Robin Rumler: "Das Geld wird nicht optimal verteilt"

In der Krebsbehandlung gibt es eine Revolution, sagt Robin Rumler.
In der Krebsbehandlung gibt es eine Revolution, sagt Robin Rumler. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Geschäftsführer von Pfizer Austria, Robin Rumler, nimmt zu den Korruptionsvorwürfen gegen die Pharmabranche Stellung. Er äußert sich auch zu den steigenden Medikamentenpreisen und zu den Problemen im österreichischen Gesundheitssystem.

Ist das Gesundheitssystem besonders anfällig für Korruption, wie Transparency International behauptet?

Robin Rumler: Korruption hat im Gesundheitswesen nichts verloren, das steht außer Frage. Es gibt strenge Gesetze und Verhaltenskodizes. Besonders die Pharmaindustrie ist eine der am strengsten regulierten Branchen. Diese Auflagen lassen kein Fehlverhalten zu und ahnden Überschreitungen drastisch. Das ist gut so.

Die Pharmafirmen laden aber Ärzte zu Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen ein. Wollen die Firmen damit die Ärzte bei der Verschreibung von Medikamenten beeinflussen?

Einladungen zu oder Unterstützungen von solchen Veranstaltungen dienen ausschließlich der wissenschaftlichen Fortbildung. Hier werden neue Therapien präsentiert und diskutiert. Der Besuch eines Ärztekongresses ist heute sicherlich kein Freizeitvergnügen. Pharmaunternehmen unterstützen diese Fortbildungen, um Wissenstransfer auf höchstem Niveau zu ermöglichen. Und auch diese Unterstützungen sind klar geregelt.

Der Wiener Oberarzt Fahmy Aboulenein vom SMZ Ost schreibt im Buch „Die Pharma-Falle“, dass bei den Kongressen nicht der wissenschaftliche Austausch im Vordergrund stehe, sondern dass sie zu Gourmet- und Genussreisen sowie zu Werbeveranstaltungen der Pharmaindustrie verkommen seien. Was sagen Sie dazu?

Gegen diese Anschuldigung verwahre ich mich ganz entschieden. Kongresse und Fortbildungen haben klare gesetzliche und branchen- bzw. unternehmensspezifische Regelungen. Sie reichen vom Programm über den Rahmen der Kosten pro Teilnehmer bis zum Ort, an dem die Veranstaltung stattfinden darf. Unterhaltungsprogramme werden von Pharmaunternehmen schon lange nicht mehr unterstützt, das gehört längst der Vergangenheit an.


Warum wurde der Wiener Arzt, der das Buch geschrieben hat, zu Kongressen nach Hawaii und Sydney eingeladen?

Kongresse finden natürlich überall auf der Welt statt. Sie werden von Fachgesellschaften organisiert, die Orte von den Organisatoren festgelegt. Die allermeisten, für österreichische Ärzte wichtigen Kongresse finden aber in Österreich selbst, in Europa und teilweise auch in Nordamerika statt. Einladungen eines Wiener Arztes nach Hawaii oder Sydney wundern mich sehr.

Wie viel Geld gibt Pfizer in Österreich für Ärzte aus?

Die Pharmabranche hat sich verpflichtet, die Ausgaben für die Ärzte Anfang Juli 2016 zu veröffentlichen. Damit leisten wir einen Beitrag für mehr Transparenz. Wir von Pfizer haben die Zahlen noch nicht. Wir werden sie im Juli bekannt geben.


Themenwechsel: In Österreich beklagen die Krankenkassen die hohen Medikamentenpreise und sprechen von Raubrittertum. Was sagen Sie dazu?

Diese Wortwahl ist befremdlich. In Europa sind 2014 genau 69 neue Medikamente mit teilweise komplett neuen Wirkstoffen auf den Markt gekommen. Die Forschungsausgaben für ein einziges Produkt liegen bei bis zu 1,5 Milliarden Dollar. Allein bei Krebs dauert es zehn bis 15 Jahre, bis ein neues Medikament fertig ist. Wir müssen das Geld wieder zurückverdienen.


Warum sind gerade neue Krebsmedikamente so teuer?

In der Krebsbehandlung gibt es eine Revolution. Vor einigen Jahren ist man an Brustkrebs nach durchschnittlich 22 Monaten verstorben, heute schafft man fünf Jahre. Natürlich haben sich die Kosten hier mitentwickelt.


Wie lange können sich die Krankenkassen die teuren Medikamente noch leisten?

Mit den neuen Medikamenten werden die staatlichen Gesundheitssysteme entlastet. Früher hatten wir Krebsmedikamente, bei denen die Therapie im Krankenhaus durchgeführt wurde. Auch mussten zahlreiche Nebenwirkungen behandelt werden. Heute haben wir Medikamente, bei denen kein oder nur ein kurzer Krankenhausaufenthalt notwendig ist. In Österreich liegt das Problem woanders.


Wo liegt das Problem?

Wir haben in Österreich genug Geld im Gesundheitssystem. Zuletzt wurden pro Jahr 36 Milliarden Euro ausgegeben. Aber das Geld wird nicht optimal verteilt. Nur 12,2 Prozent der Gesundheitsausgaben entfallen auf Medikamente. Wir Pharmafirmen sind nicht der Kostentreiber.


Wer ist der Kostentreiber?

Das meiste Geld fließt in die Krankenhäuser. Österreich ist mit 273 Krankenhäusern im „Guinness-Buch der Rekorde“. Wir haben in Europa die meisten Krankenhauseinweisungen. 26 Prozent der Österreicher gehen pro Jahr für einige Tage in ein Krankenhaus. Der europäische Durchschnitt liegt bei 17 Prozent. Laut Rechnungshof gibt es bei den Spitälern Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe.


Was sollte man ändern?

Es müssen sich alle Beteiligten im Gesundheitssystem zusammensetzen. Wir müssen das System zukunftsfit machen. Mit den Milliarden, die bei den Spitälern eingespart werden, können andere Bereiche gestärkt werden.


Warum passiert das nicht?

Wir haben in Österreich ein historisch gewachsenes Gesundheitssystem. Fast jede kleine Stadt hat ein Spital. Wir haben zu viele Stellen, die teilweise nicht miteinander kommunizieren. Für die Spitäler sind die Bundesländer zuständig. Das Gesundheitsministerium ist bemüht, aber es fehlt der Durchgriff.


Oft werden die Medikamentenpreise jedoch bewusst erhöht. In den USA hat ein ehemaliger Hedgefonds-Manager eine Pharmafirma gekauft und den Preis für ein Medikament um 5500 Prozent erhöht. Ist das in Ordnung?

Es gibt in jeder Branche schwarze Schafe. Und ich distanziere mich ganz klar davon. Das ist ein Fall, der mir wehtut.

In Europa sind die Medikamentenpreise sehr unterschiedlich. Warum ist das gleiche Medikament in einer slowakischen Apotheke billiger als in einer österreichischen?

Wir wollen, dass ein Medikament überall gleich viel kostet. Doch in jedem Land sind andere Faktoren zu berücksichtigen, wie Steuern, Aufschläge vom Großhandel und von Apotheken.


In Österreich wollen Drogerieketten wie DM künftig auch Medikamente verkaufen. Sind Sie dafür?

Das jetzige System mit den Apotheken hat sich gut bewährt, man darf hier nicht auf die Beratung vergessen. Aus der Sicht des Verkäufers macht es für uns keinen Unterschied, an wen wir verkaufen, denn der Fabrikabgabepreis bleibt gleich.

Steckbrief

Robin Rumler ist Geschäftsführer von Pfizer Austria. Pfizer gehört in Österreich zu den führenden Pharmafirmen.

Der gebürtige Wiener studierte Medizin und begann seine Karriere als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung der Universitätsklinik Wien. Später folgte der Einstieg in die Pharmabranche.

Rumler sitzt im Präsidium der Pharmig – diese vertritt die Interessen der österreichischen Pharmawirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2016)

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