Warum die Investitionen ausbleiben

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Jammern Österreichs Manager, obwohl alles gut läuft? Eine Studie zeigt: Harte Fakten und miese Stimmung gehen Hand in Hand – und in der Folge wird tatsächlich weniger investiert.

Wien. Werner Muhm hält wenig von Standort-Rankings, die Österreich ein immer schlechteres Zeugnis ausstellen. Vor einem Jahr machte der Direktor der Wiener Arbeiterkammer seinem Unmut besonders kräftig Luft: „Unwissenschaftlich und wertlos“ nannte er die Hiobsbotschaften aus einer Schweizer Elite-Uni, weil sie zum Teil auf den „Befindlichkeiten“ heimischer Manager beruhten. „Mit dem dauernden Krankjammern will die Wirtschaft nur ihre Nimmersatt-Forderungen durchsetzen“ – sprich: die armen Arbeitnehmer ausbeuten.

Ein Vorwurf, den die Industriellenvereinigung nicht auf sich sitzen lässt. Zumal sie ihre Umfragen unter Führungskräften für seriöse Prognosen hält. Ihr Chefökonom, Christian Helmenstein, wollte es nun genau wissen. Mit Kollegen vom Economica-Institut und Media Tenor hat er untersucht, wie es zu Entscheidungen über Standort und Investitionen kommt – streng wissenschaftlich, versteht sich, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der „Presse“ liegt die Studie exklusiv vorab vor.

Nun steht unter Ökonomen außer Streit, welche wichtige Rolle die Stimmung spielt: Die Erwartung, wie sich das Geschäft entwickelt, entscheidet mit darüber, wie viel Unternehmen investieren. Damit legen sie zugleich das künftige Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft fest. Klar ist auch: Wenn die Politik falsche Signale setzt und häufig die Richtung wechselt, sorgt sie für Unsicherheit – und das ist Gift für unternehmerischen Wagemut. Führungskräfte sind es, die Investitionen freigeben oder stoppen. Ihre Warnungen sind also ernst zu nehmen. Aber zumindest theoretisch wäre es schon denkbar, dass hinter ihren bitteren Klagen über den „heruntergesandelten“ Standort Kalkül steckt, in Wirklichkeit alles bestens läuft und deshalb ohnehin genug investiert wird.

Medien spielen große Rolle

Nun zeigt die Auswertung: Heimische Führungskräfte klagen nicht nur, sie handeln auch danach. Wenn sich ihre Einschätzung im vierteljährlichen IV-Standortbarometer verschlechtert, gehen die Investitionen vier Quartale später zurück. Am stärksten reagiert die Investitionstätigkeit auf die Veränderung von Indikatoren, die sich auf ganz harte Fakten beziehen: Produktivität, Steuern, Staatsschulden.

Für Konzerne, die hier nur Töchter oder Regionalzentralen haben, könnte auch eine Rolle spielen, wie Österreich in Auslandsmedien wegkommt. Media Tenor hat dazu Tausende Berichte nach ihrer Tonalität sortiert: positiv, neutral, negativ. Der Fokus lag auf Deutschland, das mit knapp 40 Prozent den größten Bestand an fremden Direktinvestitionen in Österreich hält. Der Effekt zeigt sich auch hier: erst schlechte Presse, dann weniger Investitionen. Wobei die Deutschen mit einer Verzögerung von zwei Quartalen schneller reagieren als der Rest der Welt mit sechs.

Freilich konsumieren auch heimische Manager internationale Medien. Die Faktoren sind also zusammen zu sehen. Dabei zeigt sich: Mehr als 80 Prozent des Auf und Ab bei Investitionen lässt sich aus dem kombinierten Wirken von vier Einflussgrößen erklären: Produktivität, Steuern, Kapitalmarkt und Berichterstattung. Objektive Fakten, Stimmung und mediales Echo gehen somit Hand in Hand.

Wird also in Österreich zu wenig investiert, um künftiges Wachstum zu sichern? Vermutlich. Aber verlockende Vergleiche greifen oft zu kurz. Dass die Investitionsquote in Österreich langfristig zurückgeht (siehe Grafik), ist für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft mit üppigem Kapitalstock nicht alarmierend. Deshalb bringt ein Vergleich mit Staaten auf anderem Entwicklungsstand auch wenig. Zudem können ein Immobilienboom und die anschließende Baurezession stark verzerrend wirken.

Was Helmenstein aber Sorgen bereitet, ist die Zäsur, die Österreich durch die Krise von 2008 erfuhr: Wie die Wachstumsraten bleiben auch die Investionsquoten deutlich hinter dem Vorkrisenniveau zurück. Ein Schicksal, das Österreich mit Frankreich und Italien teilt. Der IV-Chefökonom verweist auf das Vorbild Deutschland, wo die Investitionen um einiges kräftiger anziehen. Vor allem aber: „Dort sind die Erweiterungsinvestitionen die wichtigste Komponente.“ Das heißt: Die Unternehmen tauschen nicht nur alte Maschinen aus, sondern schaffen neue Kapazitäten – weil sie an die Zukunft glauben. „Und deshalb wird über Deutschland auch positiv berichtet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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