Das Geschäftsmodell Integration

Jacob Wagner (li.) und Dominik Beron gründeten gemeinsam mit einem Freund ihr zweites Sozialunternehmen innerhalb eines Jahres.
Jacob Wagner (li.) und Dominik Beron gründeten gemeinsam mit einem Freund ihr zweites Sozialunternehmen innerhalb eines Jahres.Die Presse
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Das Sozialunternehmen Refugeeswork.at will Volontariatefür Flüchtlinge vermitteln – und so die Integration in den Arbeitsmarkt bereits vor Erhalt des Asylbescheids ermöglichen.

Dominik Berons Unternehmen ist ein Kind seiner Zeit. Genau wie sein Gründer. Und genau wie dessen allererstes Projekt. Doch von Beginn an: Der 24-jährige Jus-Doktorand startete noch während seines Magisterstudiums das Unternehmen Alltagshelden, das Freiwillige mit Know-how und gemeinnützige Organisationen zusammenbringt, um diesen so normalerweise unleistbare Projekte zu ermöglichen. Aus eigener Not heraus, wie er erzählt. Den Juristen störte, dass er nur Zeit oder Geld spenden konnte, nicht aber Fachwissen. Im Frühjahr 2015 gründete er mit seinen zwei Freunden, dem Volkswirt Jacob Wagner und dem Programmierer Christoph Hauer, flugs besagtes Alltagshelden, Ende September lief der Betrieb an. Seitdem vermittelte man freiwillige Arbeit im Wert von 80.000 Euro.

Irgendwann im Laufe der Kundenakquirierung kam ein Firmenchef auf die drei zu. Warum man eigentlich keine Stellen für Flüchtlinge vermittle? Er würde sofort einen aufnehmen, kenne noch zehn weitere Interessenten. „Das ist im Endeffekt ja eigentlich sehr ähnlich und würde funktionieren, dachten wir uns damals“, erzählt Beron. Infrastruktur, Kontakte, Software – alles Nötige war durch die vorangegangene Gründung vorhanden. Worauf sich andere Monate bis Jahre vorbereiten, nahm so in wenigen Wochen Gestalt an: Im Oktober war die Idee geboren, Anfang Dezember schrieb Beron über Nacht eine Vereinssatzung, und man ging mit einer Crowdfunding-Kampagne, Homepage und Facebook-Seite an die Öffentlichkeit. Die Onlineplattform Refugeeswork.at war geboren. Ihr Ziel: möglichst viele Volontariate an Flüchtlinge vermitteln.


Zwei Fliegen mit einer Klappe. Kooperationen mit der Bildungsinitiative Prosa oder dem gemeinnützigen Verein Hilfswerk standen nach kurzer Zeit. Auch das Mentoringprogramm für Flüchtlinge der österreichischen Wirtschaftskammer konnte man für eine Partnerschaft gewinnen. „Sehr oft hatte ich mit Alltagshelden Termine und habe Refugeeswork.at gleich mit vorgestellt. Im Endeffekt waren die Leute begeistert, wenn nicht sogar begeisterter von Refugeeswork.at“, erzählt Beron.

Man könnte das Unternehmen als private Vorfeldinitiative zu medial präsenten Projekten wie den Flüchtlings-Kompetenzchecks des Arbeitsmarktservices (AMS) beschreiben. Sein Vorteil: Refugeeswork.at setzt dort an, wo dem AMS die Hände gebunden sind. Anders als dieses nimmt es sich nicht nur Flüchtlingen mit gültigem Asylstatus, sondern auch Asylwerbern an. Denn das untätige Warten, erzählt Beron nach unzähligen Gesprächen mit Betroffenen, sei das Zermürbende: „Bis der Asylbescheid kommt, dauert es sechs bis neun Monate, teils viel länger. Danach wird es natürlich schwierig, die Leute in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“ Trotz aller Empathie für die Einzelschicksale weiß auch er um den Druck, der in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit auf Politik und Unternehmen lastet. Insofern betont er diplomatisch: „Es ist nicht unser Ziel, die Leute in einen 3000-Euro-Job zu bringen, sondern, ihnen früh zu ermöglichen, sich sozial wie beruflich zu integrieren.“

Aufgrund der Entscheidung, die Vermittlungsplattform allen Flüchtlingen zugänglich zu machen, muss das mittlerweile auf sieben Personen angewachsene Team aber einige juristische Klippen im Auge behalten. Denn Asylwerber dürfen ausschließlich reine Volontärsarbeiten verrichten. Was bedeutet: dreimonatige Ausbildungsverhältnisse, ohne Entgeltanspruch, nur nach vorangegangener Anzeige beim AMS. Ansonsten drohen Verwaltungsstrafen. Unternehmen können auf der Plattform entweder Volontariate inserieren oder eine gezielte Talentesuche anhand von Kriterien wie Berufsbranche, Sprachkenntnissen oder Asylstatus starten, die mit passenden Profilen verknüpft wird.

Eine Woche nach Unternehmensgründung hatte man 300 Newsletter-Abonnenten, nach einem Monat mehr als 1000, darunter Flüchtlinge wie Unternehmer. Dabei hat die Werbeoffensive noch gar nicht begonnen. Ende Jänner, wenn die Crowdfunding-Finanzierungsrunde beendet ist und alle Unterlagen vorbereitet sind, will man mit der Kundenakquirierung richtig beginnen. Und sobald die Plattform eine akzeptable Größe und Durchmischung sowohl auf Angebots- als auch Nachfrageseite erreicht hat, ist geplant, niederschwellige jährliche Beiträge von den Firmen einzuheben. Beron: „Das hat auch den Sinn, das Ansehen von Flüchtlingen zu heben – wenn man für etwas zahlt, ist es gefühlt mehr wert.“ Im Gegenzug werden die Mitglieder mit Formularen und Leitfäden zu Anmeldung und Ausbildung ihrer Volontäre versorgt. Wie man verhindern will, dass diese de facto doch zu Arbeits- statt Ausbildungstätigkeiten eingesetzt werden? Feedback-Fragebögen und persönliche Gespräche mit den Flüchtlingen sollen helfen. Ebenso die drohenden Strafen. „Und an Branchen wie das Baugewerbe, wo klar ist, dass nur Arbeit möglich ist, vermitteln wir gar nicht“, stellt Beron klar.


Angebot soll weiter wachsen. Er denkt bereits einen Schritt weiter: Falls das System Anklang auf Unternehmerseite findet, will man zukünftig auch freiwillige soziale Jahre, Lehrstellen, aber auch Arbeitsplätze für Asylberechtigte vermitteln. Neben allen Zukunftsplänen für Refugeeswork.at und seinem Doktoratsstudium leitet Beron nach wie vor seinen Erstling Alltagshelden. „Die beiden haben miteinander aber nichts zu tun – bis darauf, dass das Team teils das gleiche ist“, beeilt er sich zu betonen. Aufgeben will er auch dieses Projekt nicht. Schlaf sehen er und seine Kollegen dieser Tage dementsprechend wenig. „Die Selbstständigkeit bedeutet viel mehr Arbeit als ein Job in einer Großkanzlei“, so die Einschätzung des Juristen, der versuchsweise auch schon eine Karriere in letzterem Bereich angefangen hatte. Dennoch: Er sei als Leiter zweier junger Sozialunternehmen das erste Mal komplett glücklich mit seinem Beruf. Und sollte alles doch nicht funktionieren wie gehofft, ist laut Beron eines sicher: „Es war sinnvoll – egal, was passiert.“

Daten & Fakten

Refugeeswork.atist eine Anfang Dezember ins Leben gerufene Initiative des Vereins Integrationswerk. Dahinter stehen Jurist Dominik Beron, Volkswirt Jacob Wagner und Programmierer Christoph Hauer.

Die drei gründeten vergangenen Frühling bereits gemeinsam das Sozialunternehmen Alltagshelden, das freiwillige Helfer und NGOs zusammenbringt.

Über ihre Onlineplattform wollen sie Flüchtlinge für Volontärsjobs an Unternehmen vermitteln.

Dabei sollen Kooperationen mit dem Mentoringprogramm für Flüchtlinge der WKO sowie Partnerschaften mit gemeinnützigen Vereinen wie dem Hilfswerk oder der Bildungsinitiative Prosa helfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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