Gfk: Manipulationen nach Bauchgefühl

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Marktforschungsinstitut GfK will sich in Österreich nach Radiotestfälschungen völlig neu strukturieren. Wie sehr der Vorfall der GfK an die Substanz gehen wird, ist noch nicht absehbar.

Wien. „Wir bedauern zutiefst, was passiert ist, und wir nehmen den Vorfall hier in Österreich sehr ernst“, sagte Stefan Raum, weltweiter Leiter der GfK-Medienforschung gestern zur „Presse“. Mit gutem Grund, denn der „Vorfall“ könnte dem Unternehmen, das in Österreich 280Mitarbeiter beschäftigt, schwer zu schaffen machen. Der Vorfall betrifft nämlich manipulierte Radiotests – und Medienforschung macht immerhin 30 Prozent des GfK-Umsatzes in Österreich aus. Raum will einen wirtschaftlichen Schaden für die GfK nicht beziffern, dafür sei es zu früh. Aber kein Kunde hätte bisher als Reaktion einen Vertrag gekündigt.

Whistleblower gab Hinweise

Ende April gestand die GfK öffentlich ein, Radiotests manipuliert zu haben. Ein interner Whistleblower hatte das Management im Jänner 2016 auf Ungereimtheiten aufmerksam gemacht. Die GfK leitete daraufhin Untersuchungen ein. Diese brachten Unerfreuliches zutage. Offenbar hat „eine kleine Gruppe von Mitarbeitern“ in rund 1500 Fällen Interviews gar nicht wirklich geführt, sondern schlichtweg gefälscht. Darüberhinaus haben sie Trendabweichungen, die sie sich nicht erklären konnten, einfach „geglättet“, und zwar „nach Bauchgefühl“.

Das ging vor allem zulasten der österreichischen Privatsender, denn ihre Daten wurden drastisch heruntergestuft, jene des ORF dafür nach oben korrigiert. Die Reichweite der ORF-Radios entspricht ergo seit 2011 nicht der von der GfK ausgewiesenen. Die Privatsender, die ja auch Auftraggeber der Radiotests sind, haben nach der Beichte bereits Schadenersatzklagen in Millionenhöhe angekündigt. Schließlich seien sie aufgrund der verfälschten Ergebnisse um hohe Summen an Werbeeinnahmen gebracht worden. „Für Schäden, die die GfK erzeugt hat, werden wir auch geradestehen“, sagt Raum. Die Diskussion darüber hält er aber derzeit für unverständlich: „Denn es gibt keine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Reichweite und Preisen für Schaltungen.“ Andere Faktoren wie Marke, Positionierung und Zielgruppen seien ebenso relevant. „Es ist also unseriös, heute schon den Schaden zu berechnen, da emotionalisiert man nur.“

Media-Analyse ohne Fehler

Für Emotionen haben Raum und Thomas Bachl, der Geschäftsführer der GfK-Austria, Verständnis, drängen aber auf eine Versachlichung der Diskussion. Es sei unangebracht, die Richtigkeit anderer Analysen der GfK anzuzweifeln. Freilich, alle Tests konnte man in den wenigen Wochen noch nicht kontrollieren. Die Media-Analyse (ist die größte Studie zur Erhebung des Medienkonsums in Österreich. Sie wird ebenfalls von der GfK erstellt; Anm.) hingegen wurde schon unter die Lupe genommen. Wolfgang Fellner, Herausgeber der Tageszeitung „Österreich“, meldete dazu schon Zweifel an. Bachl: „Wir haben die Untersuchungen bei der Media-Analyse abgeschlossen. Da können wir ausschließen, dass Fehler passiert sind.“ Bei der Media-Analyse gebe es allerdings auch zahlreiche interne und externe Kontrollen der Daten. Denn Medienstudien hätten üblicherweise sehr intensive, vertraglich vereinbarte Kontrollmechanismen. Üblicherweise? Und wie war das beim Radiotest? „Dort war das nicht der Fall. Bei dem Radiotest wurden in den vergangenen fünf Jahren keine Kontrollen gemacht“, so Bachl. Das werde sich in Zukunft ändern, sagte Raum. Der Vorfall werde nicht nur zu engmaschigeren Kontrollen, sondern zu einer Restrukturierung des Standort Österreichs führen. Mit ihr werde sofort begonnen, so Raum. Bereits im dritten Quartal 2016 soll die Organisation in Österreich neu aufgestellt sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2016)

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