Telekom-Verkauf war ein „Fehler“

ELEKTRO-MOBILITAeT IN OeSTERREICH: EDERER
ELEKTRO-MOBILITAeT IN OeSTERREICH: EDERERAPA/HANS KLAUS TECHT
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Brigitte Ederer, die zu den prominenten Wirtschaftsvertretern der SPÖ gehört, rechnet mit der Telekom-Privatisierung ab und fordert einen nationalen Infrastrukturkonzern.

Wien. Die Digitalisierung und Automatisierung ist in aller Munde. Damit Österreich hier in der ersten Liga mitspielt, ist eine flächendeckende Verfügbarkeit von schnellen Internetverbindungen notwendig. Hier lässt nun der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie, die mit über 61.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von 13,36 Mrd. Euro zu den größten Industriezweigen Österreichs gehört, mit einem bemerkenswerten Vorschlag aufhorchen.

Wie Vertreter des Verbands am Dienstag vor Journalisten erklärten, sollen die Netze der Telekommunikations-, Energie- und der Verkehrsunternehmen zu einem „schlagkräftigen Infrastrukturkonzern“ zusammengefasst werden. Dem Verband gehören Konzerne wie Siemens, Infineon und Kapsch an. Die Umsetzung würde im Fall der Telekom Austria teilweise eine Rückverstaatlichung bedeuten.

Präsidentin des Verbands der Elektronikindustrie ist Brigitte Ederer, früher SPÖ-Staatssekretärin und Siemens-Managerin. Diese erklärte am Dienstag, dass sie die Privatisierung der Telekom Austria für einen Fehler hält.

Österreichs größte Telekom-Gesellschaft gehört derzeit mehrheitlich dem mexikanischen Telekom-Konzern America Movil. Laut Ederer handelt ein privates Unternehmen anders als ein Konzern, der sich im Staatsbesitz befindet.

Als Beispiel dafür nennt sie den Ausbau von schnellen Internetverbindungen. Private Unternehmen investieren vor allem in dicht besiedelten Gebieten. Auf dem Land dagegen rechnen sich die Investitionen nicht in kurzer Zeit.

Staat soll die Mehrheit halten

Ederer hält es für überlegenswert, dass der Staat von der Telekom Austria die Netz-Infrastruktur (gemeint ist das Festnetz mit den schnellen Internetverbindungen) übernimmt. Wie das geschehen soll, ist offen. So könnte den Mexikanern das Mobilfunknetz überlassen werden.

In weiterer Folge sollen in den gemeinsamen Infrastrukturkonzern die Netze der Stromgesellschaften, das Straßen- und Schienennetz (Asfinag und ÖBB) sowie das Gas- und Ölnetz der OMV eingebracht werden. Ederer hat bereits in der Vergangenheit vor einer „kalten Privatisierung“ der OMV gewarnt.

Wichtig ist für Ederer, dass der Staat am neuen Infrastrukturkonzern die Mehrheit hält. Bis zu 49 Prozent können an Private abgegeben werden. Mit dem Staat als Haupteigentümer sei gewährleistet, dass die Netze flächendeckend ausgebaut werden. Denn im Gegensatz zu einem privaten Investor habe der Staat einen volkswirtschaftlichen Nutzen, wenn es beispielsweise im Waldviertel viele schnelle Internetverbindungen gibt, weil sich dann dort neue Firmen ansiedeln.

Kaum eine andere Managerin kennt Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) so gut wie Ederer. Denn Ederer ist Aufsichtsratsvorsitzende der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), für die Kern einst als Chef arbeitete.

Was Ederer sagt, hat in der SPÖ Gewicht. Sie war beispielsweise die erste prominente SPÖ-Vertreterin, die Ende April die Ablöse von Werner Faymann als Kanzler forderte. Übernimmt Kern die Forderung von Ederer bezüglich der Infrastrukturgesellschaft, ist ein Streit mit der ÖVP nicht ausgeschlossen. Denn die ÖVP hat sich in der Vergangenheit für Privatisierungen und gegen mehr Staatseinfluss in der Wirtschaft ausgesprochen.

Zurück zur Elektro- und Elektronikindustrie: Für diese war 2015 das beste Jahr seit 2008. So stieg der Produktionswert um 4,7 Prozent auf 13,36 Mrd. Euro. Der Exportanteil lag bei 80 Prozent.

ZUR PERSON

Kaum eine andere Managerin ist in der SPÖ so gut vernetzt wie Brigitte Ederer. Sie spielte als EU-Staatssekretärin bei den Verhandlungen über den EU-Beitritt Österreichs eine wichtige Rolle. Später wechselte sie zu Siemens. [ APA/FEEI/R. Appel ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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