Arbeitslosigkeit: Krise am Arbeitsmarkt verschärft sich

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Im Gegensatz zu anderen Ländern steigt in Österreich die Arbeitslosigkeit. Schuld daran sind die schwache Konjunktur, die starke Zuwanderung und ein unternehmerfeindliches Klima. Die Aussichten für 2016 sind düster.

Zunächst Baumax, dann Zielpunkt: Die Pleitewelle im österreichischen Handel erreichte heuer einen neuen Höhepunkt. Viele Mitarbeiter müssen sich nach einem neuen Job umsehen. Doch das ist nicht einfach.

Denn die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie zuvor. Die genauen Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor. Aber bereits Ende November befanden sich 430.107 Menschen auf Jobsuche. Dramatisch ist die Lage bei Langzeitarbeitslosen. Die Zahl der Personen, die seit mehr als zwölf Monaten keinen Job haben, hat sich auf 47.845 verdreifacht. Auffallend ist, dass Österreich im internationalen Vergleich immer schlechter abschneidet. Anders als bei uns ging in den meisten europäischen Ländern die Arbeitslosigkeit zurück.

Regierungsvertreter wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) machen die schwache Konjunktur für die Misere auf dem Jobmarkt verantwortlich. Doch das stimmt nur teilweise. Ein wichtiger Faktor ist die Zuwanderung. Dabei geht es nicht nur um die Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak – die meisten Zuwanderer kamen in den vergangenen Jahren aus Osteuropa.

Tausende Rumänen wollen einen Job.
So öffnete Österreich Anfang 2014 den Arbeitsmarkt für Personen aus Rumänien und Bulgarien. Um der Bevölkerung die Ängste zu nehmen, wurde im Auftrag des Sozialministeriums eine Studie erstellt. Darin war von einem relativ geringen Zuzug aus beiden Ländern die Rede. Doch die Prognose stellte sich als falsch heraus.

Mittlerweile sind die Rumänen nach den Deutschen bereits zur zweitgrößten Einwanderergruppe aus der EU aufgestiegen. Laut Statistik Austria erhöhte sich die Zahl der in Österreich lebenden rumänischen Staatsbürger von 2014 bis 2015 von 59.702 auf 73.373. Bei den Bulgaren gab es ein Plus von 3665 auf 19.607 Menschen.

Doch das ist nicht alles. So ist auch die Zahl der Einpendler in einem Jahr um 24,2 Prozent auf 147.752 Menschen gestiegen. Bei Einpendlern handelt es sich um Personen, deren Hauptwohnsitz nicht in Österreich liegt, die aber bei uns sozialversichert sind und einer selbstständigen oder unselbstständigen Beschäftigung nachgehen.

Der starke Zustrom hält an.
Die meisten Einpendler (37.793) stammten zuletzt aus Ungarn, gefolgt von Slowaken (34.047). Auf Platz drei lagen die Deutschen (26.505), gefolgt von Rumänen, Slowenen und Tschechen.

Der starke Zustrom nach Österreich wird auch in den nächsten Jahren anhalten. So geht das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo davon aus, dass die Zahl der ausländischen Beschäftigten bis 2020 von 615.000 Menschen heuer auf 764.000 steigen wird. Allerdings weist diese Prognose viele Unsicherheitsfaktoren auf. Denn es ist unklar, wie viele Flüchtlinge in den nächsten Jahren tatsächlich nach Österreich kommen werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit Deutschland. Denn Deutschland hat einen wesentlich größeren Zustrom von Asylwerbern und osteuropäischen Jobsuchenden zu verkraften. Trotzdem sank dort die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit 24 Jahren. Laut der deutschen Bundesagentur für Arbeit kletterte die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr um 96.000 auf 610.000. Österreich hat zehnmal weniger Einwohner als Deutschland. Demnach sollte es bei uns eigentlich 61.000 offene Stellen geben. Doch tatsächlich waren es nach Angaben des Arbeitsmarktservice zuletzt nur 31.021.

Was macht Deutschland besser? „Wir haben in Österreich massive strukturelle Probleme“, meint Professor Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien. „Bei uns gibt es kein beschäftigungsfreundliches Klima.“

Neben den hohen Lohnnebenkosten kämpfen die Firmen auch immer mehr mit Vorschriften und Auflagen, die einen immensen administrativen Aufwand verursachen.

Das unternehmerfeindliche Klima in Österreich zeigte sich zuletzt bei Zielpunkt. Nach der Pleite schossen sich Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Sozialminister Rudolf Hundstorfer auf den früheren Zielpunkt-Eigentümer Pfeiffer ein. Diese Anfeindungen seien „unfassbar“, kritisiert Johannes Nejedlik, Chef vom Kreditschutzverband KSV 1870.

Die Aussichten für den Jobmarkt sind düster. Alle Experten erwarten eine Verschlechterung. 2014 lag in Österreich die Arbeitslosenquote bei 8,4 Prozent, heuer kletterte sie auf 9,1 Prozent. Das Institut für Höhere Studien prognostiziert für 2016 einen Anstieg auf 9,5 Prozent, das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) auf 9,7 Prozent. Das Arbeitsmarktservice geht sogar von einer Quote von zehn Prozent aus.

Industrie 4.0 als Herausforderung.
Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, fordern Experten von den Sozialpartnern und der Regierung einen Masterplan zur Bewältigung der Jobkrise.

Denn die bisherigen Reformen wie die Einführung einer Bonus-Malus-Regelung, die Anreize für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer schaffen soll, reichen nicht aus. Schließlich steht mit der Industrie 4.0 und später Industrie 5.0 schon die nächste industrielle Revolution vor der Tür. Die zunehmende Digitalisierung und der technologische Wandel werden den Arbeitsmarkt umwälzen.

Erste Vorboten zeigen sich in der Finanzbranche. Weil immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte digital erledigen, sind viele Filialen überflüssig. In Österreich gibt es derzeit noch 75.000 Bankmitarbeiter. Davon könnte in den nächsten vier bis fünf Jahren ein Drittel verloren gehen, schätzt die Nationalbank.

Um Herausforderungen wie die Industrie 4.0 zu bewältigen, bedarf es einer nationalen Bildungsoffensive. Denn eine fundierte schulische und berufliche Ausbildung wird noch wichtiger. Zugleich verlangt die Wirtschaft flexiblere Arbeitszeitmodelle. Zur Stärkung des Wirtschafts- und Industriestandorts sind auch weniger Regulierungen und eine Senkung der Lohnnebenkosten notwendig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2015)

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