Registrierkassenpflicht: Weniger Taxis für Wien

Der Wiener Taximarkt bekommt die Registrierkassenpflicht deutlich zu spüren.
Der Wiener Taximarkt bekommt die Registrierkassenpflicht deutlich zu spüren.Die Presse
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Die Registrierkassenpflicht hat sich auch auf die Wiener Taxiszene ausgewirkt. In den nächsten zwei Jahren soll es 25 bis 30 Prozent weniger Taxis geben.

Kurz vor Weihnachten 2015 war es ein wichtiges Gesprächsthema auf der Rückbank der Taxis in Wien. „Ich hör dann auf“, „Ich habe keine Ahnung, wie ich dann überleben soll“, war von vielen Fahrern zu hören, wenn man nach dem Befinden fragte. Während sich so mancher Wiener auf Silvester und das Jahr 2016 freute, hing in der Taxibranche kollektiv der Haussegen schief. Und Schuld daran war natürlich: die Einführung der Registrierkassenpflicht.

Bis Ende 2015 war es gang und gäbe in der Branche, schwarz zu arbeiten. Da gab es Taxifahrer, die sich geringfügig anstellen ließen, aber viel mehr fuhren. Andere, die zwar voll angestellt waren, aber mit ihrem Chef nicht den vollen Umsatz versteuerten. Vom Studenten über den Pensionisten bis hin zum professionellen Fahrer – jeder wusste, dass es anders lief als auf dem Papier, auch wenn niemand darüber sprach. Bis zu 2000 Euro netto habe ein guter Fahrer schon machen können, wenn er fleißig gewesen sei, sagt einer, der nicht genannt werden will. Begünstigt hat das nicht nur der Wunsch nach mehr Geld, sondern auch der niedrige Kollektivvertrag von 1100 Euro brutto bei 55 Stunden. Oder wie es ein Taxler ausdrückt: „Mit der Mindestsicherung würde ich mehr im Monat haben. Noch dazu habe ich zwei Kinder.“

Jetzt kommt die Abrechnung. „Über die Jahre haben sich zwischen Fahrern und Unternehmern gewisse Methoden entwickelt“, sagt dazu der Wiener Taxi-Innungsobmann, Gökhan Keskin, zur „Presse am Sonntag“. Das Thema ist ihm hörbar unangenehm. Die Konsequenzen für die Branche sind bereits spürbar. Wenn auch noch nicht im vollen Ausmaß. 240 Fahrzeuge wurden laut Keskin in Wien seit Anfang des Jahres abgemeldet. Der große Schwung wird nach der Übergangsfrist bis Juli 2015 wohl noch kommen. „Wir schätzen, dass es in den nächsten zwei Jahren 25 bis 30 Prozent weniger Taxis in Wien geben wird“, sagt Keskin. Für den Wiener Taximarkt würde das rund 1250 bis 1500 Taxis weniger bedeuten. Mit Ende 2015 gab es rund 5000 Fahrzeuge. So viele wie noch nie.

Bei einem Lokalaugenschein ist der Frust der Taxifahrer deutlich spürbar. „Ich werde mit Fahren aufhören. Es geht sich einfach nicht mehr aus“, sagt Sorin, der an einem Taxistand im 16. Bezirk auf seinen Einsatz wartet. Auch Ali B. hat mit dem neuen System zu kämpfen. „20 Prozent der Fahrer in meiner Firma haben aufgehört“, sagt er. Er hat durch die Registrierkasse 200 Euro im Monat weniger. Nur mehr 1300 statt 1500 Euro. „In der Baubranche verdienst du 40 Euro in der Stunde. Wir verdienen vier“, beschwert er sich. Überall in der Transportbranche gebe es Subventionen, etwa für die ÖBB. Für die Taxis gebe es aber nichts.

Die guten Zeiten sind vorbei. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt schon lange nicht mehr. Nur mehr die Leistung“, moniert auch Mustafa. Der Taxifahrer ist seit 25 Jahren im Geschäft, hat vor allem zu Beginn seines Berufslebens gut davon gelebt. 4000 Euro brutto zu den besten Zeiten. Danach sei es mit jedem Jahr weniger geworden. „Ich werde auch sicher aufhören. Eine Putzfrau verdient mehr als ich“, schimpft er vor sich hin. Seine Firma sei in den vergangenen Wochen von 25 Autos auf 15 geschrumpft, weil so viele Fahrer aufgehört hätten. Diese landen dann freilich beim AMS. „Was bringt das? Der Finanzminister kassiert zwar mehr Millionen an Steuergeldern, aber dafür braucht es mehr Sozialleistungen. Man muss sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt ja nur ansehen“, kritisiert er.

Tatsache ist, dass es schon vor der Registrierkassenpflicht nicht gut um den Wiener Taximarkt stand. Mit seinen rund 5000 Fahrern galt er lange als überhitzt. „Die Unternehmen, die überbleiben, werden weiterhin ein gutes Geschäft machen“, sagt Keskin. Der Markt werde gesundgeschrumpft.

Um den Umbruch etwas abzufedern, hat man in der Innung neue Bezahlmodelle entwickelt und den Kollektivvertrag neu verhandelt. 100 Euro mehr, also 1200 brutto, soll es für Taxifahrer ab 2017 laut Kollektivvertrag geben, weiters Anreize über Prämiensysteme. Die Fahrer, die viel fahren, sollen mit Prozenten belohnt werden. Sehr viele Firmen dächten schon in diese Richtung um, sagt Keskin. Langfristig sei das neue System für die Branche sicher besser. „Das muss man jetzt halt durchstehen“, fügt er hinzu.

Das Finanzministerium liest mit. Technisch funktioniert die Registrierkasse im Taxi übrigens so, dass mithilfe einer digitalen Signatur im Taxameter die eingenommenen Beträge automatisch online an das Finanzamt weitergeleitet werden. Auf alle Fälle ist die Registrierkasse jedoch nicht die einzige Sorge der Wiener Taxibranche. Auch das amerikanische Start-up Uber, das in Österreich Mietwagenchauffeure mit Kunden vernetzt (und Fahrten oft zu einem deutlich billigeren Preis anbietet), drängt auf den Markt. Das schmeckt der Branche nicht, auch wenn man immer wieder betont, dass man nichts gegen fairen Wettbewerb habe. Die Taxifunkzentrale 40100 sowie die Wirtschaftskammer haben jedenfalls je eine Anzeige gegen das Start-up eingebracht. Erstens, weil Uber laut der Funkzentrale 40100 in Österreich für die Vermittlung von Fahrten keine Berechtigung habe. Zweitens, weil das Unternehmen nach Wegstrecke und Zeit verechne, das dürfe man im Mietwagengewerbe aber nicht. Uber selbst, das auch in anderen Ländern mit Widerstand zu kämpfen hat, wird das wohl nicht stoppen. Der Geschäftsführer von Uber Österreich, Andreas Weinberger, sagt im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, dass der Fahrtendienst in Zukunft weiter ausgebaut werden soll. Man sehe sich auch nicht als Konkurrenz der Taxiunternehmer. „Uber erweitert einfach das Angebot.“

Zahlen

4952Taxis waren in Wien Ende 2015 gemeldet. Im Vergleich zu anderen Städten ist das sehr viel.

240Fahrzeuge wurden in den ersten Wochen des Jahres 2016 bereits abgemeldet. Das liegt an der Einführung der Registrierkasse. Die Innung rechnet damit, dass sich die Zahl der Taxis in den nächsten zwei Jahren in Wien deutlich reduzieren wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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