Klaus Hübner: "Das Steuersystem ist zu kompliziert"

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Klaus Hübner, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, kritisiert die Gesetzesflut in Steuersachen und verlangt eine dringend notwendige Strukturreform.

Wien. Eine radikale Vereinfachung der Steuergesetzgebung verlangt die Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Die jüngste Steuerreform habe das System nicht vereinfacht, sondern weiter verkompliziert, kritisierte der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner, im Gespräch mit der „Presse“. Die Komplexität des Steuersystems binde unnötig Ressourcen in den Unternehmen, was besonders kleineren Betrieben zu schaffen mache. Hübner: „Die Lohnverrechnung ist zu einer Geheimwissenschaft geworden.“

Schuld daran ist nicht zuletzt eine wie geölt laufende Gesetzesmaschinerie: Seit dem Jahr 2000 habe es insgesamt 422 Änderungen bei den Bundessteuergesetzen gegeben. Im Schnitt wird also jede zweite Woche eine Steuervorschrift novelliert.

Den größten Reformbedarf sieht Hübner in der völlig unübersichtlich gewordenen Lohnverrechnung, bei der es unterdessen rund 500 Einstufungsmöglichkeiten gebe. Das führe dazu, dass selbst Kleinstunternehmen mit ein, zwei Beschäftigten nicht mehr ohne Steuerberater auskommen.

Nicht, dass das für den Berufsstand schlecht ist – die Zahl der Steuerberater habe sich in 20 Jahren verdoppelt –, aber die Komplexität des Systems habe sich unterdessen als echter Wirtschaftshemmschuh herausgestellt. „Eine drastische Vereinfachung der Lohnverrechnung würde sich in den Betrieben wie eine Steuersenkung auswirken“ – und damit die Wirtschaft beleben, meint der Kammerpräsident.

Und wenn man schon zu reformieren beginne, dann solle man das gleich ordentlich machen, meint Hübner. Die Wirtschaftsprüfer wünschen sich beispielsweise die Zusammenfassung aller Lohnabgaben zu einer einzigen Dienstgeberabgabe. Lohnsteuer und Sozialversicherung sollten an eine einzige behördliche Stelle zu leisten sein, die Zahl der Beitragsgruppen in der Sozialversicherung solle radikal auf drei (Arbeiterkammermitglied, Nicht-Arbeiterkammermitglied, Pensionist) zusammengestrichen werden. Außerdem sei eine größere Entrümpelung des Gebührenrechts anzustreben.

Als direkten Standortnachteil Österreichs sieht Hübner die hohen Lohnnebenkosten: Ein österreichischer Betrieb zahle pro 100Euro Bruttoverdienst 36 Euro Lohnnebenkosten. Ein deutscher nur 28. Hier müsse es zu einer Senkung in mehreren Schritten kommen.

Wirtschaftshemmend ist laut Hübner auch die aufgeblähte Bürokratie. Hier könne man einmal damit anfangen, die 15 Sozialversicherungsträger vernünftig zusammenzulegen. Genau genommen würde man nur zwei Sozialversicherungen brauchen: eine für Selbstständige, eine für Unselbstständige.

Für dringend reformbedürftig hält Hübner die österreichische Form des Föderalismus mit neun eigenen Landesgesetzgebungen: „Dieser Faktor neun bringt das Land um.“ Zudem müsse man überlegen, ob vier Verwaltungsebenen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) notwendig seien. „Zwei oder drei Ebenen sind genug“, sagt Hübner.

Ob sich das alles umsetzen lasse? In der derzeitigen Situation, in der ein Koalitionspartner keinen Reformbedarf sehe, sei das unwahrscheinlich. Den großen Paukenschlag werde es also wohl nicht geben, weshalb man es mit kleinen Schritten versuchen müsse. Schrittweise Änderungen, etwa bei den Sonderausgaben oder im Gebührenrecht seien durchaus machbar. Und auch notwendig, denn die Stimmung in der Wirtschaft habe sich zuletzt rapid verschlechtert, und das hänge auch mit diesen Rahmenbedingungen zusammen.

Die jüngste, zu Jahresbeginn in Kraft getretene Steuerreform beurteilen die Wirtschaftstreuhänder wenig euphorisch. Die Lohnsteuersenkung sei insgesamt positiv gewesen, die Reform habe die Steuergesetzgebung für Unternehmen aber weiterverkompliziert. Und die Form, in der die Registrierkassenpflicht eingeführt worden sei, habe viele Unternehmer auch vor den Kopf gestoßen. Eine „Strukturreform, wie wir uns das wünschen“, sei das nicht gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2016)

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