Wer die Kur verweigert, kann Rehab-Geld verlieren

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Kur(c) BilderBox.com (Erwin Wodicka)
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Der Oberste Gerichtshof entzog einem Übergewichtigen das Rehabilitationsgeld, weil er einen stationären Aufenthalt zum Abnehmen ablehnte. Ein Gerichtsentscheid, der große Auswirkungen haben kann.

Wien. Wer Rehabilitationsgeld von der Pensionsversicherung erhalten will, sollte besser daran mitwirken, wieder arbeitsfähig zu werden. Tut er das nicht, ist es nur recht und billig, dass ihm diese Leistung wieder gestrichen wird.

Sinngemäß zu diesem Ergebnis kam der Oberste Gerichtshof in einer ganz neuen Entscheidung (10 ObS 4/16k). Dabei ging es um einen Mann (Jahrgang 1966), der bei einer Körpergröße von 181cm ein Gewicht von 200 Kilogramm auf die Waage brachte und deshalb nicht mehr als Hilfsarbeiter arbeiten konnte. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) stellte seine vorübergehende Invalidität fest und gewährte ihm für sechs Monate Rehabilitationsgeld.

Allerdings mit Auflagen: Um seine Arbeitsfähigkeit wiederherszustellen, solle er einen sechswöchigen stationären Aufenthalt in einem Stoffwechselzentrum absolvieren, hieß es in dem PVA-Bescheid. Bei der Rehabilitation habe er mitzuwirken, sonst werde man ihm das Rehabilitationsgeld entziehen, selbst wenn seine Invalidität weiterhin vorliege. Dem Mann passte das nicht, er weigerte sich mehrfach, sich stationär aufnehmen zu lassen, und nahm stattdessen auf eigene Faust ab.

Ablehnung steht Patienten nicht frei

Nachdem weder aus gesundheitlicher noch aus psychiatrischer Sicht irgendetwas gegen seinen stationären Aufenthalt sprach, reagierte die PVA wie angekündigt. Sie entzog ihm das Rehabilitationsgeld. Dagegen aber wehrte er sich und verlangte, das Geld möge ihm entweder weiterhin gewährt werden – oder wenn nicht, möge man ihm die unbefristete Invaliditätspension zusprechen. Denn trotz Gewichtsabnahme sei er dauerhaft invalid.

Damit drang er jedoch weder bei den Vorinstanzen noch beim OGH durch: Es stehe einem Versicherten nicht frei, eine ihm konkret angebotene Rehabilitation abzulehnen und stattdessen nach eigenem Gutdünken das angestrebte Ziel (hier die Gewichtsabnahme) zu erreichen. Sein Verhalten sei zumindest leicht fahrlässig, was die Entziehung des Geldes rechtfertige.

(c) Die Presse

Eine Entscheidung, die alle Rehabilitationsgeld-Bezieher aufhorchen lassen wird. Vor allem aber jene, die es bisher mit ihrer Mitwirkungspflicht nicht so ernst nahmen und die vielmehr davon ausgingen, ihre vorübergehende Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension würde ohnehin fließend in eine unbefristete übergehen.

Das ist zwar faktisch heute immer noch bei 48 Prozent der Bezieher von Rehabilitationsgeld so. Das erhoffte Szenario ist es volkswirtschaftlich jedoch definitiv nicht, darüber herrschte sogar in der Regierung Einigkeit. So kam es, dass unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) 2012 das Sozialrechtsänderungsgesetz auf Schiene gebracht wurde. Mit dem Slogan „Rehabilitation vor Pension“ bewarb die Regierung 2012 die Abschaffung der befristeten Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension. Die neue Regelung trat mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Seitdem haben all jene, die nach dem 1. Jänner 1964 geboren worden sind, nur mehr dann einen Anspruch auf diese Pension, wenn sie aus medizinischen oder beruflichen Gründen nicht mehr in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können.

41 Prozent werden wieder arbeitsfähig

Eine unbefristete Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension soll wirklich nur mehr dann gewährt werden, wenn der Versicherte dauerhaft invalid ist oder für ihn eine Umschulung auf einen anderen Job nicht mehr sinnvoll oder zumutbar erscheint. So das erklärte Ziel des Gesetzgebers.

Derzeit ist das allerdings noch Zukunftsmusik, das belegen die aktuellen Zahlen. Nur 41 Prozent wird das Rehab-Geld entzogen, weil sie wieder „gesund“, also arbeitsfähig sind. 48 Prozent gleiten direkt in die dauerhafte Invaliditäts- bzw. Berufsunhäfigkeitspension. Fälle wie der eingangs erwähnte sind bislang sehr selten: Im vergangenen Jahr hat die PVA nur zwei Prozent aller Bezieher ihre Rehab-Leistung entzogen, weil sie nicht bereit waren, aktiv an ihrer Gesundung mitzuwirken.

Ein überraschend gutes Ergebnis, könnte man meinen – aber nur, wenn es bedeutet, dass tatsächlich 98 Prozent der vorübergehend Invaliden und Kranken alles tun, um bald wieder zu arbeiten. Die hohe Quote könnte jedoch auch einen anderen Grund haben: Vielleicht hat die PVA es bisher einfach vermieden, so rigoros wie in dem beschriebenen Fall zu entscheiden. Gut möglich, dass sich bei der Handhabung künftig einiges ändern wird. Die jüngste OGH-Entscheidung bestärkt die PVA jedenfalls dabei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

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