Steuerhoheit: Fein ist es in der Komfortzone

LANDESHAUPTLEUTE-KONFERENZ IN LINZ: GRUPPENBILD
LANDESHAUPTLEUTE-KONFERENZ IN LINZ: GRUPPENBILDAPA/ROBERT JAEGER
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Die Länder haben den Plan von mehr Steuerhoheit bereits wieder abgewürgt. Das sei vorerst nicht zu bewältigen, heißt es. Sie verteilen lieber weiter Geld, das vom Bund eingenommen wird.

So schnell kann es gehen. Mit einem kurzen Interview im ORF-Radio beendete der eben erst angetretene neue Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Salzburg-Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP), am vergangenen Wochenende eines der Herzensprojekte seines Parteikollegen und Finanzministers Hans Jörg Schelling: die Steuerhoheit für die Länder. Wie berichtet erklärte Haslauer, die Umstellung des Finanzausgleichs auf ein System, bei dem die Länder zumindest zum Teil ihre Ausgaben durch eigene Steuern decken, sei vorerst schlicht nicht zu bewältigen.

Damit desavouierte er nicht nur den Finanzminister, in dessen Büro man nur verwundert darauf verweisen konnte, dass das Thema eigentlich anhand von Berechnungen durch Experten des Finanzressorts Ende Jänner noch einmal im Lenkungsausschuss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besprochen werden soll. Er zeigte auch, dass sich wie so oft auch diesmal die Reformverweigerer und Bewahrer des Status quo ziemlich schnell durchgesetzt haben. Denn Widerstand gab es gegen die von Schelling zu Beginn der Finanzausgleichsverhandlungen im Frühjahr 2015 eingebrachte Idee von Anfang an. Nicht nur die Bundes-SPÖ und die rot regierten Länder zeigten sich sofort skeptisch. Auch der ÖVP-Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, sprach sich schon bald offen gegen mehr Rechte – aber auch mehr Verantwortung – für die Länder aus.


Das Hypo-Beispiel. Dies, obwohl das Gros der heimischen Ökonomen, wie etwa die Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller, schon seit Jahren dafür plädiert, dass es sinnvoll wäre, wenn jene, die Geld verteilen dürfen, auch für die Einhebung der dafür notwendigen Steuern verantwortlich sein sollen. Wer großzügige Geschenke an die eigene Bevölkerung verteilen will, muss im Gegenzug auch entsprechend hohe Landessteuern verlangen, so der einfach nachvollziehbare Gedanke. Die Steuerhoheit führt demnach quasi automatisch zu mehr Sparsamkeit und Effizienz in der Landesverwaltung als das gegenwärtige System, bei dem bis auf einige Bagatellabgaben der Bund den Großteil der Steuern einhebt und sie im Rahmen des Finanzausgleichs zu rund einem Drittel an die Länder und Gemeinden weiterreicht.

Zu welch aberwitzigen Situationen das derzeitige System führen kann, zeigt das Beispiel der Kärntner Hypo Alpe Adria und der Bankensteuer. Wie allgemein bekannt, hat sich die Hypo mit einem viel zu aggressiven Expansionskurs auf dem Balkan schwer übernommen. Möglich wurde diese rasante Expansion nur durch Ausgabe viel zu hoher Haftungen in zweistelliger Milliardenhöhe durch das Land Kärnten. Nur wegen dieser Haftungen musste die Hypo auch durch den Bund gerettet werden, wodurch für die Steuerzahler der Schaden erst schlagend wurde.

Nicht zuletzt wegen der Hypo entschied sich die Bundesregierung im Jahr 2011 dazu, die Bankensteuer einzuführen. Durch sie sollten sich die Banken als gesamte Branche an den Kosten der maroden Institute wie Hypo oder Kommunalkredit beteiligen. Über 600 Millionen Euro zahlten die heimischen Banken daher zuletzt an den Bund. Ein guter Teil dieses Geldes fließt allerdings sofort weiter an Länder und Gemeinden, obwohl diese für die Rettung der Problembanken keinen Cent ausgegeben haben. Sogar Kärnten, der Verursacher des Hypo-Problems, erhält somit durch die selbst verursachte Krise zusätzliche Steuereinnahmen.

Aber nicht nur diese Auswüchse sorgen zunehmend für Kritik am aktuellen System des Finanzausgleichs. Ökonomen erwarten sich durch die Steuerhoheit für die Länder auch einen weiteren positiven Effekt: Steuerwettbewerb. Im Oktober hat der liberale Thinktank Agenda Austria in Zusammenarbeit mit Ex-IHS-Chef Christian Keuschnigg eine Studie zu dem Thema vorgelegt. Die Kernaussage: Wenn die Länder aufgrund unterschiedlicher Einkommen- oder Körperschaftsteuersätze um Einwohner oder Unternehmen buhlen müssen, strengen sie sich besonders an, ein positives Umfeld für diese zu schaffen. In Summe versprechen sich die Ökonomen daher sogar einen BIP-Effekt von 1,7 Prozent und ein gleichzeitiges Sinken der Steuersätze um 1,5 Prozentpunkte.


Wettbewerbsangst. Doch es ist wohl genau dieser mögliche Wettbewerb, der die heimischen Landeshauptleute im Mark erschüttern lässt, würde er sie doch zu konstanter Effizienzsteigerung im eigenen Bereich zwingen. Dass ein solcher Wettbewerb nicht zum oft befürchteten „Lizitieren nach unten“ führen muss, beweist die Schweiz, in der die 26 Kantone bereits Steuerhoheit haben. Dort gibt es weiterhin einen Finanzausgleich, allerdings zwischen reichen und armen Kantonen. Berechnungsbasis dafür sind jene Steuereinnahmen, die ein Kanton einheben könnte. „Ein Kanton kann also nicht zulasten von anderen Steuerwettbewerb machen“, so die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf im Vorjahr zur „Presse“.

Die Gegner von mehr Steuerhoheit bringen aber auch noch ein zweites Argument vor: Österreich sei zu klein, um neun unterschiedliche Steuersätze bei einer Steuer haben zu können. Das würde nur unnötige Bürokratie bringen. Das kann natürlich so sein, muss es aber nicht, wie die Studie „Paying Taxes“ der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei PricewaterhouseCoopers zeigt. Demnach muss ein durchschnittliches Unternehmen in der steuerlich zerklüfteten Schweiz zwar 19 verschiedene Steuern bezahlen, in Österreich nur zwölf. Dennoch geht das in unserem westlichen Nachbarland wesentlich effizienter. Dort benötigen die Mitarbeiter der Firma lediglich 63 Arbeitsstunden für die Bürokratie. Hierzulande sind es mit 166 mehr als doppelt so viele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2016)

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