Energie: Fördern um jeden Preis

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Die Welt hat mehr Energie, als sie braucht, die Preise sind im Keller - und werden es wohl bleiben. Dennoch geben hoch verschuldete Staaten Unsummen aus, um immer mehr zu fördern.

Wien. Seit gut einem Jahr kennen die Energiepreise weltweit nur eine Richtung: steil nach unten. Ein Fass Erdöl (159 Liter) der Nordseemarke Brent ist um gut 50 Dollar zu haben, die Konkurrenz aus den USA (WTI) gibt es schon um fünf Dollar weniger. Vorbei die Zeit, in der arabische Ölscheichs die Welt mit Fantasiepreisen von 200 Dollar pro Fass verschrecken konnten. Seit sich Amerika energiepolitisch emanzipiert hat und zum weltgrößten Ölproduzenten aufgestiegen ist, sieht die Welt anders aus. Erdöl gibt es mehr als genug, Erdgas ebenso. Und bei Strom sorgt zumindest in Europa die Energiewende für massenhaft künstlich verbilligten Ökostrom auf dem Markt. Daran wird sich so bald auch nichts ändern, erwartet die Weltbank. In einer aktuellen Studie schätzt sie, dass die Energiepreise heuer noch einmal um 39Prozent unter jenen des Vorjahres zu liegen kommen werden.

37Prozent mehr Energie

Solange China als weltgrößter Energiekunde wirtschaftlich schwächelt und die USA den Markt weiter mit Schiefergas und -öl fluten können, spricht wenig für spontane Preissprünge. Die Welt hat derzeit ausreichend Energie – und daran wird sich so bald auch nichts ändern. Freilich zeigt der niedrige Ölpreis Wirkung. In den USA ist etwa die Hälfte der 1900 Bohrtürme, die zur Blütezeit des Schiefergasbooms im Einsatz waren, wieder abgebaut. Dennoch können sich die USA heute zu 90Prozent selbst mit Erdöl versorgen. Dieser Trend wird bestehen bleiben, schätzt auch der britische Ölkonzern BP in seinem „Energy Outlook 2035“.

In den kommenden 20 Jahren wird die Energienachfrage weltweit um 37Prozent ansteigen, schätzt das Unternehmen. Ein Drittel des Gesamtwachstums soll Gas ausmachen. Öl und Kohle sollen gemeinsam ebenfalls ein Drittel beisteuern. Große Engpässe sieht BP nicht. Lediglich die Richtung der Energieströme ändert sich drastisch. Ein Großteil wird nach Asien wandern, während Europa und die USA zunehmend weniger Energie für sich beanspruchen werden. Europa werde sich demnach im Jahr 2035 mit derselben Energiemenge begnügen wie schon im Jahr 1985. Die USA halten immerhin ihr Niveau des Jahres 2002. Von dieser Seite gibt es also kein Indiz für steigende Preise. Alles in Ordnung also? Die Welt hat mehr Energie, als sie braucht und das auch noch billig?

Nicht unbedingt. Denn die Konsumenten werden trotz niedriger Preise anderswo zur Kasse gebeten: In Europa läuft das einerseits relativ transparent über die diversen Förderungen für Solar- und Windstrom. Oder etwas versteckter – und hart bekämpft – über die Subventionen für Atomenergie. Weltweit ist das jedoch nur eine kleine Nummer. Das Gros der staatlichen Gelder im Energiebereich läuft immer noch in die Förderung von Öl, Gas und Kohle.

Subventionen trotz Schulden

Die Internationale Energieagentur schätzt die jährlichen staatlichen Zuwendungen für fossile Brennstoffe auf 550 Mrd. Dollar. Mehr als vier Mal so viel, wie für erneuerbare Energieträger ausgegeben wird. Der IWF kommt zu noch höheren Zahlen: Im Mai schätzte er die heurigen Subventionen für Öl, Gas und Kohle auf 5,3 Billionen US-Dollar. 2011 lag dieser Wert noch bei zwei Billionen.

Aber warum ist das so? In einer Zeit, in der die Staaten weltweit in Schulden versinken und mehr als genug günstige Energie auf dem Markt ist, hätten Politiker doch allen Grund, diese teuren, marktverzerrenden und klimaschädlichen Förderungen endlich zu kippen.

Das schnelle Aus für diese Subventionen könnte nach Ansicht von Experten in vielen Ländern helfen, die Korruption einzudämmen, die Budgets zu entlasten, wodurch wieder mehr Geld in Bildung oder Gesundheitswesen investiert werden könnte. Sozial notwendig sind die meisten staatlichen Zuschüsse nicht. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass nur acht Prozent der Förderungen auch wirklich beim ärmsten Fünftel ankommen.

Realpolitisch ist das Kürzen von Subventionen dennoch meist heikel. „Wohl erworbene Rechte“ kennen Menschen nicht nur in Österreich. Wer sie ihnen nimmt, gewinnt kaum Beliebtheitswettbewerbe – und vielleicht auch keine Wahlen.

AUF EINEN BLICK

In den kommenden 20 Jahren wird die Energienachfrage weltweit jährlich um 1,4Prozent steigen, schätzt das britische Unternehmen BP in seinem „Energy Outlook 2035“. 2035 wird die Welt daher um rund 37Prozent mehr Energie brauchen als heute. Der Großteil davon wird in Asien nachgefragt werden. In Europa und den USA fällt der Energiekonsum sogar.

Derzeit hat die Welt mehr als genug, um ihren Energiehunger zu stillen. Entsprechend niedrig sind die Preise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2015)

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