Der die Handwerkskunst aufmöbelt

Johannes Hofmeister und Sabine Klingmair
Johannes Hofmeister und Sabine Klingmair(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johannes Hofmeister ist kein herkömmlicher Baumeister. Seine Manufaktur steht für stilvolles Wohnen. Er entwickelt und renoviert nicht nur Wohnungen, sondern er richtet sie auch ein – mit selbst entworfenen Möbeln wie dem Wiener Diwan.

Gründerzeit – wer denkt da nicht an verstaubt-schwülstige Interieurs, an dunkelroten Samt und schwere Vorhangdraperien, fernab von modernen Wohnkonzepten? Johannes Hofmeister hat eine ganz andere Antwort: „Das war eine Glanzzeit der Architektur, wir hätten nicht die prachtvollen Ringstraßenbauten – überhaupt ist Wien ein Spiegelbild dieser Epoche zwischen Historismus und der neuen Klassik von Adolf Loos.“ Wenn der 46-Jährige gebürtige Niederösterreicher in seinem Büro in der Argentinierstraße hinter der Karlskirche so richtig loslegt, dann braucht man sich nur umzusehen, um seine Begeisterung zu verstehen.

Da stehen keine Tische skandinavischer Fertigteilprovenienz, aber auch keine 08/15-Designstücke aus Stahlrohr. Graublaue Seidentapeten an den hohen Wänden, Kassettendecken, Brokatvorhänge, Fischgrätparkett. Also doch zu viel des Guten? Keineswegs. Das ganze Haus, in dem im Parterre auch Hofmeisters Tapeziererwerkstatt untergebracht ist (dazu kommen wir noch), strahlt genau jene Gediegenheit der Gründerzeit aus, die die Bundeshauptstadt so sehr geprägt hat.

„Warum sollen wir Qualität neu erfinden, wenn es das alles schon gibt?“ Diese Frage stellte sich Hofmeister, als er, der geprüfte Baumeister, von Einkaufszentren und anderen Großbauten, die wenig Raum für Fantasie lassen, genug hatte. Die Antwort fand er schnell – er musste sozusagen nur die Augen aufmachen. Dass die 2008 einsetzende Wirtschaftskrise das Umdenken erleichterte, verschweigt er gar nicht. „Ich habe mir überlegt: ,Was willst du? Größer und reicher werden, was krisenbedingt eh nicht mehr realistisch war, oder etwas machen, das dich glücklich macht und ausfüllt?‘“

Geschichte war sein Lieblingsfach. Da kam die alte Liebe wieder zum Vorschein. Geschichte war schon in der Schule das Lieblingsfach Hofmeisters, der in der HTL Krems Restaurierungstechnik lernte. Als dann in den 1980er-Jahren die Ortsbildpflege en vogue wurde, „entwickelte ich dafür eine richtige Leidenschaft“. Sie erlosch offenbar nicht – und so war der Sprung viele Jahre später zum neuen Arbeitsbereich gar nicht so weit.

Er ist einfach erklärt – und dann eigentlich doch nicht. Denn mit „Altbausanierung“ wäre das Tun Hofmeisters und seines inzwischen 40-köpfigen Teams nicht einmal annähernd beschrieben. Der abgedroschene Begriff „One-Stop-Shop“ gefällt ihm noch weniger. Er sucht noch, wobei „Manufaktur“ dem Ganzen schon näherkommt. Denn alles, was in der Argentinierstraße erdacht und entwickelt wird, hat viel mit Handwerk zu tun. Also was ist es dann? „Wir kaufen Häuser und Wohnungen, sanieren und entwickeln sie – bis zur kompletten Einrichtung. Vorhänge, Möbel und Böden macht Hofmeister nicht nur selbst. Er sucht sie auch im In- und Ausland bei renommierten Ausstattern. Das nach der Insolvenz wiederbelebte österreichische Traditionsunternehmen Backhausen zählt ebenso dazu wie der italienische Nobeldesigner Etro oder Missoni.

Das Angebot – von der Idee bis zur Schlüsselübergabe, Planung, Projektentwicklung, Baumanagement und Einrichtung – steht unter dem Überbegriff „stilvolles, außergewöhnliches Wohnen“. Was mit Pseudostilmöbeln rein gar nichts zu tun hat. Inzwischen bietet Hofmeister Wien – der Name dient als Klammer über das Angebot in mittlerweile sechs Firmen – mehrere Ausstattungspakete an. Die Namen sprechen für sich: Klassik, Öko, Technik und Design.

Von der Abkehr von Großbaustellen bis zur Neuauflage gründerzeitlicher Handwerkskunst vergingen freilich etliche Jahre. Hofmeister war gerade dabei, sich als Bauherr in der Restaurierungsszene zu etablieren – seine Firma Meisterquadrat machte alles, vom Wochenendhaus bis zum Schlösschen. Da funkte ein Freund dazwischen. Matthias Kamp, in der Wiener Clubszene kein Unbekannter, hatte eine Idee: die Albertina-Passage. Hofmeister schlug ein – das Restaurant/Clublounge-Konzept ging auf.

Viele Handwerker hatten aufgegeben. Dennoch kehrte Hofmeister danach wieder zu seinen Leisten zurück. Das war im Jahr 2011, und die Krise hatte ganze Arbeit geleistet. „Ich wusste, ich brauche für meine Projekte eine Truppe von Spezialisten und guten Handwerkern.“ Aber viele hatten aufgegeben – es fehlten die Kunden bzw. ein Nachfolger. Und so wollte es der Zufall, dass Hofmeister auf die Traditionsfirma Kravka aufmerksam gemacht wurde. Der traditionsreiche Maler- und Tapeziererbetrieb schleuderte kräftig. Hofmeister stieg 2013 ein und übernahm Mitarbeiter und Stammkunden – die Firma Kravka bildet bis heute ein wichtiges Standbein seiner Firmengruppe.

„Meine beiden Polsterer [so heißen Tapezierer im Fachjargon, Anm.] sind seit 42 bzw. 30 Jahren im Geschäft“, schwärmt Hofmeister von seinen Mitarbeitern. Der eine hat sein Können „geerbt“, ein Vorfahre hat tatsächlich schon in der Gründerzeit den Tapeziererberuf gelernt. „Dieses Wissen und die Fertigkeiten müssen und wollen wir pflegen, deshalb haben wir auch einen Lehrling“, sagt Hofmeister. Und lobt die Initiative der Wirtschaftskammer, die Lehre mit der Matura zu verbinden. Denn er hat die Erfahrung gemacht, dass Handwerkern, die ja meist selbstständige Unternehmer sind, oft kaufmännisches Wissen fehlt.

Hofmeister und seine Geschäftspartnerin, Sabine Klinglmair, eine langjährige Freundin, die nach vielen Jahren in internationalen Organisationen erst vor einem Jahr zum Unternehmen gestoßen ist, haben ihren Ideenschatz noch lang nicht aufgebraucht. „Ich bin jetzt richtig angekommen“, schwärmt die Tochter eines Tischlers von ihrer neuen Wirkungsstätte.

Gerade erst ist ein neues Produkt geboren worden, das sich perfekt in die „Hofmeisterei“ fügt: Wiener Diwan heißt das Möbelstück, das gerade dem Prototypstatus entschlüpft. Das Sitz-Liege-Möbel war aus den Salons der Gründerzeitwohnungen und den Sommerhäusern nicht wegzudenken. Warum sollte das gute, alte Stück nicht auch im 21. Jahrhundert seine Dienste tun? Klassisch-schlicht im Design, bekommt der Diwan durch einen entsprechenden Bezug einen modernen oder nostalgischen Touch. Dass das Möbel bis auf den Federkern aus Naturmaterialien besteht, ist schon fast selbstverständlich. Rosshaar, Kokosmatte und Baumwolle sind die Materialien, aus denen die Matratze besteht. Und für das Holzgestell hat sich Hofmeister auch etwas Besonderes einfallen lassen: Wiener Platane.

In einer Schauwerkstätte konnte man die Entstehung des Diwans, der mithilfe von Fördermitteln der Wirtschaftsagentur Wien entwickelt wurde, beobachten. Jetzt ist er schon im Geschäft in der benachbarten Favoritenstraße ausgestellt.

Liebe zum Handwerk

Johannes Hofmeister hat ein Allroundkonzept für Bauen und Wohnen entwickelt, das die Gründerzeit in den Mittelpunkt stellt. Seine Firmengruppe bietet Planung, Projektentwicklung, Baumanagement und Einrichtung von Häusern und Wohnungen – alles unter dem Motto hochqualitatives Wohnen. Seit einem Jahr ist Sabine Klinglmair Ko-Geschäftsführerin.

Das jüngste Produkt kommt aus der eigenen Werkstatt: Der Wiener Diwan lehnt sich ebenfalls an das Vorbild aus der Gründerzeit an. Für das Sitz/Liegemöbel werden – außer dem Federkern – nur Naturmaterialien verwendet. Das Gestell ist aus dem Holz der Wiener Platane gefertigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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