Keine Angst, die Großen kommen

Weekday
Weekday (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Weekday setzt diese Woche eine weitere H&M-Tochter ihren Fuß nach Österreich. Es scheint, als werden kleine Boutiquen zunehmend von Versandhändlern und großen Filialisten ins Eck gedrängt. Doch stimmt das so?

Wien.Wenn Harald Sippl über die Modeketten spricht, die an ihren Markteintritten nach Österreich feilen, klingt das wie beim Militär: „Da wird am grünen Tisch entschieden. Die sehen ein Land mit einem hohen BIP, in dem sie noch nicht sind und gehen rein.“ Dabei sei Österreichs Modebranche gesättigt, befindet der Geschäftsführer des Bundesgremiums Modehandel in der Wirtschaftskammer. Alle weiteren Eintritte müssten zum Sterben von Mitbewerbern führen.

Vergangenes Jahr wagten 32 ausländische Einzelhändler den Sprung nach Österreich, die meisten aus der Bekleidungsbranche. 2016 dürften es ähnlich viele Neuzugänge sein. Erst gestern, Freitag, hat einer der von Sippl wenig geschätzten Konzerne auf der Wiener Mariahilfer Straße Terrain dazugewonnen. Weekday heißt er, verkauft urbane, junge Mode und lässt die ehemals rot umrahmte Stiefelkönig-Filiale in grellem Türkis erstrahlen.

Konzern der vielen Gesichter

Weekday ist neben Cos, Monki (auch hier ist die Expansion nach Österreich für 2016 fix) und zwei weitere Marken nichts anderes als eine weitere, in Österreich weithin unbekannte Tochter des schwedischen Textilgiganten H&M. Der ist seit der Jahrtausendwende auf extremem Wachstumskurs in alten wie neuen Märkten – längst nicht mehr bloß mit der namensgebenden Kette, sondern einer Mehrmarkenstrategie für verschiedene Generationen und Budgets. Zählte die Gruppe 2000 noch rund 600 Standorte in 14 Ländern, will man diesen Frühling den 4000. Shop eröffnen und ist mittlerweile auf 61 Märkten aktiv. Damit zählt H&M hinter der spanischen Inditex mit Marken wie Zara, Massimo Dutti und Bershka zu den internationalen Platzhirschen. Mit wachsenden Marktanteilen, laufend rollierenden Sortimenten und Rabattschlachten setzen die zwei das niedrigpreisige Modesegment unter Druck.

Doch wie stark leiden Österreichs Boutiquen tatsächlich unter dem internationalen Zuzug? Marktanalyst Andreas Kreutzer hält die Gefahr für überschaubar. Schon lang gebe es im Vergleich zum deutschen Nachbarn viel weniger traditionelle kleine Modeläden – ein Neueintritt mehr oder weniger tue da nicht weh. „Boutiquen kämpfen ums Überleben“, wie die deutsche „Welt“ angesichts der Marktmacht der Versandhäuser und expandierenden Ketten unlängst getitelt hat, trifft auf Österreich nur bedingt zu.

Oder zumindest kämpfen die Händler vorrangig mit anderen, offensichtlicheren Handicaps. Alteingesessene Lokale liegen meist nicht an stark frequentierten Hauptstraßen in 1A-Lagen und können es sich naturgemäß nicht leisten, ihre Kollektion wie die Großkaliber 50-mal im Jahr zu tauschen. Die rund 25 Geschäftsaufgaben, die die Branche jährlich verzeichne, seien laut Kreutzer aber am ehesten Pensionierungen geschuldet. Auch die von seiner Beratungsagentur Kreutzer Fischer & Partner erhobenen Konsumausgaben für Bekleidung und Schuhe, die 2015 inklusive aller Onlinekäufe um ein Prozent auf 8,4 Milliarden wuchsen, ließen darauf schließen, dass hierzulande genügend Spielraum für Mitbewerber vorhanden sei.

Auch die H&M-Gruppe mit aktuell 78 heimischen Standorten konnte ihren Österreich-Umsatz im ersten Quartal leicht auf rund 140 Millionen Euro steigern. Angesichts der Tatsache, dass den Skandinaviern in derselben Periode 30 Prozent der weltweiten Gewinne wegbrachen, eine recht passable Bilanz. Mehr Angst als vor dem internationalen Mitbewerb sollten Alteingesessene laut Kreutzer vor dem veränderten Kundenverhalten haben: In 40 Prozent der an die österreichischen Haushalte versandten Pakete sind Kleidung und Schuhe. Und die reinen Onliner sitzen in den seltensten Fällen im Inland. „Stichwort Zalando, Amazon“, sagt Sippl bloß. Ihn schmerzt es merklich, dass die Hälfte der branchenübergreifenden Onlineausgaben laut einer Erhebung der Kammer auf Konten ausländischer Händler fließen.

Online macht nicht reich

Kleiner Wermutstropfen für die Modebranche, die laut Kreutzer wie keine andere durch das Onlinegeschäft kannibalisiert werde: „Geld verdienen noch die wenigsten stationären Läden mit einem zusätzlichen Onlineshop – auch H&M dem Vernehmen nach nicht viel.“

Weekday sei aber gerade eben durch den guten Zuspruch der Österreicher auf den bereits vorhandenen Onlineshop angelockt worden, erklärt Geschäftsführer David Thorewik die Entscheidung seines Unternehmens, eine der acht Neueröffnungen für 2016 in Wien durchzuführen. Das sei keinesfalls vom Mutterkonzern diktiert worden. Abseits der nun von einem Filialisten mehr bevölkerten Mariahilfer Straße liegt wiederum der Grund dafür, warum Sippl auch in Zukunft an das Überleben der Einzelkämpfer glaubt. Dort, in den Seitengassen, würden genug Geschäftsmodelle seit Jahren florieren, die „am grünen Tisch so gar nicht funktionieren dürften“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)

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