Leben im Wohnwagon: Wie viel es wirklich braucht, um sich wohlzufühlen

Ein Wohnwagon misst maximal 2,5 mal zehn Meter. Die begrenzte Fläche wird bis auf das Dach hinauf ausgenützt.
Ein Wohnwagon misst maximal 2,5 mal zehn Meter. Die begrenzte Fläche wird bis auf das Dach hinauf ausgenützt. Stanislav Jenis
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Zwei Wiener machten die Probe aufs Exempel: auf 2,5 mal 10 Metern. Für 45.000 Euro ist man dabei - doch dann muss man erst einmal basteln.

Wer bei Wohnwagon an Camping, öffentliche Sanitäranlagen und den Bierbauch des Campingplatznachbarn denkt, liegt weit daneben. Ein Wohnwagon hat mit dem gewöhnlichen Camper nur wenig gemeinsam. „Es ist kein Campingprojekt, sondern ein Tiny House, ein kleines Haus eben“, meint Christian Frantal, einer der Gründer des Wiener Unternehmens Wohnwagon.

Auf bis zu 25 Quadratmetern entsteht per Handarbeit ein autarker Wohnraum aus natürlichen Materialien. Aus Lärche, Fichte, Lehmverputz und Schafwolldämmung wird ein gemütlicher Wohnort mit angenehmem Raumklima. Alle verwendeten Materialien kommen aus der Region und haben eine möglichst geringe Klimabilanz. „Ich steh auf eine regionale Wertschöpfungskette“, so der Firmengründer.


Mithelfen erwünscht.
Ein Wagon kann als Rohbau zum Selbstbasteln – nur mit Fahrgestell, Holzaufbau, Dachabdeckung und Fenstern – bestellt werden. Kostenpunkt: circa 45.000 Euro. „Wir fordern jeden auf, einmal selbst Hand an seine Möbel zu legen. Trau dich, etwas selbst zu machen“, sagt Frantal. Er ist selbst Handwerker und Künstler. Um sich am eigenen Wohntraum aktiv beteiligen zu können, bietet Wohnwagon eigene Workshops an.

Bestellt werden kann aber auch eine vollausgestattete, möblierte und vor allem vollkommen autarke Version. Bei dieser wird auf dem Flachdach Regenwasser aufgefangen, in Tanks gespeichert und als Wasserversorgung für Dusche und Wasserhahn verwendet. Das benutzte Wasser wird anschließend auf dem Dach durch ein Pflanzenaufbereitungssystem geleitet. Die Pflanzen, in einer bestimmten Reihenfolge eingesetzt, reinigen mithilfe von Mikroorganismen das Wasser, sodass am Ende sauberes Wasser entsteht. Um es als Trinkwasser nutzen zu können, benötigt es noch einen Filter. „Die wirklich Harten sagen, sie trinken es einfach so, ohne Filter“, meint Frantal und lacht. Eine Biotoilette produziert Dünger – angeblich geruchsfrei.

Das Flachdach des Wohnwagens ist außerdem mit Fotovoltaikpaneelen zur Stromgewinnung und einer Solaranlage bedeckt. Je nach Standplatz und Sonneinstrahlung kann – wenn notwendig – zur Stromversorgung auch noch ein kleines Windrad am Dach angebracht werden. „Im November und Dezember hatten wir nicht so viel Sonne, dass es wirklich für die ganze Stromversorgung reichte. Mit einem kleinen Windrad geht es sich dann aber sicher aus“, erklärt Frantal.


Büro, Haus oder Gastronomie.
Wem der Wohnwagon allein zu wenig Platz bietet, der kann noch einen Erker anbauen lassen. „Damit hat man drinnen mehr Platz und zusätzlich die Möglichkeit für eine Dachterrasse“, sagt Frantal. Da ein fest angebauter Erker beim Transport umständlich ist, gibt es die Variante eines „Slide-in-Erkers“. Der Erker kann auf Schienen in den Wagon hineingeschoben werden.

Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielfältig: Als Ferienhaus, als Gastrostand, als Büro im Grünen oder Dauerwohnort werden sie bereits genutzt. Wobei dauerhaft dann doch nicht ganz stimmt. „Man kann den Standort, die Aussicht verändern“, sagt Frantal. Ein Wohnwagon ist zwar nicht so mobil wie ein Campingwagen, aber doch immerhin „halbmobil“, wie es der enthusiastische Firmengründer beschreibt. „Es ist eine Art des Wohnens, die draußen stattfindet“, ist Frantal überzeugt. „Man lebt in und mit der Natur um sich herum.“

Das Unternehmen stößt nicht nur bei Waldkindergärten auf Interesse, auch Technikbegeisterte fragen immer wieder bei Wohnwagon an. „Wir haben viel herumgetüftelt. Unsere Technik ist der State of the Art“, erklärt der Firmengründer stolz. Viele Module, die für einen autarken Wohnwagon verwendet werden, können bei diversen anderen Projekten genutzt werden. Interesse daran gibt es großes, erzählt Frantal.

Im Moment entsteht auf dem Produktionsgelände ein autarkes „Hotelzimmer“ für ein Vier-Sterne-Ressort. Die Kosten für die Luxusvariante: 120.000 Euro. Das Hotelzimmer ist vollkommen autark, hat zusätzlich einen Holzofen zum Heizen und einen besonderen Holzboden. Er stammt aus einem alten Wirtshaus. „Der Boden ist circa 150 bis 200 Jahre alt“, erklärt Frantal. „Alte Böden können nur besser werden. Bei uns wird er speziell behandelt und aufbereitet, um noch viele weitere Jahre brauchbar zu sein.“


Crowdfunding: der erste Erfolg. Entstanden ist die Idee zum mobilen, autarken Wohnen vor einigen Jahren. Der Handwerker Christian Frantal und die PR-Fachfrau Theresa Steininger stellten sich gemeinsam die Frage: „Wie viel braucht man wirklich, um sich wohlzufühlen?“ Die Antwort: einen Wohnwagon.

Das Startkapital für das ambitionierte Vorhaben kam durch Crowdfunding zustande. Als erstes erfolgreiches Crowdfunding-Projekt in Österreich wurden 2013 mehr als 70.000 Euro bereitgestellt und damit der Bau des Prototyps finanziert. Bei einer zweiten Crowdfunding-Runde wurde mehr als das Doppelte eingesammelt. Damit wurde die Serienproduktion gestartet. „Wir wurden von Anfang an von der Crowd getragen“, freut sich Frantal.

Heute will Wohnwagon mehr als ein simples Unternehmen sein. Es soll ein Statement für reduziertes Wohnen, natürliche Materialien und regionale Handwerkskunst sein und das nachhaltige Wohnen der Zukunft inspirieren.

„Unsere Kunden haben alle ein Bewusstsein für Umwelt, Leben, Materialien – und vor allem Zeitbewusstsein“, sagt Frantal. Der Firmengründer ist der Meinung, dass viele Leute viel zu viel haben. Ihm geht es um das bewusste Besitzen von Dingen. Die heutige Wegwerfgesellschaft habe in seinen Augen keine Zukunft.

„Das ganze Plastik überall ist mir auf den Nerv gegangen“, erzählt der Handwerker. „So kann es nicht weitergehen.“

Steckbrief

Wohnwagonproduziert seit 2013 autarke Wohnwagons, die sich selbst mit Strom, Wasser und Heizung versorgen. Ideengeber und operativer Leiter ist Christian Frantal. Er betreibt das Unternehmen gemeinsam mit
PR-Fachfrau und Geschäftsführerin Theresa Steininger.

Das Unternehmen legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, natürliche Ressourcen und österreichische Handwerkskunst.

Zu finden in der Arnethgasse 42, 1160 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

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