Der Rat des Ökonomen: Glücklich ist, wer sein Leben ändert

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Liebessachen, Beruf, Wohnort: Wie sollen wir uns in den wirklich wichtigen Fragen entscheiden? Ein Münzwurf-Experiment gibt Aufschluss.

Früher wollten die Ökonomen die Wirtschaft verstehen. Heute kommen sie in die Zeitung, weil sie das Publikum mit kuriosen Experimenten verblüffen. Das haben sie sich selbst eingebrockt. Die längste Zeit gingen sie mit ihrem Menschenbild vom Homo oeconomicus hausieren. Sie bauten ihre Theorien darauf auf, dass sich alle Akteure immer ökonomisch rational verhalten. Das heißt: So handeln, dass sich ihr erwarteter Nutzen maximiert. Bis die Kollegen von der Verhaltensökonomie fanden, das sei weltfremd – Stichwort Finanzkrise. Ihr starker Verdacht: Wir belassen die Dinge lieber so, wie sie sind, auch wenn wir sie ändern sollten.

In Labortests haben die Verhaltensökonomen diesen „status quo bias“ nachgewiesen. Aber künstliche Spielsituationen sind nicht das echte Leben. Also macht man heute Feldstudien. Aber wie lächerlich waren da bisher die Einsätze: Baseballtickets, Charityspenden, Versandhausbestellungen. Viel ergiebiger wäre, die Menschen bei wirklich wichtigen Entscheidungen zu begleiten: Soll ich mich scheiden lassen? Den Job kündigen? In eine andere Stadt ziehen? Um damit ein Experiment zu wagen, muss man schon ein ziemlicher Freak sein.

Steven Levitt, der Autor des Bestsellers „Freakonomics“, ist ein solcher. Er überredete nicht nur Tausende Besucher seiner Website, Angaben zu ihren Entscheidungskonflikten und Glückszuständen zu machen. Er musste sie auch dazu bringen, nicht auf Herz und Hirn zu hören, sondern eine Münze entscheiden zu lassen.

Warum das? Was Levitt interessiert, sind Menschen, denen eine wichtige Entscheidung schwerfällt. Im Wiglwagl sein, heißt das auf Österreichisch. In der Sprache der neoklassischen Ökonomen: Das Abwägen ist nicht leicht, da der Erwartungsnutzen in beiden Varianten fast gleich ist. Das hieße aber: Wie sich diese Menschen auch entscheiden, es geht ihnen nachher weder viel besser noch viel schlechter. Das stellt der Verhaltensökonom infrage. Dazu muss er zeigen, dass die Veränderer im Nachhinein glücklicher als die Bewahrer sind. Aber auch damit wäre keine Kausalität bewiesen. Vielleicht ringen sich gerade jene zu dem wichtigen Wandel durch, die insgeheim wissen, dass es dafür schon längst höchste Zeit ist. Der kausale Zusammenhang ist nur gesichert, wenn der Zufall entscheidet. Also: Münze werfen. Kopf heißt sich vom Partner trennen, Zahl bei ihm bleiben.

Zugegeben: Wer sich auf so etwas einlässt, dürfte etwas seltsam sein. Am Ende waren es nur ein paar Hundert. Sie mussten Zeugen stellen, zur Kontrolle ihrer Angaben. Übrigens wurde die Frage „Soll ich mich trennen?“ weit öfter als „Soll ich einen Antrag machen?“ gewählt: Wer verliebt ist, ist sich seiner Sache eben noch ziemlich sicher. Die Münze warf der Computer, im Rahmen der Onlinebefragung. Es war auch nicht nötig, dass sich alle oder auch nur eine Mehrheit an die verrückte Vorgabe hielten. Levitt musste nur zeigen, dass der Münzwurf überhaupt einen signifikanten Einfluss auf die Entscheidungen hat. Damit konnte er ihn in seine Formel einbauen und die Daten durchspielen. Das Ergebnis: Im echten Zweifelsfall macht es glücklicher, wenn man sich für die große Änderung entscheidet.

Der eingestandene Haken: Die Stichprobe war überhaupt nicht repräsentativ. Was sind denn das für Leute, die in Beziehungsfragen die Münze werfen? Selbst Freaks, womöglich gar Ökonomen, die das Experiment durchschauen und dem Versuchsleiter eine Freude machen wollen, indem sie das erwartete Ergebnis bestätigen? Lewitt hat versucht, solche Schummler herauszurechnen. Ob das gelungen ist, bleibt anfechtbar. Also auf, ihr skeptischen Kollegen, widerlegt ihn! Und rettet unsere Ehen.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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