Eurozone: Die dürren Jahre gehen zu Ende

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Operation gelungen, Patient tot? Diesmal nicht. Fast zehn Jahre nach der Krise stehen die Zeichen in Europa endlich wieder auf Aufschwung. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Inflation regt sich.

Wien.  Geriatrisch, schwach, komatös: Kaum ein negatives Adjektiv wurde in den vergangenen Jahren ausgelassen, um den miserablen Zustand der Wirtschaft in der Eurozone zu beschreiben. Während die USA, von denen die Finanzkrise ausging, sich schon länger auf dem Weg der Besserung befinden, hat diese in Europa auf sich warten lassen. Aber langsam tut sich etwas: Die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank greifen, Investitionen und Konsum ziehen an, mehr Menschen finden Arbeit – und sogar die Inflation regt sich langsam wieder.

Freilich: Ein Boom sieht anders aus, aber die Talsohle scheint durchschritten. Erstmals seit Langem sind eher externe als interne Faktoren für das weiterhin unspektakuläre Wachstum von heuer – voraussichtlich 1,6 Prozent – verantwortlich. Soll heißen: Die Exportnachfrage schwächelt, die Unsicherheit über Chinas Zukunft wirft Schatten. Innerhalb der Eurozone selbst darf aber aufgeatmet werden.

Niedrigste Arbeitslosenquote seit 2009

Nirgends ist das besser zu sehen als bei der Arbeitslosenquote. Sie ist in der Eurozone zuletzt auf 10,3 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit mehr als vier Jahren. Keine Frage, noch ist die Quote hoch – aber der Trend ist hier entscheidend. Nimmt man die EU-Staaten mit eigener Währung wie Tschechien oder Polen dazu, so sinkt der Wert sogar auf 8,9 Prozent. Das entspricht dem niedrigsten Wert seit Mai 2009.

Ein zweischneidiges Schwert ist der Ölpreis. Während die seit Anfang 2014 massiv gesunkenen Energiekosten sicherlich zu einer Entlastung von Unternehmen führen und die Kaufkraft der Konsumenten steigern, drücken sie weiterhin auf die Inflationsraten im Euroraum.

(c) Die Presse

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat darauf mit einem massiven Liquiditätsprogramm reagiert, das sie im März nochmals ausgeweitet hat. Damit soll ein Abdriften in die Deflation verhindert werden. Quantensprünge sind hier aber nicht zu erwarten. So geht die EZB selbst heuer nur von 0,1 Prozent Teuerung in der Eurozone aus – und erwartet erst nach 2018, dass ihr eigenes Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent erreicht wird. Der Weg dorthin scheint inzwischen aber geebnet. Der Ölpreis sollte sich im Lauf dieses Jahres auf einem neuen, niedrigeren Niveau stabilisieren. Gleichzeitig haben die EZB-Programme zumindest ein wenig zu einer Zunahme der Kreditvergabe durch die Banken geführt, was die Teuerung ebenfalls anschieben sollte.

In Zukunft will die Zentralbank auch Anleihen von großen Unternehmen kaufen – und nicht nur von Staaten. Das sollte die zuletzt aktivere Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter anschieben. Grund zur Hoffnung gibt zudem der Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Inflation.

Fällt die Arbeitslosigkeit, dann steigt die Inflation. Denn Menschen mit Jobs können auch mehr Geld ausgeben. Aber nicht nur diese. Auch die Staaten sind nach Jahren der Austerität wieder als Investoren zurückgekehrt. Zwar ist die jüngste Beschleunigung der Staatsausgaben in der Eurozone von 0,3 Prozent Wachstum im dritten Quartal 2015 auf 0,6 Prozent im vierten wohl in erster Linie auf die gestiegenen Staatsausgaben durch die Flüchtlingskrise zurückzuführen, aber dennoch fließt ein Teil dieser staatlichen Gelder in die Wirtschaft.

Die EZB hat die Kernstaaten der Eurozone (allen voran Deutschland) deswegen zuletzt dazu aufgerufen, mehr Investitionen zu tätigen – etwa in die Infrastruktur. Und zwar auch dann, wenn sie durch Schulden finanziert wären. Die Vorteile würden die Risken übertreffen – erst recht, da Deutschland derzeit kaum Zinsen zahlen müsste. Auch OeNB-Chef Ewald Nowotny hat diesen Rat an die Staaten in der vergangenen Woche im Interview mit der „Presse“ wiederholt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)

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