"Herr Billa" Karl Wlaschek ist tot

KARL WLASCHEK
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Nachruf. Billa-Gründer und Immobilien-Tycoon Karl Wlaschek ist in der Nacht auf Sonntag im 98. Lebensjahr gestorben. Er gilt als das personifizierte österreichische Wirtschaftswunder. Wirtschaftskrise und Krieg machten aus ihm einen Überlebenskünstler.

"Karl Wlaschek ist tot." Montagmittag wurde diese Nachricht lanciert. Doch offizielle Stellungnahme gab es vorerst keine. Selbst im Tod blieb der kleinwüchsige reiche Mann unberechenbar. Es hieß, er sei in der Nacht auf Sonntag verstorben. Im 98. Lebensjahr. Doch die Familie hielt die offizielle Meldung von seinem Ableben zurück. Es blieb vorerst beim Gerücht. Wie so vieles im Leben des Karl Wlaschek. Dem Mann, der wie wohl kein Zweiter dem österreichischen Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit ein Gesicht, einen Namen und ein Imperium gegeben hat. "Herr Billa" nannten ihn einst seine Kunden. "Die Kunde", wie er immerzu sagte, hatte immer recht. Und so trug er den Namen "Herr Billa" auch als Adelstitel, wenn er auf der Straße angesprochen wurde. Ja, Karl Wlaschek, einer der reichsten Männer des Landes, war bis zuletzt auch noch auf der Straße anzutreffen. Etwa auf dem Weg ins Café Central. Er war reich, er war mächtig, aber er war – so sagt man – nie abgehoben.

Vielleicht war das auch das Geheimnis seines Erfolges. Er sprach die Sprache der einfachen Leute und er verstand sie. Er, der Sohn eines Beamten der Wiener Gaswerke. Am 4. August 1917 wurde er in Wien geboren. Wirtschaftskrise und Krieg machten aus ihm einen Überlebenskünstler. Als Barpianist "Charly Walker" hielt er sich übe Wasser. Und dieses Image des Conférenciers pflegte er bis ins hohe Alter. Seine Freunde, Bekannten und nicht zuletzt seine Lieferanten animierten ihn, zu spielen. Nur hinter vorgehaltener Hand hieß es, dass sein Klavierspiel miserabel war. Karl Wlaschek war alles andere als ein musischer Mensch.

Wissen, was "die Kunde" will

Am 7. Dezember 1953 eröffnete er seinen ersten Laden. In der Margaretenstraße im fünften Bezirk. Es war eine kleine, 40 Quadratmeter große Parfümerie. Das Startkapital von 30.000 Schilling hatte er sich zusammengespart. Und er rackerte Tag und Nacht. Um Kunden auf sein Geschäft aufmerksam zu machen, klebte er Plakate auf die Scheibe. "Fast geschenkt" stand da in riesigen Lettern. "Sensation!"
Es funktionierte. Es funktionierte so gut, dass Wlaschek innerhalb von sieben Jahren 45 Filialen hatte. Mittlerweile verkaufte er auch Lebensmittel. "Supermarkt" wurden seine Läden nun genannt. "Billa" stand in dicken gelbroten Buchstaben über dem Eingang. Billa bedeutet Billiger Laden. Und die knallige gelbrote Farbe hatte er kurzerhand von "Shell" abgekupfert. Seinen Erfolg verdankte er nicht seiner Kreativität, sondern seiner Schnelligkeit. Und seiner Gabe, zu wissen, was "die Kunde" will.

Dieses Gespür für die österreichische Seele teilte er übrigens mit einem anderen Patriarchen. Mit Hans Dichand. Zwischen dem "Kronen Zeitung"-Herausgeber und dem Billa-Chef entstand nicht nur eine Männerfreundschaft, sondern auch eine florierende Geschäftsbeziehung. Billa inserierte großflächig, die "Krone" sensibilisierte ihre Leser für biologische Lebensmittel, startete Kampagnen gegen Gentechnik, setzt sich für artgerechte Tierhaltung ein. Als Billa im Jahr 1990 mit der Bio-Marke "Ja!Natürlich" auf den Markt kam, war es nicht zuletzt die "Kronen Zeitung", die die Bevölkerung für diese neue und lukrative Spielart der Lebensmittelindustrie sensibilisierte. Es wurde ein nachhaltiger Erfolg.

1996 war Billa die größte Supermarktkette des Landes, beschäftigte der Konzern mehr als 20.000 Mitarbeiter und hatte etwa 1350 Filialen in ganz Österreich. Längst beschränkte sich Wlascheks Reich nicht nur auf den Billigen Laden. Bereits Ende der sechziger Jahre hatte er Merkur gegründet, in den Siebzigern schuf er die Diskont-Buchhandlung Libro, es kam die „Billige Parfümerie“ namens Bipa dazu und schließlich der Diskonter Mondo.

Hohe Fluktuation

Wlaschek schuf tausende Arbeitsplätze und sparte gleichzeitig Ressourcen, wo er nur konnte. Als erste Supermarktkette führte Billa Mitte der 1990-er die Scannerkasse ein. Längst hatte sich der Begriff "Billa-Kassiererin" als Synonym für einen harten, schlecht bezahlten und unbedankten Beruf etabliert. 80 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Viele davon arbeiteten und arbeiten Teilzeit. Unter Wlascheks Regiment wurde jedes Jahr fast jede dritte Mitarbeiterin ausgetauscht. Kein anderes Unternehmen wies eine derartig hohe Fluktuation auf. Billa-Verkäuferin galt als Job, den man solange machte, solange man nichts besseres fand. Lange Zeit stand Billa auch für Ausbeutung. Nicht nur von Mitarbeitern, sondern vor allem auch von Zulieferern.

Sein Meisterstück in Sachen Unternehmenskultur lieferte Wlaschek im Sommer 1996. Da erfuhren selbst seine engsten Mitarbeiter aus der "Krone", dass "Billa" an den deutschen Lebensmittelkonzern Rewe verkauft wird. Um kolportierte 20 Milliarden Schilling habe sich Wlaschek sein Lebenswerk vergolden lassen.

Doch wer dachte, dass sich der damals fast 80-Jährige zur Ruhe setzt, irrte gewaltig. Wlaschek wollte nie als "Greißler" in die Geschichte eingehen. Er hatte mehr Geld, als er ausgeben konnte. Was ihm fehlte, war Anerkennung auch von jenen, die nicht gemeinhin mit dem Billa-Sackerl unterwegs waren. Wlascheks Traum war es wohl, zum Bankier zu avancieren. Er wollte die Creditanstalt, die zur Privatisierung anstand, kam allerdings nicht zum Zug. Eine Niederlage. Eine der wenigen in seinem Berufsleben.

Fünf Ehen, 250 Immobilien

Statt einer Bank kaufte Wlaschek schließlich Immobilien. Nicht irgendwelche: Er kaufte Palais um Palais. Die Palais Kinsky, Ferstel und Esterházy gehören zu seiner Immobiliensammlung, die mittlerweile mehr als 250 Liegenschaften umfasst. Alleine der Wert dieser Immobilien wird auf vier bis sechs Milliarden Euro geschätzt. Mit zunehmenden Alter fanden sich Geschichten über Karl Wlaschek nicht mehr auf den Wirtschafts-, sondern auf den Society-Seiten. Im April heiratete er zum fünften Mal im April 2012. Im Schlosshotel Velden, das ebenfalls ihm gehört. "Mit 20 Personen und einigen Ärzten - Sie wissen, die muss man sich warmhalten", scherzte er.

Am späten Montagnachmittag ging der "Standard" als erstes Medium mit der Nachricht vom Ableben Karl Wlascheks an die Öffentlichkeit.

Wlaschek hinterlässt ein Firmen- und Immobilienimperium. Das US-Magazin Forbes schätzte sein Privatvermögen zuletzt auf 4,1 Milliarden US-Dollar. Karl Wlaschek ist so etwas wie die österreichische Ausgabe des John D. Rockefeller. Als Letzterer übrigens 1937 starb, wurde sein Anwalt gefragt, wie viel der Milliardär ganz genau hinterlassen habe. "Alles", lautete die Antwort.

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