Der bürokratische Steuer-Moloch

BUDGET 2016 ERSTMALS AUF ELEKTRONISCHEM DATENTRAeGER VERTEILT
BUDGET 2016 ERSTMALS AUF ELEKTRONISCHEM DATENTRAeGER VERTEILTAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die Lohnnebenkosten zu senken, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Allein durch die Vereinfachung der Steuer-Bürokratie könnten 150 Millionen eingespart werden.

Mehr als eine Milliarde Euro will der Finanzminister also bei den Lohnnebenkosten einsparen und damit nicht nur Unternehmen entlasten, sondern auch Impulse für den Arbeitsmarkt setzten. Die Botschaft kam bei der Wirtschaft an. Zu euphorischen Jubelchören konnte Hans Jörg Schellings Budgetrede diese Woche die Unternehmer aber nicht bewegen. „Ein richtiges Signal“, heißt es in der Wirtschaftskammer. Aber es komme zu spät und sei zu leise. Eine Entlastung, die erst ab 2018 greift, bringe vielen Unternehmen angesichts der aktuellen Konjunkturdelle nichts mehr, heißt es.

Während also das Wachstum stagniert und die Unternehmensgewinne schmelzen, steigen die Arbeitskosten in diesem Land. Wer aber freudig daraus schließt, dass dadurch die Arbeitnehmer mehr Geld im Börsel haben und so der Konsum angekurbelt wird, hat seine Rechnung ohne den Staat gemacht. Den Großteil der steigenden Arbeitskosten streift dieser nämlich in Form von Steuern und Abgaben ein. Allein von 2008 und 2013 stiegen die Arbeitskosten um 18,9 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Produktivität allerdings nur um knapp über drei Prozent. Österreich – das ist kein großes Geheimnis – verliert also sukzessive an Wettbewerbsfähigkeit. Immerhin will Schelling der Wirtschaft im Zuge der Senkung der Lohnnebenkosten 1,3 Milliarden Euro zurückgeben.

Damit reduziert der Finanzminister die Lohnnebenkosten um nicht einmal vier Prozent. Derzeit machen diese von den Unternehmern getragenen Lohnnebenkosten im Schnitt 31 Prozent des Bruttogehalts aus. Ein Arbeitnehmer in Österreich muss 2177 Euro brutto verdienen, um netto 1500 Euro aufs Konto überwiesen zu bekommen. Der Unternehmer muss darüber hinaus weitere 678 Euro Lohnnebenkosten bezahlen. Somit kostet ein Angestellter mit 1500 Euro netto dem Unternehmen insgesamt 2855 Euro.


Keine Lohnnebenkosten in Dänemark. Österreich liegt in Sachen Lohnnebenkosten – richtig – im internationalen Spitzenfeld. Viele Industrie- und Hochsteuerländer setzen deshalb bei den Reformen gezielt bei den Lohnnebenkosten an. Nicht ganz so zaghaft wie Österreich allerdings. Belgien stutzt die Arbeitgeberbeiträge von 33 auf 25 Prozent zusammen. In Dänemark kommt man de facto ohne Lohnnebenkosten aus. Dort sind die Steuern zwar sehr hoch. Der Staat delegiert die Steuerverwaltung allerdings nicht so dreist an die Unternehmen wie etwa in Österreich.

Denn bei den Lohnnebenkosten geht es nicht nur um Steuern und Abgaben, sondern auch um einen immensen bürokratischen Aufwand für die Betriebe. Sozialversicherung, Wohnbauförderung, Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, Kammerumlage, Kommunalsteuer, Mitarbeitervorsorge. All diese Komponenten müssen in den Unternehmen administrativ bewältigt werden. Was die Familienbeihilfe und die Wohnbauförderung in den Lohnnebenkosten zu suchen hat, kann ohnehin niemand beantworten. „Historisch gewachsen“, heißt es zu dieser österreichischen Besonderheit.


Weniger Bürokratie. Im Grunde müsste der Finanzminister die Steuern nicht einmal senken, um die Wirtschaft finanziell zu entlasten. Er müsste nur das Steuersystem vereinfachen. 150 Millionen Euro könnten allein durch eine pauschale Abführung der Lohnnebenkosten eingespart werden, rechnete die oberösterreichische Wirtschaftskammer Ende 2014 vor.

Vor allem kleinere Unternehmen können die komplexe Bürokratie allein nicht mehr bewältigen, lagern diese Arbeiten teuer an Lohnverrechnungsbüros und Steuerberater aus. Und wer denkt, Steuerberater würden in Anbetracht des komplizierten Steuersystems jubeln, der irrt. Das Steuersystem sei in manchen Bereichen so verworren, dass eine Beratung einem Himmelfahrtskommando gleiche, jammern Steuerberater mittlerweile. Schließlich haften sie für ihre Expertise.

Dennoch ist zu befürchten, dass der bürokratische Moloch namens Lohnnebenkosten nicht so schnell erlegt werden wird. Schließlich stecken auch die Zwangsmitgliedsbeiträge von Arbeiter- und Wirtschaftskammern in den Lohn- und Lohnnebenkosten. Und im Gegensatz zum Arbeitnehmer, der von steigenden Lohnkosten netto wenig sieht, erhöhen sich Kammerbeiträge auch, wenn Steuer- und Abgabenlast steigen.

Steuern

Lohnnebenkosten. Im Schnitt muss jeder Unternehmer in Österreich 31 Prozent des Bruttolohnes an Lohnnebenkosten bezahlen. Wer also 1500 netto im Monat verdient, kostet den Arbeitgeber 2855 Euro.

Bürokratie. Die Lohnnebenkosten setzen sich aus 13 unterschiedlichen Posten zusammen, unter anderem sind Sozialversicherung, Wohnbauförderung, Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und die Kommunalsteuer enthalten. Den dadurch entstandenen Verwaltungsaufwand für Unternehmen beziffert die WKO mit 150 Millionen Euro pro Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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