Nur 113 Filialen der insolventen Handelskette Zielpunkt fanden einen Nachmieter. 1370 Mitarbeiter verlieren ihren Job.
Wien. Das Interesse war enorm: 150 potenzielle Käufer meldeten bei Masseverwalter Georg Freimüller in den vergangenen Wochen Interesse an einzelnen oder mehreren der 225 Filialen der insolventen Handelskette Zielpunkt an. Genau vor einer Woche gelang Freimüller ein Coup, der auf ein Happy End im größten Pleitefall dieses Jahres hoffen ließ: Er konnte für 113 Zielpunkt-Standorte 20 neue Betreiber finden. Darunter sind – nach inoffiziellen Informationen – auch die Handelsschwergewichte Rewe und Spar. Was noch mehr zählt: Für die 1350 Mitarbeiter konnte der Arbeitsplatz erhalten werden.
Für die restlichen 1250 der von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter in den Geschäften erfüllt sich das Weihnachtsmärchen aber nicht: Wie Freimüller am Montag bekannt gab, fanden sich für die schon bisher unverkäuflichen 112 Zielpunkt-Filialen trotz einer Nachfrist keine verbindlichen Angebote. Darunter sind allein 41 Geschäfte in Wien. Das Kartellgericht hat daher dem von Freimüller eingebrachten Schließungsantrag stattgegeben.
Auch die Zentrale sperrt zu
Insgesamt verlieren nun laut Gerhard Weinhofer von der Creditreform 1370 Beschäftigte ihren Job, weil auch die Zielpunkt-Zentrale im 23. Bezirk zugesperrt wird. Rechnet man die Folgeinsolvenzen wie jene des Fleischverarbeiters Schirnhofer auch noch dazu, dann hinterlässt der Zusammenbruch von Zielpunkt letztlich deutliche Spuren auf dem ohnedies sehr angespannten Arbeitsmarkt.
Schon ab Dienstag wird in den 112 Geschäften die Ware mit einem Rabatt von 50 Prozent abverkauft. Am Samstag werden diese Geschäfte zugesperrt. Damit ist Zielpunkt dann so gut wie Geschichte. Denn vier der einst 229 Filialen wurden schon gleich nach der Insolvenzeröffnung am 30. November zugesperrt. Nur die 113 Geschäfte, für die es neue Mieter gibt, sollen bis Ende Jänner offen halten: Bis dahin sollte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den Kauf der Standorte überprüft haben.
AK informiert heute
Die Arbeiterkammer Wien reagierte jedenfalls schnell auf die gestrige Nachricht von den Schließungen, nachdem sie damit schon gerechnet hatte: Sie hält heute um neun und um 13 Uhr im AK-Bildungszentrum (Theresianumgasse 16–18, 1040 Wien) eine Informationsveranstaltung für die von der Schließung betroffenen Zielpunkt-Mitarbeiter in Wien und der Zentrale ab.
Kann sich Freimüller trotz der hohen Arbeitsplatzverluste einen Erfolg auf die Fahnen heften? „Das ist ein sehr gutes Ergebnis angesichts der sehr kurzen Zeit und der an sich schon schwierigen Situation im Handel mit der hohen Konzentration“, sagt Weinhofer zur „Presse“. Um die Verluste für die Masse nicht zu erhöhen, hätte Freimüller die Filialen, für die es kein Interesse gab, auch nicht länger weiterführen können.
Immerhin ist es gelungen, unter anderem durch den Abverkauf der Ware so viel Geld zu lukrieren, dass die Dezembergehälter (2,5 Mio. Euro), die Mieten für Dezember und sämtliche Abgaben aus der Masse gezahlt werden können.
Die von Zielpunkt-Eigentümer Pfeiffer nicht mehr ausgezahlten Novembergehälter und das Weihnachtsgeld hat wie berichtet der Insolvenzfonds übernommen.
Freimüllers Arbeit ist aber noch lange nicht zu Ende, denn die rund 730 Gläubiger haben noch bis 11. Februar Zeit, ihre Forderungen anzumelden. Dann – und nach der Prüfungstagsatzung am 25. Februar, bei der die Werthaltigkeit der Forderungen geprüft wird – wird man erst genau wissen, ob die Gläubiger überhaupt Geld sehen werden – und wenn ja, wie viel das sein wird. Fest steht, dass Pfeiffer selbst der größte Gläubiger von Zielpunkt ist. Die Gruppe hat allein Verbindlichkeiten von 33,9 Mio. Euro gegenüber Pfeiffer, geht aus dem Insolvenzantrag hervor. Zumindest diese Summe muss Pfeiffer abschreiben.
Von der Pfeiffer-Gruppe bleibt nach der Megapleite nicht mehr viel übrig: Nach dem Wegfall von Zielpunkt und dem Verkauf des Großhandelsgeschäfts (C+C) bleiben vom Umsatz der Gruppe von 1,3 Mrd. Euro nur die Unimärkte und Nah&Frisch mit rund 380 Mio. Euro übrig. (eid/apa)
Auf einen Blick
Gut die Hälfte der von der Pleite betroffenen Mitarbeiter verliert ihren Job: Denn für die schon bisher unverkäuflichen 112 Filialen hat Masseverwalter Georg Freimüller auch in der Nachfrist keine Angebote erhalten. Die Geschäfte werden daher am Samstag zugesperrt, ebenso die Zentrale in Wien-Liesing. Damit verlieren 1370 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Für 113 Geschäfte wurden vorige Woche 20 neue Mieter gefunden. 1350 Mitarbeiter können dort weiterarbeiten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)