Bildungsteilzeit verfehlt ihr Ziel

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Mit der Bildungsteilzeit wollte die Regierung vor allem schlecht qualifizierte Menschen zur Weiterbildung motivieren. Der Plan ging nicht auf. Es sind die ohnehin Ausgebildeten, die sich weiterbilden.

Wien. Die Bildungskarenz steht bei den Österreichern hoch im Kurs: Im Vorjahr bezogen im Schnitt 9000 Personen Geld für eine Bildungsauszeit. Diese Zahlen stellte das Arbeitsmarktservice der „Presse“ zur Verfügung. Besonders jüngere, gut ausgebildete Menschen gehen in Bildungskarenz. Jene also, deren Risiko, arbeitslos zu werden, gering ist. 2013 wurde zusätzlich die Bildungsteilzeit eingeführt: Der oder die Beschäftigte arbeitet in Teilzeit weiter und macht in der übrigen Zeit eine Zusatzausbildung. Die Idee dahinter war, vor allem Niedrigqualifizierte zur Weiterbildung zu motivieren, weil der Bezieher nur auf einen Teil seines Einkommens verzichtet und der Zuschuss, anders als bei der Karenz, nicht einkommensabhängig, sondern ein Fixbetrag ist.

Nun zeigt sich: Das Ziel wurde eindeutig verfehlt. Aus Zahlen des Sozialministeriums für 2015 geht hervor, dass es auch bei der Bildungsteilzeit einen Überhang an gut bis sehr gut Ausgebildeten gibt. Die größte Risikogruppe auf dem Arbeitsmarkt aber sind Menschen, die lediglich die Pflichtschule abgeschlossen haben. Sie konnten auch mit der Bildungsteilzeit kaum erreicht werden: Nur 13 Prozent der Bezieher kamen aus dieser Gruppe. Hingegen hatten 44 Prozent Matura oder einen Hochschulabschluss, 18 Prozent eine Lehre abgeschlossen. Das Verhältnis ist also ähnlich wie bei der Bildungskarenz: Hier haben 46 Prozent der Bezieher Matura oder Studium, 20 Prozent eine Lehre und 13 Prozent nur die Pflichtschule gemacht.

Es gelang nicht, verstärkt Hilfsarbeiter zu Lehrabschluss oder Facharbeiterausbildung zu motivieren. Dabei hatte AMS-Chef Johannes Kopf das 2012 als Paradebeispiel bezeichnet. „Ich vermute, die generell schlechtere Bildungsneigung von Geringqualifizierten ist hier das Problem“, sagt Kopf heute. Mit anderen Worten: Es bildet sich nur weiter, wer ohnehin schon gut ausgebildet ist.

Boom seit der Wirtschaftskrise

Die Bildungskarenz gibt es in Österreich schon seit Jahrzehnten. Große Beliebtheit erlangte sie aber erst in der Wirtschaftskrise des Jahres 2009, als sie zum „Krisenmodell“ aufgewertet wurde: Das Weiterbildungsgeld wurde auf die Höhe des Arbeitslosengeldes angehoben, zeitweise übernahmen die Bundesländer sogar die Ausbildungskosten. Mit der Attraktivität stieg auch die Nachfrage: 1998 gab es 204 Bezieher, 2013 erreichte der Andrang mit 9312 Beziehern seinen vorläufigen Höhepunkt. Natürlich stiegen auch die Kosten sprunghaft an. Im Vorjahr gab das AMS 106,7 Millionen Euro für Bildungskarenzen aus (siehe Grafik).

Kurz flammte damals sogar Kritik auf. Bemängelt wurde vor allem, dass es kaum Kontrollen gebe und nicht geprüft werde, ob die Weiterbildung sinnvoll sei. Man wolle keine Selbstverwirklichung auf Staatskosten, hieß es von der Wirtschaftskammer. Tatsächlich reichte bis zum Jahr 2013 eine Inskriptionsbestätigung als Nachweis.

2013 wurde die Bildungskarenz deshalb überarbeitet und zusätzlich die Bildungsteilzeit eingeführt. Seither müssen die Bezieher jedes Semester die Bestätigung für zumindest eine Prüfung vorlegen, dass sie sich pro Woche vier Stunden weitergebildet haben; bei der Bildungsteilzeit sind zwei Wochenstunden erforderlich. Nach wie vor wird aber nicht überprüft, ob die Ausbildung die Jobchancen des Arbeitnehmers erhöht. Manche nützen die Bildungskarenz gar für eine Weltreise oder einen längeren Auslandsaufenthalt. Das ist erlaubt, solang man sich während dieser Zeit weiterbildet. Zum Beispiel mit Sprachkursen.

Großer Andrang auf die Bildungsteilzeit

Weltreisen sind in der Bildungsteilzeit eher schwierig. Aber auch hier wird nicht geprüft, ob die Ausbildung arbeitsmarktrelevant ist. 13,28 Millionen Euro gab das AMS im Vorjahr für die Bildungsteilzeit aus. Der Betrag dürfte weiter steigen, denn das Interesse ist groß: 2013, im Jahr der Einführung, waren 988 Personen in Bildungsteilzeit, 2015 waren es 3437. Beim Arbeitsmarktservice rechnet man damit, dass die Bildungsteilzeit in ein paar Jahren ähnlich beliebt sein wird wie die Bildungskarenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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