Seriengründer: Die Freude am Bauen

Seriengründer wie Peter Lieber (Xenis, Sparx-Systems) und Daniel mattes (Jajah, Jumio) finden, dass man nie nur ein Projekt im Köcher haben sollte.

Der Ruf nach mehr Risikokapital war in den vergangenen Jahren der, der am lautesten durch die österreichische Start-up-Szene hallte. Da hat sich mittlerweile einiges getan. Jetzt fordern die Rufer in der Wüste: Wir brauchen mehr Exits! Und mehr Seriengründer – serial Entrepreneurs!

Das eine bedingt in vielen Fällen das andere: Wenn Gründer ihre Firma erfolgreich verkaufen – und sich üblicherweise nach einiger Zeit auch aus dem operativen Geschäft ihres „Babys“ zurückziehen – juckt es sie meist schon in den Fingern. Sie gründen wieder.

Und das hat für das Start-up-Ökosystem entscheidende Vorteile. Eine Harvard-Studie belegt, dass jemand, der schon einmal gegründet und sein Unternehmen erfolgreich veräußert hat, bei seinem nächsten Start-up eine Erfolgsschance von 30 Prozent hat. Bei einem Neugründer liegt diese nur bei 18 Prozent. Bei einem gescheiterten Unternehmer immerhin bei 20 Prozent. Seriengründer haben auch eine um 15 Prozent höhere Chance, Venture Capital an Bord zu holen als Erstgründer. In Österreich sind Serial Entrepreneurs noch eine Seltenheit. Die Szene ist dafür einfach noch zu jung, die meisten sind noch mit ihrem ersten Unternehmen beschäftigt. Die wenigen, die es gibt, zeigen: Der geradlinige Weg vom einen Start-up zum nächsten ist eher die Ausnahme.


Kommunistisches Projekt. „Ich bezeichne mich selbst immer als Parallel-Entrepreneur. Das trifft die Sache besser“, sagt Peter Lieber, der im Lauf seiner mittlerweile 25-jährigen Karriere so viele Unternehmen gegründet, fusioniert, umgebaut und wieder aufgelassen hat, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten.

Der rote Faden bei allen seinen Unternehmungen ist die Software. „Begonnen habe ich 1991, indem ich Warenwirtschaftssysteme programmiert habe“, erzählt Lieber. „Und ich habe relativ bald festgestellt, dass allein arbeiten nicht so lustig ist. Außerdem habe ich es nie geschafft, Dinge fertig zu machen. Sobald ich weiß, wie etwas geht, interessiert es mich nicht mehr. Also habe ich mir gesagt: Ich brauche Mitarbeiter. Ich habe dann ein paar Freunde aus meiner Schule angestellt.“

Liebers erstes Start-up sei eine Art „kommunistisches Projekt“, gewesen, für das er sogar eine EU-Förderung bekommen hat: NetIT hieß das Produkt, und das Projekt „Arbeiten nach dem Wolfsrudelprinzip“ – mit wechselnden Führungsfiguren und nach dem Alle-sind-gleich-Prinzip. „Das hat nicht so gut funktioniert“, sagt Lieber. „Ich habe dadurch aber andere Unternehmer kennengelernt, und wir haben 1996 Xenis gegründet.“

Xenis sei wie ein Bauchladen gewesen: „Wir haben alles gemacht, was mit Software zu tun hatte.“ Und das durchaus erfolgreich, mit Hewlett Packard hatten sie einen großen Kunden an Land gezogen, für den Xenis das „komplette E-Business-Osteuropageschäft“ abwickelte. „Zwei Drittel unseres Umsatzes kamen von HP. Irgendwann sind wir übermütig geworden und haben mehr Geld verlangt. Wir haben gedacht, ohne uns geht's nicht. HP hat das leider anders gesehen. Wir sind dann in Konkurs gegangen, in einigen traurigen Schritten, und das Gründerteam hat sich damals komplett zerstritten.“


Ende für den Bauchladen. 80 Mitarbeiter hatte Xenis zu ihren Spitzenzeiten, und im Lauf der Zeit entdeckte Lieber, dass das „Bauchladenprinzip“ nicht so optimal war: „Das war im Verkauf relativ unglaubwürdig. Ich habe dann begonnen, für jedes Thema eine eigene Firma zu gründen. Eine Firma muss für eine Sache stehen.“

2003 brachte Lieber von einer Australienreise die Modellierungssprache UML (genauer gesagt, die Entwicklungsplattform Enterprise Architect) nach Europa – bis heute ein Erfolgsprojekt mit zwei Ablegern: SparxSystems und LieberLieber, Letzteres bietet Erweiterungen der Software an, die Ersteres verkauft. Irgendwann dazwischen baute Lieber mit Mobil Data noch eine Firma für mobile Softwarelösungen auf, die aber unter anderem aufgrund des Siegeszuges von Apples iPhone und den gratis Apps scheiterte – der Konkurs erfolgte 2012.

„Konkurse sind nicht unvorhersehbar, das sieht man schon recht früh“, sagt Lieber. „Und zwei Dinge nimmt man daraus mit. Man sieht, welche Mitarbeiter loyal sind. Und man merkt, dass Ehrlichkeit gegenüber Lieferanten und Financiers eine wichtige Sache ist, auch fürs eigene Überleben danach.“ Lieber sagt, er rate jedem zu seriellem, oder vielmehr parallelem Unternehmertum. „Ich hatte immer eine Firma, die funktioniert.“ Aktuell hat Lieber in Österreich sechs Firmen, inklusive der Niederlassungen im Ausland sind es 15, die er parallel jongliert.

Gesichtserkennung. Daniel Mattes lässt das Thema Exit hingegen nicht ganz kalt. Auch er ist Seriengründer. Begonnen hat für Mattes alles mit Auftrag.at, einer Onlineplattform, die öffentliche Ausschreibungen managt. "Dann habe ich mich eine Zeit in Videokonferenzen versucht. Das war nicht so erfolgreich. Aber eine wesentliche Erkenntnis aus diesem Projekt hat mir geholfen, Jajah aufzubauen. Nämlich, dass eine herausragende Tonqualität viel entscheidender ist als ein gutes Bild." Jajah, das Folgeprojekt, war ein Dienst für die Internettelefonie (er wurde 2014 eingestellt), den Mattes und sein Mitgründer Roman Scharf 2009 für 145 Mio. Euro an den spanischen Telekomkonzern Telefonica verkauft haben. Danach beteiligte er sich an einem Widerbelebungsversuch von einem Pionier des Social Networkings, Uboot.com, der aber scheiterte.


Dann wollte Mattes es noch einmal wissen und gründete Jumio, anfangs ein Internet-Paymentdienst. Mittlerweile macht Jumio sein Kerngeschäft mit Personenauthentifizierung - mit dem System Netverify können Nutzer zum Beispiel via Smartphone ihren Pass, Führerschein oder Personalausweis fotografieren. Das Foto dient dann als Identitätscheck bei Online-Transaktionen. "Gesichtserkennung ist für viele Sparten relevant: für die Reisebranche, die Finanzsparte. Oder Online-Universitäten - da will man sicherstellen, dass der Mensch, der vor dem Computer sitzt, auch der ist, der die Prüfung ablegen soll." 600 Mitarbeiter hat Jumio mittlerweile.

Vor zwei Jahren hat Mattes in einem "Presse"-Interview mit einer Ansage aufhorchen lassen: "Mein Ziel ist die Milliarde", sagte er. Gemeint war der angepeilte Exit von Jumio. Mittlerweile gibt er es ein bisschen billiger. Eine halbe Milliarde sei auch in Ordnung - so viel sei Jumio Unternehmen mittlerweile wert. "Irgendwann muss man realistisch werden", sagt er und lacht. Außerdem sei es für ihn nach zehn Jahren langsam an der Zeit, sich aus dem Operativen zurückzuziehen und sich ganz der Tätigkeit als Business Angel zu widmen. Daniel Mattes wurde im Juni von Stephen Stuut als CEO von Jumio abgelöst.

In einem "erwachsenen" Unternehmen wie Jumio habe man ohnehin nur mehr den halben Spaß. "Ich baue gern. Ich setze mich hin und sage: Schauen wir, was passiert, wenn ich diesen Knopf auf Grün ändere. Jetzt habe ich fünf Produktmanager, mit denen ich das diskutieren muss, und nach drei Monaten ist der Knopf vielleicht auf Grün." 


Me, myself and I. Peter Lieber ist überzeugt, dass viele Gründer einem Irrglauben aufsitzen: „Viele glauben, dass sie der Mittelpunkt des Unternehmens sind. Aber als Unternehmer sollte man am Unternehmen arbeiten und nicht im Unternehmen. Nur weil man 120 Stunden pro Woche in eine Sache investiert, heißt das nicht, dass man besonders gut ist.“ Me, myself and I – das sei missverstandenes Unternehmertum. Wer das verstehe, habe den Rücken frei, um die Fühler anderweitig auszustrecken – und mehrere Bälle gleichzeitig zu jonglieren.

Erfolgsprojeke

Peter Lieber hat zurzeit im In- und Ausland 15 Unternehmen, in Österreich sind es sechs, darunter SparxSystems, das die Entwicklungsplattform Enterprise Architect vertreibt, und LieberLieber, das Erweiterungen dazu anbietet.

Daniel Mattes baute die Unternehmen Jajah (Exit 2009) - ein Internettelefondienst - und Jumio, ein Anbieter von Paymentservices und Authentifizierungsdiensten, auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

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