Österreichs Silberlinge als Schmugglerhit

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Deutsche holen mit Philharmonikern ihr Schwarzgeld heim. Das behauptet zumindest „Spiegel Online“, von wo aus der legale Trick am Mittwoch an die Öffentlichkeit drang.

Wien (gau). Alle lieben die Philharmoniker-Münzen der Münze Österreich. Inländer schätzen sie als krisenfeste Wertanlage, die selbst bei einer Hyperinflation ihren Glanz nicht verlieren würde. Bei den Japanern wecken sie walzerselige Erinnerungen an das letzte Neujahrskonzert im Musikverein, dessen Orgel auf der Vorderseite prangt. Die Deutschen aber reiben sich die Hände, weil ihnen die silberne Version als willkommenes Vehikel dient, um in Österreich gebunkertes Schwarzgeld zu repatriieren.

Das behauptet zumindest „Spiegel Online“, von wo aus der legale Trick am Mittwoch an die Öffentlichkeit drang. Die Nachricht schlug große Wellen. Das ZDF schickte sogar umgehend ein Drehteam zur Münze nach Wien. Damit haben die deutschen Medien Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wohl wieder einmal zornig, die bayerischen Zollfahnder ungewohnt nervös und viele Steuerflüchtlinge sehr neugierig gemacht.

Wer nämlich als Deutscher in den letzten Jahren sein Geld lieber nach Österreich als an den Fiskus transferiert hat, sieht heute voller Sorge das schützende Bankgeheimnis bröckeln. Bevor es ganz einstürzt, bringen viele ihr Schwarzgeld lieber nach Hause. Beträgt die transportable Barschaft aber mehr als 10.000 Euro, ist sie bei einer (seltenen) Stichprobenkontrolle der Zollfahnder zu deklarieren und kann widrigenfalls beschlagnahmt werden.

Nur ein Zehntel der Fahrten

Um das zu verhindern, wäre der Betrag zu stückeln. Ein deutscher Steuersünder, der eine Mio. Euro außer Landes gebracht hat, müsste ganze hundertmal nach Österreich und zurückfahren – und hätte damit rein subjektiv wohl schon einen Gutteil seiner Sünden abgebüßt. Hier setzt, wie ein Silberstreif am Horizont, der silberne Philharmoniker ein. Sein aktueller Marktwert liegt bei 15,60 Euro. Doch nebenbei hat er auch die einzigartige Eigenschaft, als gesetzliches Zahlungsmittel mit einem Nennwert von 1,50 zu gelten – und mit diesem zwar nur theoretischen, aber in die Münze eingeprägten Wert fällt er unter die deutschen Einfuhrbestimmungen. Das reduziert die Zahl der erforderlichen Schmuggelfahrten auf ein Zehntel.

Freilich macht sich jeder kontrollierte Münztourist verdächtig. Doch nicht nur deshalb wundert sich Münze-Vorstand Gerhard Starsich über die „überraschende“ Zweckentfremdung seines Erfolgsprodukts. Denn mit der Grenzüberschreitung verliert das runde Edelmetall gleich einen Teil seines Werts: In Österreich wird ihm – anders als bei der goldenen Variante – eine Umsatzsteuer von 20 Prozent aufgeschlagen, in Deutschland nur sieben Prozent. „Es muss schon um tiefschwarzes Geld gehen, damit ein Steuerhinterzieher diesen Verlust in Kauf nimmt“, grübelt Starsich.

Ob sich unter die lauteren Kaufabsichten nun unlautere mischen oder nicht: Die Anlagemünzen sind in der Krise ein Verkaufshit. Wer zu Papiergeld und Wertpapieren kein Vertrauen hat und sich ganze Barren nicht leisten kann, greift zu ihnen. 5,1 Mio. silberne Philharmoniker und über eine Mio. goldene wurden bis Ende Mai verkauft. Damit sind die Rekordzahlen von 2008 bereits zum Halbjahr überschritten. Nur die US-Münzanstalt verkauft mehr.

Der Lohn der Werbung

Münzen als Wertanlage statt als Sammlerstücke – das ist eine Marketingidee von 1989, um die Österreichs Präger von vielen Kollegen zähneknirschend beneidet werden. Zu spät: „Die Margen sind extrem eng“, erklärt Starsich, „man muss das Produkt also international massiv vermarkten, damit es ein Geschäft wird.“ Heute, in der Krise, geht das Konzept voll auf – auch ohne deutsche Steuersünder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2009)

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