Im Internet können SPÖ-Mitglieder fünf Fragen beantworten, an die Ergebnisse wird sich Kern "natürlich gebunden fühlen". Auf EU-Ebene ist das Abkommen allerdings schon unterschriftsreif.
Fünf Fragen zu den Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada) und TTIP (EU-USA) stellt die SPÖ ab sofort ihren Mitgliedern. Im Internet unter "www.mitreden.spoe.at" können die Fragen beantwortet werden. Auch Nicht-SPÖ-Mitglieder können an der Umfrage teilnehmen. Zur Frage nach der Bedeutung sagte Kern: "Wir haben nicht vor, eine Mitgliederbefragung zu machen und dann die Ergebnisse zu kübeln." Die Umfrage endet am 18. September um 24 Uhr.
Die fünf Fragen, die jeweils mit Ja oder Nein zu beantworten sind, lauten:
- Soll Österreich der vorläufigen Anwendung von CETA auf EU-Ebene zustimmen?
- Soll CETA in Österreich in Kraft gesetzt werden, wenn darin die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten enthalten ist?
- Soll CETA in Österreich in Kraft gesetzt werden, wenn dadurch europäische Qualitätsstandards gesenkt werden können?
- Sollen künftige Freihandelsverträge so gestaltet sein, dass die hohen europäischen Qualitätsstandards (etwa für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz) beibehalten werden?
- Soll für künftige Verhandlungen zu TTIP und anderen Freihandelsverträgen eine Verpflichtung zur größtmöglichen Transparenz gelten?
"Wir werden uns natürlich an die Ergebnisse dieser Befragung gebunden fühlen", sagte Kern. Aufgrund des EU-Rechtsrahmens habe man aber möglicherweise gar keine Option mehr, "wenn wir nicht mehr Partner finden". Es könne auch sein, dass wir "ein klares Nein formulieren, und dort mit fliegenden Fahnen untergehen".
Enquete im Parlament
Weiters werde eine breite Diskussion zum Thema geführt. Am 14. September werde dazu eine Enquete im Parlament stattfinden. In den breiten Diskussionsprozess zum CETA-Freihandelsabkommen will der Kanzler zahlreiche Experten einbeziehen. Auch die kanadische Handelsministerin, mit der er lange telefoniert habe, werde für die Diskussion zur Verfügung stehen. Weiters sollen unter anderem Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Ex-Finanzminister und Unternehmer Hannes Androsch, der neue Wifo-Chef Christoph Badelt, Bürgermeister, Landeshauptleute und die Zivilgesellschaft eingebunden werden. Auch die Umweltschutzorganisationen Greenpeace, Global 2000 sowie Attac sollen sich an der Debatte beteiligen.
Der Kanzler erläuterte die Gründe für seine Skepsis: Freihandel sei die Grundlage unseres Wohlstands, aber die Globalisierung habe nicht nur Wohlstandsgewinne, sondern auch klare Verlierer mit sich gebracht. "Für uns ist es wichtig, eine Form der Globalisierung zu finden, die gerecht ist, die diese Wohlstandsgewinne gerecht verteilt." Weiters dürfe es nicht zur Aushöhlung demokratischer Entscheidungsprozesse zugunsten global agierender Konzerne kommen. "Wir können die Globalisierung nicht zurückdrehen, sondern es geht darum, faire Bedingungen zu schaffen."
Der auch in CETA extra geregelte Investorenschutz sei schwierig zu verstehen, da es ordentliche Gerichtsbarkeit sowohl in Österreich als auch in Kanada mit hohen Standards gebe, warum daneben eine neue Gerichtsbarkeit geschaffen werde. Zur Absicherung der sozialen und Umweltstandards gebe es zwar ein klares Bekenntnis in CETA, aber keinen ausreichenden Sanktionsmechanismus.
Kern glaubt an „gemeinsame Regierungslinie“
Angesprochen auf den Koalitionspartner ÖVP meinte Kern, dass auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bereits formuliert habe, dass Investorenschutz und die Absicherung von sozial- und umweltpolitischen Standards in CETA ein Problem sei. Mitterlehner hat im "Kurier" dazu erklärt: "Wenn das Europäische Parlament zustimmt, tritt die vorläufige Anwendung von CETA in Kraft. Wir fordern, dass dabei der Investitionsschutz und das Nachhaltigkeitskapitel ausgenommen wäre." Kern konterte heute, "dass die ÖVP die Privatisierung von kommunalen Leistungen nicht so stört, ist okay". Er habe aber keinen Zweifel, dass hier eine gemeinsame Regierungslinie erarbeite werden könne: "Ich bin überzeugt, dass wir uns da finden werden."
Schließlich erläuterte Kern die Frage, wie es jetzt auf EU-Ebene mit dem eigentlich schon unterschriftsreifen CETA-Abkommen weitergehen solle: Am saubersten wären Nachverhandlungen, doch das werde schwierig, "weil das Fass möchte außer uns gesamthaft kaum jemand aufmachen". Es gebe dann die Möglichkeit, möglichst viele Teile des Abkommens in den nationalen Teil, den die nationalen Parlamente ratifizieren, hineinzubringen. "Dann könnten wir sehr wohl wesentliche Teile mitbestimmen", so der Kanzler. Die SPD betreibe in Deutschland ein ähnliches Projekt.
(APA)