darauf verständigt hatte, dass es eine Stiege ist und der Besitzer ein Stiegengeländer eingebaut hatte.

Früher hätte man Geschichten wie diese in Büchern mit dem Titel „Wenn der Amtsschimmel wiehert“ zusammengefasst. Heute scheint man sich daran gewöhnt zu haben, dass es alle möglichen und unmöglichen Auflagen gibt, die in vielen Fällen nur einen einzigen Effekt haben: Man macht Unternehmern damit das Wirtschaften schwer.

Deshalb will der Besitzer des Stufen-Stiegen-Lokals auch nicht mit Namen in der Zeitung stehen. Man will sich ja nicht mit dem Magistrat anlegen. Denn wenn Beamte wirklich wollen, dann finden sie alle möglichen Verstöße – nicht nur Stufen, die Stiegen sind.


Ein zu großer Hammer. Max Semler macht sich deswegen wenig Sorgen, weil man ihm das Unternehmerleben ohnehin schon schwer genug gemacht hat. Der Wiener hat 2014 ein Juweliergeschäft samt Werkstatt in Wiens erstem Bezirk übernommen – „mit allen Fehlern, die der Vorgänger gemacht hat“. Zum Beispiel den, die Bestätigung für einen nicht-brennbaren Teppich im Verkaufslokal nicht aufzubewahren. Der Teppich müsse raus, meinte das Magistrat. Semler fand – „Gott sei Dank, sonst wäre es teuer geworden“ – ein Mittel, mit dem man einen Teppich nicht brennbar machen kann. Jetzt ist also der nicht-brennbare Teppich auch offiziell nicht brennbar.

Aber das war nicht das eigentlich skurrile Problem. Es kam erst mit dem Hammer, mit dem der Juwelier Schmuckstücke biegt und den er „für vielleicht drei Schläge am Tag“ verwendet. Der war nämlich zu groß und zu schwer. Der genehmigte Hammer wiegt 500 Gramm und darf bei Verwendung maximal 56 Dezibel Lärm erzeugen, wie die Behörden vorschreiben. Semlers illegaler Hammer wiegt 1000 Gramm und überschreite damit die Dezibelgrenze. „Ich habe aber keine Nachbarn, die ich mit dem Lärm stören könnte.“

Dass Vorschriften zum Schutz von Nachbarn auch gelten, wenn es überhaupt keine Nachbarn gibt, musste auch ein Wirt in Oberösterreich zur Kenntnis nehmen. Er hatte in seinem Lokal einen Nagelstock aufgestellt. Man kennt das von Skihütten: Wer am meisten Schläge braucht, um einen Nagel in den Holzstock zu hauen, bezahlt die nächste Runde.

„Sehr geehrter Herr X“, schrieb die Behörde. „Sie haben als Inhaber der Betriebsanlage Kaffee/Bar am Standort X zu verantworten, dass am X – wie im Rahmen einer behördlichen Kontrolle festgestellt – die gegenständliche Betriebsanlage geändert und betrieben worden ist, ohne dass für die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage eine gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung vorlag, weil im Gastraum ein sogenannter Hackstock zum Nageln aufgestellt war.“ Immerhin: Die Beamten waren nett. Sie verhängten keine Geldstrafe, sondern beließen es bei der Mahnung, den Nagelstock zu entfernen.

In Klagenfurt baute ein Unternehmer eine neue Halle in der Nähe der Einflugschneise des Flughafens. Das Grundstück bepflanzte er mit Bodendeckern, die maximal 15 Zentimeter hoch werden. Die Baubehörde verlangte trotzdem ein Luftrechtsgutachten, um sicherzustellen, dass der Flugverkehr nicht behindert wird.

In Oberösterreich versäumte ein Tischler um einen Tag die Frist für die Übermittlung von Gehaltsunterlagen an die Gebietskrankenkasse – und wurde damit automatisch mit einer Strafe in Höhe von 1460 Euro bedacht. Doch die Oberösterreicher scheinen generell ein wenig entspannter zu sein: Die Gebietskrankenkasse reduzierte die Strafe im Zuge des Verfahrens.

Wer den Neos-Abgeordneten Sepp Schellhorn, selbst Gastrounternehmer in Salzburg, zum Lachen bringen will, der muss ihn nur nach der Geschichte eines Kärntner Solarunternehmens fragen. Der Firmenchef hatte einen zusätzlichen Parkplatz gebaut, für den er auch vorschriftsgemäß eine Beschattung in Gestalt von Bäumen vorsah. Allerdings: Die Bäume waren zu klein, der Durchmesser des Stamms muss laut Behörde mindestens zehn Zentimeter betragen. „Für die Genehmigung musste er alle Bäume wieder rausreißen“, erzählt Schellhorn, den Tränen nahe. Sonderlich amüsiert klingt sein Lachen freilich nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.