Konjunktur: Alles soll wieder „normal“ werden

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Eine plötzliche Kauflust von Unternehmen und Privaten soll die heimische Wirtschaft auf Kurs bringen, erwartet das IHS. Dafür brauche man nicht einmal das Ende der kalten Progression.

Wien. Der Befund ist längst bekannt: Österreichs Wirtschaft hat ihren Wachstumsbonus gegenüber der Eurozone längst eingebüßt, die verfügbaren Einkommen stagnieren, Investitionen sind Mangelware, die Arbeitslosigkeit steigt, die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Doch glaubt man den Ökonomen des Instituts für Höhere Studien (IHS), ist Rettung nah: Bis 2019 wird sich das Land wieder in die wirtschaftliche Normalität zurückgekämpft haben, so das Ergebnis der aktuellen Mittelfristprognose des Instituts.

Zwischen 2015 und 2019 wird Österreichs Wirtschaft demnach im Schnitt um 1,6 Prozentpunkte wachsen – weit entfernt von früheren Wachstumsraten, aber immerhin deutlich höher als die Fe-facto-Stagnation der vergangenen Jahre.

Alles werde wieder „normal“ werden, sagt IHS-Experte Helmut Hofer. Zumindest dann, wenn die Österreicher beginnen, daran auch zu glauben.

Außenhandel treibt nicht mehr

Denn die größte Hoffnung für weiteres Wachstum setzen die Ökonomen nicht auf technische Revolutionen oder die Eroberung neuer Märkte. Das bisherige Erfolgsmodell der heimischen Wirtschaft, die starken Exporte, hat sich etwas abgenutzt. Die Ausfuhren werden mit der Weltkonjunktur zwar anspringen, aber auch die Importe steigen deutlich. Vom Außenhandel gebe es damit „kaum Wachstumsimpulse“ für Österreich.

Stattdessen bauen die Wirtschaftsforscher darauf, dass das Geld bei Unternehmern und Konsumenten im Land alsbald wieder lockerer sitzen wird (siehe Grafik). In den vergangenen fünf Jahren standen die Unternehmen bei Investitionen auf der Bremse. Sie sollen das Tempo ihrer Investitionstätigkeit durch das absehbare Ende der Krise in der Eurozone verdoppeln.

Auch die Österreicher würden ihre Kauflust wiederentdecken, erwartet das IHS. Nicht zuletzt, da die Steuerreform ab 2016 die verfügbaren Arbeitseinkommen deutlich anheben werde. Zuletzt mussten die Österreicher etliche Jahre lang stagnierende Reallöhne hinnehmen. Das werde mit der Steuerreform nun vorerst gestoppt. Der Vorschlag von ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, diesen Effekt „einzufrieren“, indem die kalte Progression automatisch ausgeglichen werde, stößt beim IHS auf Skepsis. „Wir hatten gerade eine großzügige Steuerreform, die uns in der Gegenfinanzierung noch viel kosten wird“, sagt IHS-Ökonom Simon Loretz. „Wir können keine Geschenke verteilen, die wir uns nicht leisten können.“ Wenn also der Finanzminister auf jährliche Mehreinnahmen von 300 bis 400 Millionen Euro (durch das inflationsbedingte Vorrücken in höhere Steuerklassen) automatisch verzichten will, brauche er auch einen Automatismus, der die Ausgaben dämpft – etwa bei den Pensionen. Das wiederum ist mit der SPÖ wohl schwer umsetzbar.

Der erwartete Konsumschub kommt nach Ansicht des IHS auch ohne Abschaffung der kalten Progression. Ob sich die Österreicher an die optimistische Vorlage der Experten halten, wird sich erst weisen.

Zu wenig für Trendwende

Eines der größten Risikos für die heimische Konjunktur sehen die Forscher nicht etwa in der möglichen Pleite Griechenlands, die „eher geringe“ Auswirkungen brächte. Vielmehr sei die schlechte Stimmung im eigenen Land und das mangelnde Vertrauen in den Wirtschaftsstandort eine Wachstumsbremse. „Es ist Zeit für ein Offensivprogramm für Österreich“, so Hofer. Die Steuerreform sei ein guter erster Schritt gewesen. Nun könnten etwa Arbeitszeiten liberalisiert und Lohnnebenkosten gesenkt werden, damit auch Unternehmer wieder mehr Chancen als Hürden sähen. Die Stimmung sei schlecht – wenn man nicht gegensteuere, könnte sich die Realität anpassen.

Ein Problem wird das Land auch dann nicht los, wenn die optimistische Prognose hält: Das erwartete BIP-Wachstum wird nicht reichen, um die Arbeitslosigkeit zu dämpfen. Die Beschäftigung wird zwar in den kommenden Jahren konstant ansteigen. Da zeitgleich aber auch deutlich mehr Arbeitnehmer auf den Markt kommen, bleibt die Arbeitslosenquote mit 8,75 (nationale Berechnung) 2019 hoch. Um hier die Trendwende zu schaffen, müsste die heimische Wirtschaft 2,5 bis drei Prozent im Jahr wachsen. Davon ist Österreich auf absehbare Zeit weit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2015)

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