Voest setzt noch stärker auf die USA

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THEMENBILD: VOESTALPINE / STAHLPRODUKTIONAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die Voest will ihre Umsätze künftig verstärkt außerhalb Europas machen. Bis 2020 will sie das US-Geschäft verdreifachen. Das größte Auslandsprojekt ist das 550-Mio.-Euro-Werk in Texas.

Wien. „Ich bin sehr unglücklich darüber, dass Europa bei der Re-Industrialisierung nicht dem Beispiel der USA folgt“: Voest-Chef Wolfgang Eder lässt keine Gelegenheit aus, um die Industriepolitik Europas zu kritisieren. Auch nicht am gestrigen Donnerstag, als Eder ins Wiener Sofitel lud, um im Beisein von US-Botschafterin Alexa Wesner die Fortschritte der Nordamerika-Expansion der Voestalpine zu präsentieren. Deren bisher größter Part ist eine Direktreduktionsanlage in Corpus Christi, Texas.

Höchster Turm von Südtexas

Vor zwei Jahren fing man in der Einöde von Corpus Christi an zu graben. Nun befinden sich die Arbeiten an der Anlage, in der aus Eisenerz Eisenschwamm erzeugt wird, im Endspurt. Die 150 Mitarbeiter sind nahezu vollzählig gestellt, der 137 Meter hohe Reduktionsturm (das höchste Gebäude von Südtexas) und der Hafen sind fertig. Der Testbetrieb läuft teilweise schon. Im Herbst soll die Produktion starten, ein Jahr später die volle Kapazität erreicht sein: Pro Jahr sollen dann zwei Millionen Tonnen Eisenschwamm erzeugt werden, ein Vormaterial für die Stahlproduktion. 800.000 Tonnen will die Voest selbst verwenden, den Rest in die Welt verkaufen.

550 Mio. Euro lässt sich der oberösterreichische Industriekonzern das Werk kosten. Es ist die größte Auslandsinvestition der Voest und die bisher größte Investition eines österreichischen Unternehmens in den USA. Und es ist Teil einer langfristigen Strategie, die heißt: Weniger Europa, mehr Welt. „Die EU ist unser Schlüsselmarkt“, sagt Eder. „Aber gleich danach kommt Nordamerika.“ Die Voest erzielt aktuell noch 73Prozent ihres Umsatzes in Europa. Bis 2020 soll der Anteil auf 60Prozent reduziert werden.

Neun Prozent des jährlichen Konzernumsatzes (980 Mio. Euro) schreibt die Voest in Nordamerika. Bis zum Jahr 2020 soll sich dieser Wert auf drei Mrd. Euro nahezu verdreifacht haben. Die Voest betreibt 64 Standorte in Nordamerika, davon 46 in den USA, zehn in Kanada und acht in Mexiko. 13Prozent der Voest-Aktien werden von nordamerikanischen Anlegern gehalten. Die USA bieten vieles, was Europa nicht hat: billigere Energie, niedrigere Lohnkosten und wirtschaftsfreundliche Umweltauflagen. Und eine bessere Gesprächsbasis mit der Politik, wie Eder regelmäßig betont.

Energie ist derzeit aber auch in Europa günstig. „Das war in den vergangenen zwei Jahren ein ständiges Auf und Ab, aber grosso modo bleibt der Kostenvorteil gegenüber Europa erhalten“, sagt Voest-Sprecher Peter Felsbach. Würde man dasselbe Werk wie in Texas in Europa bauen, wäre der laufende Betrieb um 200 Mio. Euro pro Jahr teurer. Strom koste in Europa doppelt, Erdgas drei Mal so viel wie in den USA, so Eder.

15 Mrd. Euro Umsatz

Was die Rahmenbedingungen für die Industrie betrifft, ist sich Eder mit Botschafterin Wesner einig: Die USA seien ein „sicherer Hafen für die Industrie“, warb Wesner für Investitionen in ihrer Heimat. Und lobte die Voest: Der Konzern habe mit dem neuen Werk eine umwelttechnologische Benchmark gesetzt.

Die Voestalpine beschäftigt weltweit 47.500 Mitarbeiter, die Hälfte davon in Österreich, 3000 in Nordamerika. Nur noch knapp 30 Prozent des Umsatzes entfallen auf reine Stahlproduktion, der Konzern hat sich im Laufe der vergangenen 15 Jahre auf Spezialprodukte fokussiert. In der Vorwoche heimste die Voest einen Millionenauftrag ein: Sie wird mehrere Hunderttausend Tonnen Spezialbleche für das russisch-europäische Ostsee-Gaspipelineprojekt Nord Stream2 liefern. Der Auftrag wird gemeinsam mit dem strategischen Partner OMK abgewickelt. Bereits für den ersten Teil der Offshore-Gasleitung in der Ostsee Nord Stream1 lieferte die Voest Röhrenbleche im Wert von rund 60 Mio. Euro.

Im Geschäftsjahr 2014/15 setzte die Voest 11,2 Mrd. Euro um. Bis 2020 ist ein Anstieg auf 20 Mrd. Euro erwartet worden, die Prognose wurde aber wegen des schwachen Wirtschaftswachstums und der gesunkenen Rohstoffpreise auf 15 Mrd. Euro eingestampft. Am 2.Juni wird die Voest ihre Bilanz präsentieren. Vorwegnehmen wollte Eder nur eines: „Ich gehe davon aus, dass es eine ruhige, unaufgeregte Pressekonferenz wird.“ (bin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2016)

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