OGH: Gerichtsgutachter haftet für Prozessverlust

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Aufgrund eines unrichtigen Gutachtens verlor ein Ziviltechniker-Büro einen Prozess in allen Instanzen. Daraufhin klagte es den Sachverständigen. Doch der sah die Schuld mehr beim Kläger als bei sich.

Wien.Was haben die Causen Immofinanz, Meinl, Kommunalkredit oder Grasser gemeinsam? In allen spiel(t)en Sachverständige für den Ausgang des Gerichtsverfahrens eine entscheidende Rolle. Je komplexer der Sachverhalt, desto mehr ist das Gericht auf die Ausführungen des Experten angewiesen, den es beauftragt. Freilich, die Ergebnisse, zu denen die Gutachter kommen, sind oft heiß umstritten. Doch dass ein Sachverständiger für ein falsches Gutachten auch zur Verantwortung gezogen wird, ist immer noch selten. Beim aktuellen Fall allerdings werden alle Sachverständigen die Ohren spitzen, denn der Oberste Gerichtshof (OGH) stellt darin klar (1 Ob 17/16f), wann sie zur vollen Haftung herangezogen werden können.

Ein Ziviltechnikerbüro hatte aufgrund eines falschen Gutachtens eines Sachverständigen einen Prozess in allen Instanzen verloren. Dabei ging es um die Zahlung eines Werklohnes. Die Ziviltechniker-GmbH hatte sich geweigert, das Honorar für bestimmte Heizungs-, Klima-, Sanitär- und Elektroplanungen zu bezahlen, weil aus ihrer Sicht der Planer nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt hatte.

Ob dem so ist oder nicht, das sollte der gerichtlich beeidete Sachverständige klären. In seinem Gutachten kam er zu dem Ergebnis, dass die Planungsarbeiten frei von erkennbaren Mängeln und auch die Abrechnung schlüssig sei.

Das Ziviltechniker-Büro äußerte im Zuge des Prozesses massive Zweifel an den Resultaten des Gutachters und forderte das Gericht auf, ein Ergänzungsgutachten von einem anderen Sachverständigen erstellen zu lassen. Gleichzeitig legten die Ziviltechniker eine Stellungnahme eines Privatgutachters vor, den sie selbst beauftragt hatten. Der bezeichnete das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen als „grob unrichtig“. Doch all das half nicht, weder berücksichtigte das Gericht die Meinung des Privatgutachters noch war es bereit, eine Zweitmeinung einzuholen. Stattdessen schloss es sich der Meinung des bestellten Gutachters an und verurteilte das Architekten-Büro zur Zahlung in vollem Umfang.

Unterlagen waren unbrauchbar

Mit diesem Ausgang gaben sich die Ziviltechniker nicht zufrieden. Sie klagten vielmehr den Sachverständigen auf alle Schäden, die ihnen aufgrund des unrichtigen Gutachtens entstanden waren.

Und dass sein Gutachten weder schlüssig noch nachvollziehbar gewesen war, stand in diesem zweiten Verfahren gar nicht mehr zur Diskussion. Denn längst war klar, dass der Sachverständige zur Erstellung Unterlagen herangezogen hatte, die gar nicht dazu geeignet waren, die Planungsarbeiten zu beurteilen. Der Mann hatte sich nämlich mit Plänen im Pdf-Format zufriedengegeben, auf der alle Gewerke gemeinsam abgebildet waren. Ob die einzelnen Planungsarbeiten korrekt und vollständig waren, war daraus gar nicht ersichtlich und daher auch nicht zu beurteilen.

Eine Schuld des Sachverständigen stand also fest. Doch dieser fand, er sei nicht allein verantwortlich. Die Ziviltechniker hätten sein Gutachten eben genauer hinterfragen müssen. Die beiden ersten Instanzen sahen das ähnlich, der Kläger müsse 25 Prozent der Schuld tragen. Er hätte ja auch schon früher ein Privatgutachten vorlegen können, so ihr Tenor.

Und der OGH? Er widersprach den Vorinstanzen mit Vehemenz: Es könne nicht erwartet werden, dass die Ziviltechniker das Gutachten mit noch mehr Nachdruck in Zweifel ziehen, als sie das ohnehin getan hätten. Auch könne nicht verlangt werden, dass sie ein Privatgutachten auf ihre Kosten beauftragen, ohne zuvor die Ergebnisse des vom Gericht beeideten Sachverständigen abzuwarten. Den Kläger trifft keinerlei Mitverschulden. Der Sachverständige muss für sein verhunztes Gutachten schon selbst gerade stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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