Lohndumping durch Firmen aus Osteuropa

(c) Teresa Zötl
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Immer mehr osteuropäische Firmen halten sich nicht an die hiesigen Regeln. Kontrollen bringen wenig, weil Strafen kaum vollstreckt werden können.

Wien. Nach der Arbeiterkammer schlägt nun auch die Wirtschaftskammer Alarm: Beide verlangen einen Schulterschluss von Politik, Behörden und der Wirtschaft, um gegen das Lohn- und Sozialdumping von osteuropäischen Firmen vorzugehen. „Wir bekennen uns zu den offenen Grenzen und zum EU-Binnenmarkt“, sagte Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer Österreich am Dienstag vor Journalisten. Doch das Problem sei, dass immer mehr osteuropäische Firmen in Österreich tätig werden und sich dabei nicht an die Spielregeln halten. Betroffen ist vor allem das Bau- und Baunebengewerbe sowie die Transportbranche.

So erhält beispielsweise eine ungarische Baufirma einen Auftrag in Österreich und entsendet dann ungarische Arbeitskräfte nach Österreich. Laut Gesetz ist die ungarische Firma verpflichtet, ihre Mitarbeiter nach dem österreichischen Kollektivvertrag zu bezahlen. Doch das passiert in vielen Fällen nicht, kritisiert Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei. Kontrollen zeigen, dass die ausländischen Arbeitnehmer weit unter dem österreichischen Kollektivvertrag entlohnt werden oder die doppelte Arbeitszeit leisten.

Laut Lehner gibt es Fälle, wo die osteuropäischen Arbeiter zwar den österreichischen Lohn erhalten, doch sie müssen dann später im Heimatland einen Teil des Geldes zurückzahlen. Hinzu kommt, dass die bei den Kontrollen vorgezeigten Dokumente gefälscht seien. „Vom Dokument der Anmeldung zur Sozialversicherung bis zu den Lohnunterlagen wird alles von Fälscherwerkstätten produziert“, sagt der Leiter der Finanzpolizei. Oft stecken organisierte Banden hinter dem Betrug.

Die Zahl der von osteuropäischen Firmen nach Österreich entsandten Arbeitskräfte steigt explosionsartig: Gab es 2011 erst 27.000 solche Anträge, waren es im Vorjahr bereits 150.000. Heuer sollen es laut Finanzpolizei 180.000 werden. Auch das Ausmaß der Strafen wegen Verstöße gegen das österreichische Arbeitsrecht erhöhte sich deutlich.

Zahnlose EU-Verordnung

Von Jänner bis Mai 2015 wurden laut Auskunft der Finanzpolizei 967 Strafanträge mit einem Strafrahmen von über drei Mio. Euro verhängt. Heuer waren es im gleichen Zeitraum bereits 2566 Anträge mit einem Ausmaß von 31,68 Mio. Euro. Obwohl sich die Lage verschärft, wurde bei der Finanzpolizei der Personalstand zuletzt von 520 auf 490 Mitarbeitern reduziert.

Ein Problem ist, dass die gegen osteuropäische Firmen verhängten Strafen schwer vollstreckt werden können. Zwar gibt es eine entsprechende EU-Verordnung, doch diese erweist sich in der Praxis als zahnlos. So hat beispielsweise die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See Strafen in der Höhe von 1,1 Mio. Euro gegen ausländische Unternehmen wegen Lohn- und Sozialdumping verhängt. Davon konnten aber nur 2000 Euro eingetrieben werden. Von den 160 Verfahren gegen ausländische Betriebe sind noch immer 155 offen.

Für Österreichs Firmen ist es schwierig, sich gegen die Billigkonkurrenz aus Osteuropa zu behaupten. Einer Studie der Technischen Universität Graz zufolge liegen im Baugewerbe die Preise von ausländischen Firmen um 20 bis 30 Prozent unter jenen von österreichischen Firmen. Fallweise seien es sogar 50 Prozent. Das Minus sei nur durch Sozial- und Lohndumping erklärbar. Bei Einhaltung aller gesetzlicher Vorgaben würde der Unterschied bei den Personalkosten lediglich bei zehn Prozent liegen, sagt die TU Graz. Wegen der Konkurrenz aus dem Osten steigen die Insolvenzen. Im Vorjahr haben sich die steirischen Bauinsolvenzen um 24,2 Prozent erhöht.

Die Wirtschaftskammer fordert daher mehr Kontrollen. Auch müssen die gegen ausländische Firmen verhängten Strafen vollzogen werden können. Zusätzlich sollen Instrumente wie Sicherheitsleistung und Zahlungsstopp verstärkt zur Anwendung kommen. Zwar gibt es auch in Österreich schwarze Schafe, doch bei ausländischen Firmen kommen die Unregelmäßigkeiten öfter vor. Im Vorjahr überprüfte die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse 7238 österreichische Firmen. Dabei gab es 38 Verstöße, das waren 0,52 Prozent. Gleichzeitig wurden 1481 ausländische Betriebe unter die Lupe genommen. Man entdeckte 398 Verstöße. Das waren 27 Prozent. [ Foto: Bloomberg ]

AUF EINEN BLICK

Immer mehr osteuropäische Firmen machen in Österreich Geschäfte. Nicht wenige betreiben dabei laut Auskunft der Wirtschaftskammer massives Lohn- und Sozialdumping. Zwar ist das Ausmaß der Strafen gegen das österreichische Arbeitsrecht zuletzt deutlich gestiegen. Doch ein Problem ist, dass die gegen osteuropäische Unternehmen verhängten Strafen nur schwer vollstreckt werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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