Das Leben nach dem Silicon Valley

Einmal Silicon Valley und zurück: Im Herbst 2013 porträtierte die "Presse am Sonntag" Jungunternehmer aus Österreich, die ihr Glück im kalifornischen Technologie-Hotspot versuchten. Was wurde aus ihnen?

Als die „Presse am Sonntag“ Martin Vasko zum ersten Mal traf, war seine Firma eine One-Man-Show. Jetzt sucht er gerade seine ersten fixen Mitarbeiter. Das letzte Treffen ist bald zwei Jahre her: Da war Vasko gerade für drei Monate im Silicon Valley unterwegs, um dort sein Produkt zu vermarkten. Seine Firma Expressflow entwickelt Datenverschlüsselungen. Die NSA-Affäre, die kurz zuvor von dem Aufdecker Edward Snowden ans Licht gebracht worden war, kam dem Wiener entgegen, plötzlich musste er niemandem mehr erklären, wieso es sinnvoll ist, Daten verschlüsselt zu übermitteln.

Einen Investor fand er in den USA trotzdem nicht. Direkt, sagt Vasko, habe sein Aufenthalt im Silicon Valley also nicht so viel gebracht. „Indirekt dafür umso mehr.“ Erstens sei ihm klar geworden, dass er sich ganz auf mobile Apps konzentrieren müsse. „Das hätte ich ohne den Aufenthalt sonst nicht so deutlich gesehen.“ Und zweitens habe er den „Lean-Ansatz“ verinnerlicht: „Dass du ein Produkt entwickelst, ohne dich dafür monatelang einzuschließen, und stattdessen auf die Leute zugehst, ihnen laufend von deiner Idee erzählst und ihr Feedback umgehend in das Produkt einbaust. Diese Einstellung ist mir ins Blut übergegangen“, erzählt er.

Ähnliches berichten viele Start-ups aus Österreich, die im kalifornischen Silicon Valley zum Schnuppern sind: Dass man in Österreich die Strategie pflege, sein Produkt im stillen Kämmerchen zu erarbeiten und es erst an die Öffentlichkeit bringe, wenn es perfekt ist. „Mittlerweile bin ich extrem offen mit meinen Entwicklungen. Es ist nie zu früh, Feedback einzuholen“, sagt Vasko. Was er noch mitgenommen – oder besser gesagt, dort gelassen − hat: „die Scheu vor den Investoren“. Weil im Silicon Valley ständig gepitcht wird, werde man sehr präzise bei der Präsentation seiner Ideen. Und man lerne, sie sehr einfach zu kommunizieren. Das hätte ihm nach seiner Rückkehr auch ein Investment von 25.000 Euro vom ProSiebenSat.1-Accelerator eingebracht. Und den dazugehörigen dreimonatigen Aufenthalt in München.

Seine Zeit in Kalifornien wurde vom „Go Silicon Valley“-Programm der österreichischen Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsministeriums mitfinanziert. Das Programm ermöglicht jedes Jahr einer Handvoll Jungunternehmer einen dreimonatigen Schnupperaufenthalt. Zur Verfügung gestellt werden ein Arbeitsplatz und Kontakte, den Großteil der Kosten tragen die Teilnehmer selbst. Die meisten österreichischen Jungunternehmer, die man im Technologie-Hotspot an der amerikanischen Westküste trifft, kamen mit „Go Silicon Valley“.

Die wenigsten von ihnen können dauerhaft dort Fuß fassen. Viele gehen mit großen Plänen, berichten aber im Nachhinein, dass es äußerst schwierig sei, Investoren zu finden, die ihr Geld in eine österreichische Firma stecken wollen. Auch Stefan Strohmer machte sich im Herbst 2013 im Silicon Valley auf die Suche nach einer Finanzspritze für seine Firma Questful, die eine App zur Organisation von Veranstaltungen entwickelte.

Zu früh gegangen. „Rückblickend war es für uns zu früh, hinüberzugehen“, sagt Strohmer. Das Produkt war noch nicht fertig entwickelt, und die Firma konnte noch keine zahlenden Kunden vorweisen. „Die Investoren wollen einen Beweis sehen, dass das Produkt funktioniert. Und der beste Beweis sind Kunden, die dafür bezahlen“, sagt Strohmer. Deshalb gibt er österreichischen Unternehmern mit Silicon-Valley-Ambitionen den Tipp, sich unbedingt mit einem fertigen Produkt auf den Weg zu machen, damit man sich vor Ort ausschließlich auf den Verkauf und die Investorensuche konzentrieren könne. „Wenn man sich dort erst ans Programmieren setzt, verliert man sehr viel Potenzial“, meint Strohmer. Weil es außerdem „einige Big Player gab, gegen die wir nicht ankommen konnten“, wie Strohmer sagt, sei Questful nicht das „Big Business“ geworden. Trotzdem, sagt der WU-Absolvent, habe er während seiner Zeit in Redwood City einiges gelernt. Das Wichtigste: Verhandlungs- und Verkaufsgeschick. „Das können die Amis wirklich besser als wir “, sagt Strohmer. Weil im Silicon Valley die finanzstärksten Deals über die Bühne gehen, könne man dort am besten lernen, „was am oberen Ende passiert“. Das hilft Strohmer jetzt beim Aufbau seines neuen Projektes, der Web- und Werbeagentur Strosch. Zu deren Kunden gehört unter anderem das deutsche Wirtschaftsministerium. Vom Silicon Valley träumt Strohmer immer noch: Sobald er wieder ein passendes Projekt hat, will er zurück.

Kontakte geblieben. Geblieben sind Strohmer von seinem Aufenthalt auch wertvolle Kontakte. Zum Beispiel zum österreichischen Unternehmer Gregor Zehetner, der wie Strohmer im Herbst 2013 auf „Austausch“ im Silicon Valley war und dem er privat und auch geschäftlich verbunden blieb. Zehetner war mit seiner Firma Tapkey in Kalifornien. Das Unternehmen entwickelt eine Software, mit der sich Türen und Autos per Smartphone aufsperren lassen. „Tapkey gibt es noch, und das Interesse an unserer Technologie ist groß“, sagt Zehetner nun, zwei Jahre später, zur „Presse am Sonntag“. Sein Team besteht mittlerweile aus knapp zehn Mitarbeitern, teils angestellt, teils extern. Auch Zehetner brachte die Zeit im Silicon Valley vor allem „nützliche Kontakte und eine großartige persönliche Lebenserfahrung“: Zwar entwickle sich das Umfeld für Start-ups in Wien gerade sehr positiv. „Aber das Silicon Valley ist das Original. Ein Aufenthalt dort ist für jeden Gründer nach wie vor eine empfehlenswerte Quelle der Inspiration.“

Einen Investor konnte auch er nicht auftreiben. Jemand anderem ist das allerdings gelungen. Dennis Zimmer verbrachte den Herbst 2013 im Silicon Valley – und kam nicht mehr zurück. Nachdem er in Kalifornien keinen Investor für seine Softwarefirma fand, weitete er den Suchradius aus und wurde in Texas fündig: Von den Beteiligungsfirmen Texas Atlantic Capital, Wellington Partners und Gamma Capital Partners erhielt er in Summe zwei Millionen Dollar. Auch er kam mit „Go Silicon Valley“ in die Staaten. Für ihn sei das der Startschuss für die Unternehmerkarriere in den USA gewesen. Der Deutsche, der lange in der Schweiz lebte und seine Firma in Österreich gründete, wollte immer in die Vereinigten Staaten – und als er zum Schnuppern dort war, wusste er plötzlich, dass er nicht mehr warten wollte. Er verlegte seine Firma kurzerhand in die USA. Damit wurde er für US-Investoren attraktiver.

Wenn man sich im Silicon Valley auf die Suche nach Geldgebern mache, sagt Zimmer, brauche man einen sehr langen Atem: „Man muss sich auf viele negative Termine einstellen.“ Das Spiel sei immer das gleiche: Man versuche, so viele Investoren wie möglich zu kontaktieren. „Ich habe in den letzten Jahren sicher 200 VCs (Risikokapitalgeber, Anm.) angeschrieben. Bei 50 habe ich einen Termin bekommen, am Ende wurde ich mit drei Investoren einig“, sagt Zimmer, dessen Software-Firma Opvizor acht Mitarbeiter hat.


Hire and fire. Was Zimmer als Unternehmer an den USA schätzt, sind vor allem Offenheit und Flexibilität. Es sei wesentlich leichter, sich zu vernetzen – solange man die Spielregeln kenne. Und die lauten: „Jeder ist offen für den Kontakt, aber wenn das Gegenüber keinen Mehrwert an dir findet, ist der Kontakt recht schnell wieder weg.“ Und die hiesige Hire-and-fire-Mentalität sei für Start-ups von Vorteil: Wenn man seine Unternehmensstrategie ändere, könne man binnen zweier Wochen Mitarbeiter finden, sie aber auch rasch wieder auswechseln, wenn die Ziele nicht erfüllt werden. „Wenn du eine mehrmonatige Kündigungsfrist einhalten musst, wie das in Europa meist der Fall ist, kannst du nichts ausprobieren, und Fehlbesetzungen werden sehr teuer. Das ist ein riesiger Nachteil für Start-ups in Europa.“

Start-ups

Expressflow befasst sich mit Datensicherheit und entwickelt Datenverschlüsselungen.
www.expressflow.com

Questful ist eine App zur Organisation von Veranstaltungen. www.getquestful.com

Tapkey entwickelte eine Software, mit der sich Türen und Autos per Smartphone aufsperren lassen. www.tapkey.com

Austausch

„Go Silicon Valley“. Das Programm der österreichischen Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsministeriums ermöglicht jedes Jahr einer Handvoll Jungunternehmer einen dreimonatigen Aufenthalt im kalifornischen Technologie-Hotspot. Zur Verfügung gestellt werden ein Arbeitsplatz und Kontakte, den Großteil der Kosten tragen die Teilnehmer selbst.

Rückschau. In den letzten sechs Jahren waren 86 Start-ups mit der Initiative in Kalifornien.

Geld. Sechs Unternehmen konnten während dieser Zeit Geld von Investoren lukrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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