"Die Presse"-exklusiv. Hauptaktionär América Móvil macht Druck: Der Konzern brauche dringend 1,5 Mrd. Euro. Geld, das der Finanzminister nicht hat. Übernehmen die Mexikaner den Konzern ganz?
Wien. Hannes Ametsreiter hat sich über den gelungenen Abschied sicher gefreut. Am Freitag präsentierte der scheidende Telekom-Chef letztmalig die Halbjahresbilanz des Konzerns – und die kann sich durchaus sehen lassen. Doch der Schein trügt. Die Telekom Austria braucht dringend Geld. Und zwar jede Menge. Heißt: Die nächste Kapitalerhöhung steht an. Sie wird voraussichtlich ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro haben – und bereits im kommenden Herbst über die Bühne gehen.
Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Denn die letzte Kapitalerhöhung hat es erst im November des vergangenen Jahres gegeben. Rund eine Milliarde Euro war damit in den Konzern geflossen. Das reicht offenbar noch immer nicht. Und Investor Ronny Pecik, der für den Telekom-Mehrheitsaktionär América Móvil im Aufsichtsrat sitzt, konnte es sich gestern gegenüber der „Presse“ nicht verkneifen: „Ich habe schon seinerzeit gewarnt, dass die Milliarde nicht reichen wird. Und ich habe recht gehabt.“
Nicht allen Telekom-Aufsichtsräten war das Durchsickern einer geplanten Kapitalerhöhung recht. América Móvil-Finanzchef Carlos Garcia Moreno sagte: „Dieses Unternehmen hat heute genug Kapital, um das Tagesgeschäft adäquat zu führen.“ Er glaube nicht, dass mehr Kapital nötig sei. Sollte die Kapitalerhöhung – wie zu erwarten ist – notwendig sein, werden sich vermutlich die Eigentumsverhältnisse der Telekom Austria gravierend ändern.
Skeptischer Finanzminister
Schon bei der letzten Kapitalerhöhung war ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling äußerst skeptisch: Eigentlich wollte er als Eigentümervertreter der Republik nicht mitziehen. Klar: In der Staatskasse herrscht Ebbe – und die América Móvil hatte damals schon eine Mehrheit an der Telekom. Andererseits: Die Kapitalerhöhung den Mexikanern allein zu überlassen hätte bedeutet, dass der österreichische Staatsanteil nochmal geringer wird. Er griff also nolens volens ins Staatssäckel. Heute hält die Staatsholding ÖBIB 28,42 Prozent an der Telekom Austria, die Mexikaner kommen auf rund 60 Prozent.
Allerdings: Schon damals betonte Schelling, dass er bei einer nochmaligen Kapitalerhöhung nicht mitmachen werde. Das sei Geldverschwendung, weil Österreich in dem Konzern ohnehin de facto nichts mehr mitzureden habe. Zumal eine weitere Senkung des ÖBIB-Anteils die Position der Republik nicht schmälern würde. Laut Syndikatsvertrag behält der Staat seine Mitspracherechte auch dann, wenn sein Anteil unter 25 Prozent schrumpft. Sollte Finanzminister Schelling seine Meinung von vor einem halben Jahr nicht geändert haben, dann wird die Republik Österreich bei Kapitalerhöhung Numero zwei nicht mitziehen.
Offiziell gab es dazu gestern weder eine Stellungnahme von Finanzminister Schelling noch von der Telekom Austria. Doch hinter den Kulissen scheinen die Dinge ihren Lauf zu nehmen: Kommenden Freitag findet in der Telekom Austria eine Aufsichtsratssitzung statt, daher werden sämtliche Vertreter von América Móvil in Wien sein. Eine wunderbare Gelegenheit also, mit dem österreichischen Finanzminister über die geplante Kapitalerhöhung zu plaudern. Und Nägel mit Köpfen zu machen.
Geld für Expansion
Die Mexikaner werden dem Finanzminister wohl die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung vor Augen führen. Für sie gibt es Insidern zufolge jedenfalls aus mehreren Gründen Bedarf:
► Die Telekom hat gestern zwar höchst erfreuliche Bilanzzahlen präsentiert. Allerdings wurde dabei eingeräumt, dass sich vor allem das Geschäft in Österreich günstig entwickelt hat. Probleme gibt es allerdings bei einigen Auslandstöchtern. Vor allem Bulgarien soll den Telekom-Verantwortlichen großes Kopfzerbrechen bereiten.
► Es ist im Konzern kein Geld da, um eine von den Mexikanern gewünschte große Expansion in die Wege zu leiten. In Osteuropa bieten sich allerdings jede Menge günstiger Gelegenheiten, um zuzukaufen.
► Es fehlt Geld für den dringend benötigten Netzausbau. Solche Investitionen sind aber dringend notwendig, um gegenüber der Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Die kommende Aufsichtsratssitzung wird wohl Klarheit schaffen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)