Österreichs 30-Milliarden-Chance

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die heimische Wirtschaft könnte bis 2025 um zehn Prozent stärker wachsen, sagt das Beratungsunternehmen McKinsey. Der Großteil davon wäre auch ohne politische Reformen umsetzbar.

Wien. Seit fünf Jahren tritt Österreichs Wirtschaft auf der Stelle, und langsam wird spürbar, was es heißt, Bürger im Wachstumssorgenkind der EU zu sein: Die realen Pro-Kopf-Einkommen schrumpfen, die Produktivität stagniert, Menschen und Unternehmen halten ihr Geld aus Sorge zusammen. Wer Besserung sucht, ruft wieder und wieder nach den ewiggleichen Reformen bei Steuern, Ländern, Förderungen – und wartet ab. Dieses Warten auf den längst überfälligen Startschuss lähmt das Land vollends. Die Unternehmen sind anscheinend sogar zum Abwandern zu müde. Stattdessen bleiben sie, investieren aber nicht mehr und verschwinden so eben langsam.

Das muss nicht so sein. Das Land könnte durchaus von sich aus einen kräftigen Wachstumsschub erzeugen, so das Ergebnis einer Studie von McKinsey, die der „Presse“ vorab exklusiv vorlag. Ganz ohne große Reformen, nur mit Kraft der Bürger und Unternehmen. Bis 2025 könnten so bis zu 31 Milliarden Euro an zusätzlichem Umsatz geschaffen werden – ein Plus von zehn Prozent.

Um zu diesen Zahlen zu kommen, haben die Autoren globale Trends herausgefiltert und auf Relevanz für Österreich überprüft. Städte wachsen, Menschen werden älter, Maschinen schlauer – aber was bedeutet das für die heimischen Unternehmen? Es zeigt sich: Nicht alle Industrien haben das Zeug, Österreich einen Wachstumsschub zu geben. Die Baubranche ist zwar groß, aber träge und wenig innovativ. Im Pharmabereich wäre zwar viel möglich, doch ist er hierzulande zu unbedeutend. Die großen Hebel seien bei Maschinen-, Auto- und Anlagenbauern, Elektronikindustrie und IT-Dienstleistern zu finden. McKinsey hat die Studie ohne Auftraggeber erstellt, nutzt sie aber als Türöffner bei Kunden.

Wir machen wenig aus viel Substanz

„In Österreich ist viel Substanz da, aber wir machen noch zu wenig daraus“, sagt Stefan Helmcke von McKinsey Österreich. Die guten Ideen von den Universitäten finden nur selten den Weg in Unternehmen. Wenn doch, fehlt spätestens ab dem dritten Jahr das Geld. In den ersten beiden Gründungsjahren kann Wien etwa dank hoher Förderungen mit Städten wie Berlin mithalten. Doch während in Deutschland dann Private einspringen, versiegt der Geldfluss hierzulande rasch.

Auch das Potenzial der Österreicher werde nicht ideal genutzt. Nur eines von fünf Kindern, dessen Eltern keine Matura haben, geht auf die Uni. Um das zu ändern, braucht es keine große Bildungsreform. In Deutschland hilft etwa die private Initiative Arbeiterkind.de, bei der Firmen Jugendlichen Mentoring und Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Nicht alles ist ohne Politik lösbar. Einige Ideen, wie es doch gehen könnte, haben die Autoren mit 30 heimischen Topmanagern gefunden. Am wichtigsten: Konzerne sollten endlich Geld für die Digitalisierung der Industrie lockermachen. In Deutschland sind die vernetzten, denkenden Maschinen schon der Hauptgrund für das Wachstumsplus. Österreich hinkt hinterher. Auch die Alterung sehen die Experten optimistisch. 2025 werden zwei Millionen Österreicher über 65 Jahre alt sein – und deutlich reicher als viele Pensionisten heute. Für das Sozialsystem ist es eine Herausforderung, für heimische Unternehmen eine Chance (mehr Ideen: "Arbeiterkinder an die Uni, Geld für Gründe und geteilte Roboter")

>> Studie von McKinsey

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

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