Österreich versinkt im Mittelmaß

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Wachstum, Konsum und Investitionen ziehen an, aber die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Österreich schafft den Anschluss an Europa, die Zeiten als Musterschüler sind aber vorbei.

Wien. Normalerweise lassen sich Wirtschaftsprognosen, die ganze fünf Jahre in die Zukunft blicken, nicht mir nichts, dir nichts in zwei Wörtern zusammenfassen. Diesmal aber schon: Alles steigt. So lautet die Bilanz des 50 Seiten fassenden Berichts, den das Institut für Höhere Studien (IHS) am Donnerstag vorgelegt hat. Wachstum, Einkommen, Konsum, Investitionen, Sparquote sollen bis 2020 wieder rascher wachsen. Was aber auch steigt: Arbeitslosigkeit und Inflation. Die negativen Konsequenzen des Brexit halten sich in Grenzen. „Die Presse“ wirft einen Blick auf die wichtigsten Daten.


• Die Wirtschaft soll laut IHS-Ökonom Helmut Hofer bis 2020 im Schnitt um 1,4 Prozent pro Jahr wachsen. Damit könne das früher noch vorbildliche Österreich zumindest an den Schnitt der Eurozone anschließen – nach nur 1,1 Prozent durchschnittlichem Wachstum in den vergangenen fünf Jahren. Die fetten Jahre sind aber vorbei, Österreich versinkt im Mittelmaß. „Der Wachstumsvorsprung, den wir seit dem EU-Beitritt gegenüber dem Euroraum hatten, ist weg“, sagt Hofer. Immerhin: „Die Krise im Euroraum ist überwunden.“

• Die Weltkonjunktur soll bis 2020 nur noch um 3,2 Prozent wachsen. „Die Schwellenländer werden schwächer. China wird sich abkühlen. Deutschland wird weiter relativ gut wachsen“, so Hofer. Italien werde sich erholen, aber niemandem davonlaufen. Die USA sollen bis 2020 um durchschnittlich 2,3 Prozent wachsen – also einen Prozenpunkt stärker als die EU. Der Euro dürfte sich laut IHS bei einem Kurs von 1,10 zum Dollar einpendeln. Der Ölpreis soll in den nächsten Jahren im Schnitt bei 58 Dollar pro Fass liegen.

• Die Inflation war zuletzt sehr schwach und liegt heuer bei nur einem Prozent. Sie soll sich wieder beschleunigen und bis 2020 im Schnitt 1,75 Prozent pro Jahr erreichen – was aber immer noch unterhalb des EZB-Ziels von „weniger, aber knapp bei zwei Prozent“ liegen würde. Eine rasante Beschleunigung der Inflationsrate sei keinesfalls zu erwarten, auch weil die Arbeitslosigkeit hoch bleibt. „Von den Löhnen sollte deswegen kein Druck ausgehen“, so Hofer. Gegen Ende des Jahrzehnts soll die Teuerung dann wieder bei zwei Prozent liegen.

• Die private Konsumnachfrage dürfte in Österreich in den Jahren 2016 bis 2020 deutlich anziehen – vor allem wegen der Steuerreform. „Die führt zu einer Entlastung der Haushalte. Die verfügbaren Realeinkommen werden sich deshalb besser entwickeln“, so Hofer. Im Schnitt soll der private Konsum in Zukunft pro Jahr um 1,2 Prozent wachsen, nach nur 0,3 Prozent in den vergangenen Jahren. Die Sparquote soll ebenso wieder steigen.

• Auch die Investitionen sollen sich „belebt“ entwickeln. Die Unternehmen würden wieder mehr in die Ausrüstung stecken, so das IHS: plus 2,5 Prozent im Schnitt über die nächsten fünf Jahre. Auch die Bauinvestitionen, die zuletzt schwach waren, sollen wieder steigen: plus 1,25 Prozent. „Die Finanzierung bleibt günstig. Dazu kommt eine wachsende Nachfrage nach Wohnraum durch die steigenden Bevölkerungszahlen“, sagt Hofer.

• Die EZB werde auch dafür sorgen, dass die Zinsen (und damit die Finanzierungsbedingungen) weiter sehr locker bleiben. Bis zum Jahr 2020 rechnet Hofer nicht mit einem Zinsschritt der Europäischen Zentralbank. Am Donnerstag beließ die EZB die Leitzinsen auf einem Rekordtief und tastete vorerst auch nicht die zusätzlichen Gelddruckprogramme an, die seit vergangenem Jahr laufen (siehe nebenstehenden Artikel).

• Der Arbeitsmarkt sei weiter sehr angespannt. Zwar werde die Beschäftigung kräftig zulegen, aber das Angebot an Arbeitskräften steigt ebenfalls rasant: Die Österreicher arbeiten länger und Frauen drängen auf den Arbeitsmarkt. Dazu komme die Arbeitsmigration aus Osteuropa. „Die Arbeitslosigkeit wird bis 2018 auf zehn Prozent steigen und dann dort verharren“, so Hofer.


• Abgeschlossen ist das Kapitel „Wachstum durch Flüchtlingskosten“. Stattdessen die Ernüchterung: Flüchtlinge seien im Schnitt schwieriger zu integrieren als Wirtschaftsmigranten und von der Qualifikation her „nicht besonders gut“, so Hofer. „Deshalb wird die Arbeitslosigkeit auch aufgrund der Flüchtlinge steigen.“ (jil)

AUF EINEN BLICK

Österreich wird in den kommenden Jahren wieder rascher wachsen, sagt das IHS. Das ist auch bitter nötig, denn zuletzt ist der einstige Musterschüler hinter den EU-Schnitt gefallen. Dieser kann in den nächsten fünf Jahren zwar wieder erreicht werden, aber auch nicht mehr. Die fetten Jahre sind vorbei, die Arbeitslosigkeit bleibt auf einem Rekordniveau. Immerhin: Die Steuerreform wirkt und soll den privaten Konsum beleben, was dem Wachstum hilft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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