Schelling: "Das Budget ist ausgereizt"

Finanzminister Hans Jörg Schelling
Finanzminister Hans Jörg SchellingClemens Fabry
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Die zusätzlichen Kosten durch die Flüchtlingskrise seien verkraftbar, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling. Gegenüber einem neuen Konjunkturpaket zeigt er sich aber skeptisch.

Die Flüchtlingskrise soll Österreich 350 Mio. Euro kosten. Die Kosten der Grundversorgung werden auf 420 Mio. steigen. Hinzu kommen 145 Mio. für Arbeitsmarkt und Integration. Woher soll das Geld kommen?

Hans Jörg Schelling: Das Geld ist ja jetzt schon zu einem guten Teil budgetiert, weil es auch im Vorjahr angefallen ist. Auch Mindestsicherung, Schulungen oder Deutschkurse gab es schon. Wir haben natürlich eine Steigerungsrate, und die müssen wir nun zusätzlich im Budget einstellen. Wir erwarten aber für das nächste Jahr auch eine leicht bessere Konjunktur. Und da holen wir uns den Spielraum für diese Ausgaben.

In Deutschland erwartet man zehnmal so viele Flüchtlinge und rechnet mit Kosten von zehn Mrd. Wie passt das zusammen?

Diese Eins-zu-zehn-Formel stimmt immer nur relativ. Außerdem budgetieren die Deutschen derzeit nicht mit zehn, sondern mit fünf Mrd. Euro an Zusatzkosten. Und dort sind auch jene Mittel enthalten, die man etwa für den zusätzlichen Wohnbau brauchen wird.

Werden bei uns nicht auch zusätzliche Kosten für den Wohnbau anfallen?

Wir haben ein Sieben-Milliarden-Paket für den Wohnbau. Das ist mehr als ausreichend.

Unter dem Strich gibt es aber zusätzliche Kosten. Sie wollen, dass diese Kosten aus dem Stabilitätspakt ausgenommen werden. Die Neuverschuldung wird also steigen.

Das Maastricht-Defizit, das laut Prognose derzeit unter zwei Prozent liegen wird, wird von diesen Kosten um einen Kommawert verändert. Da sind wir noch weit unter der Drei-Prozent-Grenze. Das werden wir also verkraften. Mir geht es darum, dass diese erhöhten Kosten aus den Berechnungen für das strukturelle Defizit herausgenommen werden, das unter 0,5 Prozent liegen soll. Dort habe ich keinen Spielraum. Und es kann ein Land ja nicht dafür bestraft werden, dass es sich human zeigt und besonders viele Flüchtlinge aufnimmt. Das wird die Kommission auch verstehen.

Zuletzt wurden Sorgen laut, dass durch die Zusatzkosten ein Sparpaket notwendig werden könnte. Wird es eins geben?

Nein, das kann ich ausschließen.

Wie sieht es mit Steuererhöhungen aus?

Die kann ich ebenfalls ausschließen.

Laut dem heimischen Fiskalrat ist der Budgetpfad aber bereits ohne die Zusatzkosten gefährdet. Der Rat prognostizierte im Sommer, dass das strukturelle Defizit zwischen einem und 1,6 Prozent liegen wird.

Das ist die Schätzung des Fiskalrats. Und sie ist falsch. Ich erinnere daran, dass uns dasselbe vor einem Jahr ebenfalls vorgeworfen wurde. Und dann haben wir ein Jahr früher als geplant das strukturelle Nulldefizit geschafft. Ich gehe davon aus, dass wir das heuer ebenfalls schaffen. Ich bin jetzt ein Jahr im Amt und habe fünf Prognosen hinter mir. Keine davon hat gestimmt.

Sie meinten vorhin, dass Sie für 2016 ein besseres Wirtschaftswachstum erwarten. Was macht Sie da so optimistisch?

Zuerst einmal prognostizieren die Wirtschaftsforscher ein höheres Wachstum . . .

. . . aber die liegen doch immer falsch.

In diesem Fall stabilisieren sich die Prognosen ein bisschen, da alle dasselbe sagen. Außerdem rechnen wir mit positiven Effekten der Steuerreform. Diese bringt ja eine Tarifsenkung von fünf Milliarden. Das wird den Konsum ankurbeln. Wir begeben uns also langsam wieder auf einen Wachstumspfad.

Trotzdem verhandeln ÖVP und SPÖ gerade ein Konjunkturpaket. Was soll denn da drinnen sein?

Lassen wir sie verhandeln.

Was wäre aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Es kommen immer wieder unterschiedliche Vorschläge, die wir alle schon kennen. Die einen wollen eine Senkung der Lohnnebenkosten. Das wollen wir, aber es ist derzeit schwierig, weil wir gerade die Tarife um fünf Mrd. reduziert haben. Die anderen wollen eine vorzeitige Abschreibung. Ich war letztens bei einem Treffen mit Industriemanagern. Dort meinte der Großteil, man investiere wegen der Geschäftschancen und nicht wegen einer vorzeitigen Abschreibung. Es müssen also ein paar neue Ideen kommen. Und ich hoffe, dass diejenigen, die das Konjunkturpaket verhandeln, auch sagen, wie wir es finanzieren.

Welches Volumen wäre möglich?

Gar keines. Ich kann derzeit kein zusätzliches Geld zur Verfügung stellen. Das Budget ist ausgereizt. Man sollte jetzt einmal die Steuerreform reifen lassen. Außerdem haben die Konjunkturpakete aus der Vergangenheit ja auch nicht dazu geführt, dass wir nicht mehr wissen, wo wir mit dem Wachstum hinsollen.

Sie haben selbst aber auch ein teures Projekt, das Sie bis Ende des Jahres umsetzen wollen: die Abschaffung der kalten Progression. Wie soll das gehen?

Eines möchte ich klarstellen: Die Abschaffung der kalten Progression ist kein Geschenk des Finanzministers an die Bürger. Die Progression ist nämlich eigentlich etwas, was die Menschen dem Staat schenken. Die Abschaffung kostet je nach Modell rund 400 Mio. Euro. Die diesjährige Tarifsenkung kostet das Elffache davon. Es ist also zu schaffen. Und wir haben damit bis 2018 Zeit, weil bis dahin die Entlastung der Steuerreform ausreicht.

Eine andere Steuer, bei der es seit Langem die Forderung nach einer Abschaffung gibt, ist die Bankenabgabe, weil die Banken ab 2016 auch in den EU-Abwicklungsfonds einzahlen müssen. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin in dieser Frage gesprächsbereit. Etwa, dass wir jene Kosten, die den Banken durch den EU-Fonds zusätzlich entstehen, abfedern. Allerdings müssen die Banken uns dafür helfen, andere Problemfelder zu lösen. So werden wir in eine Kreditklemme kommen. Die Banken müssen entsprechende Vorschläge machen, und dann werden in den kommenden Wochen Verhandlungen starten. Für 2016 budgetiere ich aber noch keine Absenkung.

2016 werden die Banken also beides zahlen müssen?

Nicht unbedingt. Aber ich budgetiere es nicht, weil es noch keine Regelung gibt. Ich bin niemand, der Luft budgetiert. Mir ist es schon schwer genug gefallen, die Finanztransaktionssteuer aus dem Budget herauszunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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