Arbeitslose Ausländer: Kein Mythos

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Arbeitslosigkeit bei den Ausländern steigt stärker als bei den Inländern. Besonders hoch ist laut AMS die Quote bei Menschen aus der Türkei mit 19,8 Prozent.

Wien. Über kaum ein Thema wird in der Wirtschaft so kontrovers diskutiert wie über die Lage von Menschen aus dem Ausland auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Denn immer mehr Flüchtlinge suchen einen Job. Gleichzeitig gibt es einen starken Zuzug von osteuropäischen Arbeitskräften nach Österreich. Vor Kurzem hat Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm über die „Kronen Zeitung“ eine Kampagne gestartet, um den Andrang von Osteuropäern zu stoppen. Muhm ist ein wichtiger Berater von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Seinen Worten zufolge ist die Arbeitslosigkeit in Österreich „in höchstem Maß importiert“. Die Wirtschaftskammer lehnt Einschränkungen für osteuropäische Arbeitskräfte ab.

Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat am Dienstag nicht nur die jüngsten Arbeitslosenzahlen, sondern auch eine Analyse über Ausländer auf dem Arbeitsmarkt veröffentlicht. Inklusive Schulungsteilnehmer waren im Februar 475.931 Menschen auf Jobsuche. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 2,1 Prozent. Während in fast allen europäischen Ländern die Arbeitslosigkeit zurückgeht, steigt sie in Österreich auf einen neuen Rekordstand. Bei den Ausländern erhöhte sich die Arbeitslosigkeit um 9,5 Prozent. Bei den Inländern ging sie um 0,6 Prozent zurück. Bei den Ausländern ist das Plus teilweise auf die Flüchtlinge zurückzuführen. Im Februar waren beim AMS 22.140 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte gemeldet. Das ist um 55,1 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Tatsache ist, dass Österreich in der EU zu jenen Ländern mit einem besonders hohen Anteil von ausländischen Beschäftigten gehört. Laut AMS-Analyse gab es im Jahresdurchschnitt 2015 in Österreich 712.158 unselbstständige Erwerbspersonen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Das entspricht einem Anteil von 18,3 Prozent aller unselbstständigen Erwerbspersonen. Darunter versteht das AMS alle unselbstständig Beschäftigten und arbeitslose Personen, also das zur Verfügung stehende Arbeitskräftepotenzial. Vor 30 Jahren lag der Anteil von Ausländern bei 5,1 Prozent, im Jahr 2000 waren es bereits 10,5 Prozent.

Österreicher lieben Verwaltungsjobs

Die mit Abstand größte Ausländergruppe unter den unselbstständig Beschäftigten sind mit 14,8 Prozent die Deutschen. Muhm müsste also zuerst Restriktionen für die Deutschen fordern. Auf Platz zwei liegen die Ungarn mit 11,5 Prozent, gefolgt von Türken (8,7 Prozent) und Rumänen (6,2 Prozent). Interessant ist, wo die Österreicher und die Ausländer einen Job finden. Die unselbstständig Beschäftigten mit österreichischer Staatsbürgerschaft arbeiten häufig in der öffentlichen Verwaltung (18,7 Prozent).

Die Ausländer dagegen kommen meist in der Beherbergung und Gastronomie unter. Erst vor Kurzem klagte der Hotelier und Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn (Neos), dass sich bei ihm für Jobs in der Gastronomie mehr Ungarn als Österreicher bewerben. Tatsächlich arbeiten laut AMS-Statistik 27,2 Prozent aller Ungarn, die in Österreich einer Tätigkeit nachgehen, im Tourismus. Auch im Bereich Reinigung von Gebäuden, Straßen und Verkehrsmitteln sind viele Osteuropäer tätig.

Wie sieht es nun mit der Arbeitslosigkeit aus? Im Jahresdurchschnitt 2015 lag die Arbeitslosenquote von Ausländern mit 13,5 Prozent über dem gesamtösterreichischen Durchschnitt von 9,1 Prozent. Bei den Inländern verzeichnete das AMS eine Quote von 8,1 Prozent. Bei den Ausländern ist eine Differenzierung notwendig. Niedrig sind die Arbeitslosenquoten bei den Ungarn (6,7 Prozent) und Deutschen (7,5 Prozent). Dann folgen die Slowaken und Tschechen mit 8,9 Prozent. Dies hängt laut AMS damit zusammen, dass viele Ungarn und Slowaken nach Österreich einpendeln, aber ihren Wohnsitz im Ausland haben. Verlieren die Einpendler ihren Job in Österreich, sind sie in ihrem Heimatland arbeitslos gemeldet. In der österreichischen Arbeitslosenstatistik scheinen nur jene Ausländer auf, die auch ihren Wohnsitz in Österreich haben.

Besonders hoch sind die Arbeitslosenquoten bei den Rumänen (13,6 Prozent), den Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien (14,3 Prozent) und bei den Türken (19,8 Prozent). Der hohe Anteil von türkischstämmigen Migranten zeigt, dass hier die Integration teilweise nicht funktioniert hat.

Ein Sonderfaktor sind die Flüchtlinge. Die Arbeitslosenquoten von Personen mit russischer (36,6 Prozent), afghanischer (46,4 Prozent) und syrischer (74,7 Prozent) Staatsangehörigkeit sind so hoch, weil die Flüchtlinge noch nicht lang in Österreich sind. Laut OECD brauchen die meisten Asylberechtigten im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre, bis sie in den Arbeitsmarkt integriert sind.

AUF EINEN BLICK

In Österreich ist die Arbeitslosigkeit im Februar erneut gestiegen. Inklusive Schulungsteilnehmern waren 475.931 Menschen auf Jobsuche. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 2,1 Prozent. Österreich ist in der EU eine Ausnahme. Denn in der gesamten EU ist die Arbeitslosenrate auf den niedrigsten Stand seit Mai 2009 zurückgegangen, in der Eurozone sank sie auf den tiefsten Wert seit August 2011. Besonders gut ist die Lage in Deutschland. Dort ist die Zahl der Arbeitslosen so niedrig wie zuletzt im Jahr 1991.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

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