Schuldenabbau Österreichs wird Jahrzehnte dauern

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die Schulden der Republik werden heuer an der 200 Milliarden-Euro-Marke kratzen. Der Staatsschulden-Ausschuss verlangt die rasche Beseitigung der „Verschwendungspotenziale“ bei Bund und Ländern.

WIEN (ju).Die Staatsverschuldung explodiert in den kommenden Jahren – und wenn Österreich nicht beherzt mit Strukturreformen reagiert, wird es auf den internationalen Finanzmärkten in ein paar Jahren ernste Probleme bekommen. Das ist, kurz zusammengefasst, der Zustand der österreichischen Staatsfinanzen, wie ihn der Chef des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, am Mittwoch bei der Präsentation des jüngsten Staatsschuldenberichtes skizzierte.

Durch die Krise und die staatlichen Gegenmaßnahmen wird die Staatsverschuldung bis 2011 jedenfalls von derzeit 62,5 auf mehr als 80 Prozent des BIP hochschießen. Plastischer ausgedrückt: Die Staatsschulden, die im Vorjahr bei 162 Mrd. Euro lagen, dürften schon heuer auf 193,2 Mrd. Euro (70 Prozent des BIP) hochschnellen. Und kommendes Jahr noch einmal kräftig steigen.

Um diese Verschuldung wieder auf die Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent des BIP zu bringen, wären Jahrzehnte des Sparens notwendig: Bei einem durchschnittlichen Defizit von einem Prozent und einem nominellen Wirtschaftswachstum von zwei Prozent wäre die Sanierung dann 2071 abgeschlossen. Bei der (freundlichen) Annahme von einem Prozent Defizit und vier Prozent Wirtschaftswachstum würde es immer noch bis 2023 dauern. Verzögerungen durch unvermeidliche zwischenzeitliche Abschwungphasen nicht eingerechnet.

Felderer fordert die Regierung deshalb auf, schon in den kommenden Monaten ein tragfähiges Sanierungskonzept für die Staatsfinanzen zu erarbeiten, damit dieses nach dem Wiederanspringen der Wirtschaft 2011 oder 2012 sofort umgesetzt werden kann. Sollte Österreich auf dem hohen Schuldenniveau stehen bleiben, dann drohe nämlich die Gefahr, dass die internationalen Finanzmärkte das Land „abstrafen“. Was die Zahlungen für die Staatsschuld noch einmal beträchtlich verteuern würde.

Saniert werden müsse erst einmal ausgabenseitig, meinte Felderer. Schließlich gebe es im Gesundheitssystem und im Bereich der öffentlichen Verwaltung (besonders bei den Ländern) eine „Fülle von Verschwendungen“, die zwecks Budgetsanierung beseitigt werden könnten. Als Beispiele nannte Felderer das Förderwesen und die unterschiedlichen Dienst- und Pensionssysteme bei Bund und Ländern.

Wenn Einsparungen nicht reichen, seien vorübergehende Steuererhöhungen besser als ein „Sitzenbleiben“ auf dem hohen Schuldenberg. Felderer hatte vor Kurzem vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer vorübergehend anzuheben und war dafür von politischer Seite heftig kritisiert worden. Wohl deshalb wollte er diesen Vorschlag nicht wiederholen.

Dass das von der Regierung nach Brüssel gemeldete Budgetdefizit (heuer 3,2 und im kommenden Jahr 4,1 Prozent des BIP) halten wird, glaubt Felderer nicht: Der Finanzminister werde seinen Defizitplan im Herbst nach oben revidieren müssen. Die EU selbst schätzt für Österreich ja schon ein Defizit von heuer 4,2 und im kommenden Jahr mehr als fünf Prozent.“

„Firmen nicht vor Pleite retten“

Nichts abgewinnen kann Felderer den Versuchen, Unternehmen mittels Staatshilfe vor der Pleite zu retten. Frankreich und Deutschland (wo Opel und Quelle als Negativbeispiele herhalten) gingen da aber in eine andere Richtung. Konjunkturmaßnahmen sollten so gesetzt werden, dass sie die Produktivität verbessern. Bei der Rettung von schon vorher maroden Unternehmen trete dagegen genau das Gegenteil ein.

Abschreckendes Beispiel sei da Japan, das in den 90er-Jahren den Weg der Rettung unproduktiver Großunternehmen beschritten habe – und in jahrelange Stagnation verfallen sei. Unternehmen sollten nur gerettet werden, wenn ihre Probleme von „Marktversagen“ herrührten, nicht jedoch, wenn sie (wie bei Quelle) veraltete Geschäftsmodelle hätten oder (wie bei Opel) über mangelnde Produktivität verfügten. Auf die Frage, ob die AUA bei einem Scheitern des Lufthansa-Deals gerettet werden sollte, meinte Felderer, man habe das im Staatsschuldenausschuss „nicht besprochen“.

Wegen der Verschlechterung der Unternehmensbonitäten hat der international tätige Kreditversicherer Coface sein Rating für Österreich um eine Stufe auf „A2“ zurückgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2009)

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