Voest: Zeit der Rekorde ist vorbei

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Der Stahlkonzern erwartet 2009/10 maximal eine schwarze Null – Dividende wird halbiert. Für den Spätherbst wird eine leichte Entspannung erwartet.

Wien (eid). Der Rekordumsatz von 11,6 Mrd. Euro und die Milliarde beim Betriebsergebnis (Ebit) täuschen nicht darüber hinweg: Die Krise hat auch die Voestalpine voll erwischt. Wie sehr, zeigt der Verlauf des Geschäftsjahres 2007/08 (Ende März): Verdiente der Stahlkonzern im ersten und zweiten Quartal operativ 358 bzw. 428 Mio. Euro, so sackte das Ebit im dritten Quartal auf 196 und im vierten Quartal auf 34 Mio. Euro ab.

So wird es auch heuer weitergehen – zumindest bis Spätherbst, wenn Konzernchef Wolfgang Eder eine leichte Entspannung erwartet. „Wir werden im ersten Halbjahr definitiv rote Zahlen schreiben“, kündigte Eder am Donnerstag an. Finanzvorstand Robert Ottel konkretisierte: Das Ebit soll unter minus 100 Mio. Euro liegen, der Nettoverlust unter 180 Mio. Euro. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2007/08 erzielte die Voest ein Rekord-Ebit von 612Mio. Euro und ein Nettoergebnis von 434 Mio. Euro. Das Gesamtjahr 2008/09 – das „schwierigste der vergangenen Jahrzehnte“ – dürfte ein Konzernergebnis „irgendwo um die Nulllinie“ bringen, so Eder.

Gegen den „stärksten Konjunktureinbruch seit 1945“, der sich in einer Auslastung von durchschnittlich 70 Prozent manifestiert, stemmt sich die Voest kurzfristig mit Kündigungen und Kurzarbeit: Von Oktober 2008 bis Ende Mai wurden 3500 Beschäftigte (Stammpersonal und Leiharbeiter) abgebaut, und rund 10.000 Mitarbeiter (ein Viertel der Belegschaft) sind in Kurzarbeit. Außerdem wurden die Investitionen um 40 Prozent auf rund 600 Mio. Euro zurückgefahren. Und die Dividende wird von 2,1 auf 1,05 Euro je Aktie halbiert.

Erz und Kohle sind billiger

Damit komme man vorerst aus. Im Herbst will Eder die Situation neu bewerten. Ob ein neues Sparprogramm mit weiteren Kündigungen komme, hängt davon ab, wie das Management die Konjunkturentwicklung im September einschätze. Einziger Lichtblick: Rohstoffe und Energie haben sich deutlich verbilligt, Erz um 40 und Kohle um 50 Prozent.

Außerdem erweise sich gerade in der Krise die Strategie als richtig: „Wir sind Technologie- und Qualitätsführer, haben nur langfristige Verträge, konzentrieren uns auf Spezialstähle und sind daher wie die Commodity-Erzeuger nicht auf den Spotmarkt angewiesen“, erklärte Eder. Der Preis für eine Tonne des Commodity-„Klassikers“ Warmbreitband sei binnen Jahresfrist von 800 auf 280 Euro abgestürzt.

Aber: „Wir sind noch nicht durch“, warnte Eder vor allzu optimistischen Einschätzungen. Auch wenn sich der Horizont 2010 leicht aufhellen werde – „das Produktionsniveau von 2007 werden wir erst in fünf Jahren erreichen“. Deshalb will Eder die Krise nützen, um die Strukturen und die gesamte Wertschöpfungskette des Stahlkochers auf den Prüfstand zu stellen. „Bisher haben wir alle Hände zu tun gehabt, die hohe Nachfrage zu befriedigen, jetzt haben wir Zeit nachzudenken.“ Die bestehende Struktur sei acht Jahre alt – „wer sagt, dass das noch richtig ist?“

Einige 100 Millionen Sparpotenzial

Im Herbst soll das Konzept für die neue Konzernstruktur, mit dem die Voest auch Kostenführer werden will, stehen. Dann wird sie in zwölf bis 18 Monaten umgesetzt. Eder erwartet „einige 100 Mio. Euro an Einsparungspotenzial ab 2011“. Einen „Kahlschlag“ beim Personal schließt Eder aus, nicht aber geringe Anpassungen. Obwohl die Sparte Automotive das Sorgenkind ist, sei nicht an eine komplette Trennung gedacht. Aber es werde in diesem Geschäftsfeld auch keine Akquisitionen geben.

Gleichzeitig will die Voest ihren finanziellen Handlungsspielraum erweitern und die Verschuldung reduzieren. Durch die Komplettübernahme von Böhler-Uddeholm (jetzt Sparte Edelstahl) ist der Verschuldungsgrad im abgelaufenen Geschäftsjahr von 83,3 auf 88,2 Prozent (Nettoverschuldung gemessen am Eigenkapital) gestiegen. Längerfristig würden wieder 50 Prozent angepeilt.

AUF EINEN BLICK

Die Voestalpine dürfte nach einem Jahresüberschuss von 611,6 Mio. Euro im laufenden Geschäftsjahr 2008/09 nur „+/– null“ erreichen. Im ersten Halbjahr wird der Stahlkonzern rote Zahlen schreiben.

Die Dividende wird daher auf 1,05 Euro halbiert. Voest-Chef Eder stellt die gesamte Konzernstruktur auf den Prüfstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2009)

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