Apotheker sperren sich gegen Arzneimittelverkauf in Drogerien

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Zu hohe Gesundheitsrisiken, warnt die Apothekerkammer vor einer Freigabe rezeptfreier Medikamente. Zudem sähe die Apotheker die Versorgungssicherheit gefährdet.

Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan, warnt "vehement" vor einem Verkauf von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken und wiederholt seine Forderungen aus einem Gespräch mit der "Presse" im November des Vorjahres. In einer von der Drogeriemarktkette dm nun geforderten Freigabe des Verkaufs von rezeptfreien Arzneimitteln sieht er eine Wettbewerbsverzerrung und eine Gefahr für die Gesundheit. Auch für die Versorgung wäre eine Marktöffnung "langfristig ein Problem".

Beim Online-Verkauf von Medikamenten, der derzeit nur von Apotheken betrieben werden darf, haben diese laut Wellan die Pflicht, aktiv nachzufragen, wenn sie Gesundheitsrisiken vermuten. Das sei mit der von dm geplanten Möglichkeit einer Hotline zu einem Pharmazeuten beim Verkauf in Drogerien gar nicht vergleichbar.

Bei jedem fünften Aspirin-Verkauf ergebe sich im Gespräch, dass es im konkreten Fall des Käufers falsch angewendet würde, erläutert Wellan. "Fragen Sie dann an der dm-Kassa nach bei Unverträglichkeiten, Schwangerschaft oder wenn sie morgen einen Zahnarzttermin haben, ob sie das Medikament einnehmen können?" Wenn die Medikamente in der Drogerie verkauft würden, die Beratung aber dann erst in der Apotheke erfolgen müsse, weil die Kassierin eben keine Pharmazeutin sei und die Fragen nicht beantworten könne, wäre das für den Apothekerkammer-Chef "Beratungsdiebstahl".

Kammer sieht Versorgung gefährdet

Der Apothekerkammer-Präsident sieht auch die Versorgung der Bevölkerung durch ein dichtes Netz an Apotheken in Gefahr. Würde man einzelne Produkte herausnehmen, die viel Umsatz generieren, wäre das eine "Wettbewerbsverzerrung". "Wer macht denn die Nachtdienste? Wer hat 4000 Medikamente auf Lager und nicht nur einige Renner? Wer stellt selbst Arzneimittel her? Wer betreut die Suchtkranken?" Alle diese Apothekertätigkeiten erfolgten im Interesse des Gemeinwohls, erinnert er.

Wellan fürchtet auch einen Verkauf von Arzneimitteln nach dem Multipack-Aktionen-Prinzip: "Kauf zwei Packungen, die dritte ist gratis." Die Apotheker wollten aber einen vernünftigen Umgang mit Arzneimitteln. "Medikamente gehören in die Apotheke. Jedes einzelne Medikament kann bei falscher Anwendung, bei falscher Dosierung oder falscher Kombination zu gesundheitlichen Problemen führen", betont Wellan.

Die Apothekerkammer verweist warnend auf Länder, wo Medikamente bereits jetzt über Supermärkte angeboten werden: Beispielsweise in den USA gingen aufgrund dieser unkontrollierten Abgabe bereits 28 Prozent aller Spitalsaufenthalte auf falsch eingenommene Arzneimittel zurück. Allein in Kalifornien gebe es pro Jahr 60 Lebertransplantationen bei Kindern wegen Paracetamol (ein dort im Supermarkt erhältliches Medikament) aufgrund von Überdosierung durch die Eltern.

In den 1.360 Apotheken in Österreich beraten knapp 6.000 akademisch ausgebildete Apothekerinnen und Apotheker in Gesundheitsfragen. Die Beratungskompetenz sei eine der zentralen Leistungen der Apotheker, betont Wellan.

Ob sich ein Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln für Nicht-Apotheken überhaupt lohne, sei außerdem ungewiss, meint Wellan und verweist auf die hohen Sicherheitsauflagen und behördlichen Kontrollen. "Der letzte, der einen freien Verkauf gefordert hat, war Schlecker."

(APA)

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